25. August: Rauchen und das Coronavirus: Der aktuelle Wissensstand

Vor fünf Monaten, am 28. März, ist der erste Beitrag unseres Blogs „Rauchen und das Coronavirus“ online gegangen. Vieles hat sich seitdem verändert. Wir haben gelernt, Abstand zu halten, der Mund-Nasen-Schutz ist zum ständigen Begleiter unseres Lebens geworden. Im Stillen „Happy Birthday“ zu singen, um die empfohlenen 20 bis 30 Sekunden beim Händewaschen einzuhalten, ist für die meisten von uns nicht mehr notwendig: Das regelmäßige und ausgiebige Säubern der Hände ist inzwischen ebenso zur Routine geworden.

Steile Lernkurve über COVID-19
Enorm verändert – und damit verbessert – hat sich auch unser Wissensstand über das Coronavirus „SARS-CoV-2“. Was für eine Lernkurve in derart kurzer Zeit! Täglich werden neue Studienergebnisse veröffentlicht, wir erfahren immer mehr über mögliche Ansteckungswege und Krankheitsverläufe – auch darüber, wer besonders häufig von einem schweren Verlauf der Viruserkrankung betroffen ist.

Erhöhter Raucheranteil unter schwer Erkrankten?
Raucherinnen und Raucher wurden schon früh als mögliche Risikogruppe für einen solchen schweren Krankheitsverlauf identifiziert: Erste Studien wiesen darauf hin, dass unter den schwer Erkrankten ein erhöhter Raucheranteil zu finden war. In den Monaten darauf wurden dann wiederum Untersuchungen veröffentlicht, bei denen sich in Patientenstichproben teilweise sogar weniger Raucherinnen und Raucher fanden als in der allgemeinen Bevölkerung. Von einigen wurden diese Ergebnisse so gedeutet, dass Rauchen eventuell sogar vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus schützen könnte. Diese Annahme konnte allerdings nicht bestätigt werden. Vermutlich sind eher methodische Schwierigkeiten dafür verantwortlich, dass in diesen Studien vergleichsweise wenige Patientinnen und Patienten angaben zu rauchen: Eine ganze Reihe von ihnen, insbesondere die schwer Erkrankten, dürften seit Krankheitsbeginn tatsächlich nicht mehr geraucht haben und könnten deshalb auf Nachfrage geantwortet haben, dass sie nicht rauchen. Außerdem: Besonders in Notfällen ist die Abfrage „Raucher oder nicht“ erschwert, oder hat keine Priorität bei der Aufnahme und Versorgung von Patientinnen und Patienten.

Nikotin als Schutz vor Corona?
Und dann war da noch die Hoffnung eines französischen Forscherteams, dass Nikotinpflaster eventuell vor einer Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus schützen könnten. Diese Nachricht schlug (vor allem in den sozialen Medien) hohe Wellen. Dabei wurde allerdings häufig übersehen, dass es bei der Meldung erstens um eine Studie ging, die erst noch durchgeführt werden muss, und zweitens der dazugehörige Artikel nicht in einer anerkannten Fachzeitschrift veröffentlicht wurde, sondern auf einer Plattform für Vorveröffentlichungen. Auf solchen Plattformen im Internet können die Texte – insbesondere von Fachleuten – gelesen und kommentiert werden, zum Teil werden sie von den Verfasserinnen und Verfassern dann noch angepasst. Ein erneuter Blick in den auf der Plattform veröffentlichten Artikel über „Nikotinpflaster und Corona“ ergab übrigens, dass es zu dem Thema aktuell noch keine neuen Erkenntnisse gibt.

Produziert Rauchen „Eintrittspforten“ für das Coronavirus?
Von der Medienöffentlichkeit dagegen weniger beachtet wurden Hinweise aus Studien, dass durch das Rauchen ein bestimmtes Enzym stärker produziert wird, welches sich auf der Zelloberfläche in den unteren Atemwegen befindet und als Eintrittspforte für das Coronavirus gilt: das sogenannte ACE2. Die vermehrte Produktion des Enzyms könnte, neben einer vorgeschädigten Lunge, ein Grund dafür sein, dass Raucherinnen und Raucher schwerer erkranken. Aber auch dieser Zusammenhang muss erst noch in weiteren Studien erhärtet und belegt werden.

Aktuell lässt sich der Wissensstand zum Thema Rauchen und COVID-19 so zusammenfassen:

  • Raucherinnen und Raucher zählen neben Älteren (ab 50 bis 60 Jahren), vorerkrankten Menschen (z.B. koronare Herzerkrankung, Bluthochdruck, Diabetes, Krebserkrankungen) sowie Menschen mit hohem Übergewicht zu den Risikogruppen für einen schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung.
  • Für Raucherinnen und Raucher gilt im Unterschied zu den anderen genannten Gruppen allerdings aktuell der Zusatz „schwache wissenschaftliche Datenlage“. Zu dieser Einschätzung kommen die Fachleute des RKI (Robert-Koch-Institut), weil es – Stand heute – insgesamt noch zu wenige belastbare Untersuchungen gibt, die eindeutig zeigen, dass Rauchen das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf erhöht.

Wichtiger Hinweis: Auch für Menschen, die zu keiner der genannten Risikogruppen zählen, besteht grundsätzlich immer das Risiko eines schweren Verlaufs der COVID-19-Erkrankung. Wie Sie sich und andere schützen können, erfahren Sie unter www.infektionsschutz.de

  • Rauchen begünstigt die oben genannten Vorerkrankungen, die wiederum einen schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung wahrscheinlicher machen.
  • Ein Rauchstopp senkt das Risiko für diese Krankheiten. Wir helfen Ihnen dabei...
  • Mit der Zeit nehmen die Risiken für die schweren Folgeerkrankungen des Rauchens nach und nach ab. Je länger ein Rauchstopp zurückliegt, desto größer sind die positiven gesundheitlichen Effekte.
  • Um ihr Ansteckungsrisiko zu minimieren, sollten Raucherinnen und Raucher möglichst nicht zusammen mit anderen rauchen bzw. immer auf genügend Abstand zu anderen achten. Beim Rauchen selber sollten sie zudem aufpassen, dass ihre Finger nicht in Berührung mit dem Gesicht kommen.
  • Wer jetzt mehr Zeit zu Hause verbringt, sollte daran denken: Passivrauchen belastet Dritte und schädigt deren Gesundheit, unter anderem ihre Atemwege und das Herz-Kreislaufsystem. Deshalb sollte nur draußen geraucht werden.

Wir bleiben weiter dran an dem Thema. Im nächsten Blog-Beitrag beschäftigen wir uns noch einmal etwas ausführlicher damit, was der Hinweis „schwache wissenschaftliche Datenlage“ für unseren Alltag bedeuten kann.