6. November: Update: Rauchen, COVID-19 und die schwache Datenlage

Schon seit vielen Jahren ist wissenschaftlich sehr gut belegt, dass Rauchen massiv der Gesundheit schadet. Der Rauch einer Zigarette enthält viele, zum Teil krebserregende Giftstoffe, die dem Körper zusetzen.

Gibt es bei COVID-19 ein „Raucher-Paradox“?

Als zu Beginn dieses Jahres das neuartige Coronavirus in unser Leben trat, schien die Sache deshalb zunächst eindeutig zu sein: Raucherinnen und Raucher sind deutlich gefährdeter, schwer an COVID-19 zu erkranken. Erste Erhebungen schienen diese Erwartung zu bestätigen. So erkrankten in China deutlich mehr Männer als Frauen schwer an COVID-19. Als Grund dafür war schnell die deutlich höhere Raucherquote unter chinesischen Männern ausgemacht.

In den Monaten darauf wurde das Bild dann unklarer. In mehr und mehr Studien fiel auf, dass unter Patientinnen und Patienten, die wegen eines kritischen Verlaufs von COVID-19 im Krankenhaus behandelt werden mussten, vergleichsweise wenig Raucherinnen und Raucher zu finden waren. Könnte es bei COVID-19 also so etwas wie ein „Raucher-Paradox“ geben – im Sinne von: Wer raucht, ist geschützter vor COVID-19? Wir berichteten darüber, auch über die Überlegungen von Forscherinnen und Forscher aus Paris, ob Nikotinpflaster gegen eine Ansteckung mit dem Coronavirus schützen könnten.

Kein Beleg für Raucher-Paradox ...

Bisher konnte allerdings ein solches Raucher-Paradox nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden. Darauf weist auch ein kürzlich veröffentlichter Artikel in der renommierten Zeitschrift British Medical Journal (BMJ) hin. Die Autorinnen und Autoren beschreiben darin verschiedene methodische Schwierigkeiten bei der Erhebung des Raucheranteils in COVID-19-Patientenstichproben. Diese Probleme könnten für den (falschen) Eindruck verantwortlich sein, nur wenige Raucherinnen und Raucher müssten wegen eines schweren COVID-19-Verlaufs im Krankenhaus behandelt werden.

So können Personen, bei denen unbekannt ist, ob sie rauchen oder nicht, das Gesamtbild verfälschen. Unter ihnen befindet sich eine unbekannte Zahl von Raucherinnen und Rauchern. Wenn diese bei de rBerechnung des Raucheranteils in der Patientenstichprobe nicht berücksichtigt werden, wird die Zahl der erkrankten Raucherinnen und Raucher unterschätzt. Angaben zu ihrem „Rauchverhalten“ können insbesondere von Menschen, die beatmet oder anderweitig notfallmedizinisch behandelt werden müssen, nicht oder weniger genau ermittelt werden.

… dafür jede Menge methodische Schwierigkeiten

Dass es in den Untersuchungen der vergangenen Monate zu solchen Fehlern gekommen ist, halten die Autorinnen und Autoren des Fachartikels für nachvollziehbar. Schließlich sei der Druck, unter dem auch die wissenschaftliche Forschung in dieser Zeit war (und auch noch steht), enorm. Der Faktor Rauchen stand bei vielen der Studien zudem nicht im Mittelpunkt, sondern ist eher „mit erhoben“ worden. Das könnte auch eine Erklärung dafür sein, dass in vielen Untersuchungen nicht genau ermittelt wurde, wie lange und wie viel die Patienten und Patientinnen geraucht haben. Auch „früheres Rauchen“ wurde häufig nicht ermittelt.

Fazit: Es gibt keine wissenschaftlichen Belege für ein Raucher-Paradox bei COVID-19. Fest steht allerdings, dass Rauchen den gesamten Körper schädigt. Raucherinnen und Raucher erkranken unter anderem häufiger an COPD und Herz-Kreislauf-Krankheiten. Diese Krankheiten gelten wiederum als Vorerkrankungen, die einen schwereren Krankheitsverlauf bei COVID-19 begünstigen.