Das Monster in mir

Verfasst am: 09.03.2014, 22:46
rauchfrei-lotsin-andrea
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Hallo Meikel,

wünsche dir eine gute NAcht, soweit möglich. Lese sehr gerne deine Berichte, auch wenn sie wehtun. Meine Freundin
(die mit auch COPD) hat sich nach dir sehr interessiert erkundigt, ich habe ihr von dir erzählt. Sie hat seit Freitag eine Lungenentzündung, Samstag früh musste der Notarzt kommen. Seitdem Cortison und Antibiotika. Seitdem keine Zigarette mehr angerührt. Es tut sehr weh, ihr beim Husten zuzuhören.

So hart sich das anhört, ich hoffe, sie packt die Kurve und muss nicht deinen Weg gehen.

Gibt es winzig kleine Lichtblicke in deinem jetzigen Leben? Hattest du Sonne im Krankenzimmer? Bringt dir deine Frau Bier? Gestern im Bett dachte ich an dich: Fastenbier ist besonders nahrhaft, so Doppelbockmäßig. Ganz im Ernst.

Denke weiterhin viel an dich. Übermorgen ist ja wieder chat. Vielleicht hast du ja die Kraft, fünf Minuten vorbei zuschaun?

VG Andrea

Verfasst am: 10.03.2014, 07:10
rauchfrei-lotse-meikel
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Hallo Andrea,

die vergangene Nacht zählte zu meinen Tiefpunkten seit 6Tagen. Die Atemnot nimmt massiv zu, statt ab. Falsche Richtung!

Nicht schlafen können setzt in mir häufig Kreativität frei. Es vermittelt mir in Selbstreflexion Wege, Lösungen, Strategien, deren Existenz schlafend an mir vorbeigezogen wären.. Aber dazu später mehr...

Einmal mehr danke ich dir von Herzen für deine Anteilnahme und für deine lieben Worte. In den ungefähren 6 Monaten unserer Communityzeit bist du mir zu einer der wichtigsten Ratgeberinnen erwachsen, bis hierhin würde ich alle deinen Beiträge mit dem Prädikat "Besonders wervoll" auszeichnen. Dich zu einer Freundin zu haben, muss ein ganz großes Geschenk sein.

In meinem "Monster in mir"-Thread habe ich offenbar falsche Fährten gelegt-anders kann ich mir deine GuteNachtNachricht nicht erklären. Deshalb hier für dich, für alle (die's inzeressiert) meine "Gegendarstellung":

"So hart sich das anhört, ich hoffe, sie packt die Kurve und muß nicht deinen Weg gehen."

So hart sich das Anhört, ich wünsche deiner Freundin, große Teile genau meines Weges zu gehen. Erkrankungen, auch schwerwiegende wie eine Lungenentzündung, sind behandelbar, heilbar. Ich wünsche ihr sehr, dass sie wieder vollständig gesund zurück ins Leben findet. Vielleicht war diese Grenzerfahrung für sie der letzte Funke, um ihrer Nikotinsucht die Stirn bieten zu können. Bei mir war dieser "Point of no return" nach der 4. Lungenentzündung innerhalb von 3 Jahren erreicht.

Es überwältigt einen eine so gigantische Endorphinwelle, ein Kraftgewinn, eine Lebensfreude, sobald die schlimmsten Momente überstanden sind, dass die (noch gewohnte) Zigarette sooo nah ist. Viel zu oft bin ich in genau diesen Momenten immer und immer wieder rückfällig geworden. Wird deine Freundin sich diesen Teil meines Weges ersparen können? Wie schätzt du sie ein?

"Gibt es winzig kleine Lichtblicke in deinem jetzigen Leben?"

Mein Leben ist ein, von Licht durchflutetes, helles und wärmendes Geschenk-möglichweise einer "höheren Macht". Warum?

Als junger, 23-jähriger Mann fuhr ich abends auf einem Motorrad durch die Straße. Mein Freund vorne, ich hintendrauf, es regnete. Als die Straße scharf nach rechts führte, fuhr er geradeaus, 80 km/h. gegen einen Steinstapel am Straßenrand.

Beim Anprall blieb er mit den Beinen am Lenker hängen, riss sich beide Oberschenkelarterien auf, war sofort tot. Er wurde 18 Jahre alt.

Sein Rücken diente mir als Rampe, als Katapult. Ich schoss über ihn hinweg, flog, prallte gegen einen Baum... und habe es überlebt. 4 Tage Koma, 18 Brüche, aber, verdammt, ich habe es überlebt. Lange, lange im Rollstuhl, endlose REHA's, Nachoperationen, wieder Rollstuhl, REHA-heute lebe ich ein normalgesundes Leben mit nur geringsten Beeinträchtigungen.

Als unser erstes Baby starb, vor 20 Jahren, gerade 12 Wochen alt, ging das nächste tiefschwarze Loch in meinem Leben auf. So tief und so schwarz, mit keinem Schmerz, den ich je zuvor erlebt hatte, vergleichbar. Auch jetzt, beim berichten, weine ich, denke immer noch viel an meine Kleine. Ich habe ein "Sternenkind."

Und ich habe es überlebt. Eine Psychotherapie, 6 Monaten stationär, hat mich zurück ins Leben geführt.

Ungefähr ein Jahr später nimmt sich meine Frau das Leben. Schwerverletzt überlebt sie knapp, wird 14 Monate mit Psychotherapie in ihr Leben zurück geführt. Sie hat unseren Verlust verarbeiten können.

25 Jahre "tanzen" wir nun gemeinsam durch unser Leben. Ganz oft, ganz leichtfüssig wie 2 Gazellen, manches Mal wie die zwei großen Tiere mit dem langen Rüssel. Und wir haben es überlebt. Diese kluge, warmherzige, äußerst attraktive Frau ist "meine". Wir können, wir wollen nie wieder ohne einander. Sie ist es, die mir Mut macht, die ich lachen mache, die mich zur Weißglut treiben kann, die so oft und immer wieder mein Herz erreicht, ein ganz besonderer Mensch, der wervollste Mensch in meinem Leben.

Ja, Andrea, mein Leben ist voll des Lichts. Und: Ja, ein abendliches Fläschchen Bier macht weiterhin halbwegs gutes Einschlafen möglich. Und Ohropax.

Ich habe Bock aufs Leben, man könnte fast sagen "Doppelbock". Dieses Zimmer hier hat nur 3 Wände. Die 4. ist eine Glasfront, durch die die Sonne strahlt, von 8-16 Uhr. Vorgestern, gestern und den Rest dieser Woche auch noch. Toll, einfach TOLL...

Meine Aufbaudiät trägt erste Früchte, ein langer Prozess, der Kontinuität erfordert. Und Zeit. Die habe ich.

Ich habe lernen müssen, das Leid der anderen von meinem Leben zu abstrahieren. Mich erreichen diese Emotionen, diese Hoffnungslosigkeiten, dieser Schmerz. Aber es ist nicht Meins!! Über meine (Raucher-)Krankeit musste ich viel lernen. Inzwischen bin ich der Experte, die studierten Damen und Herren in weiß sind die Fachleute.

Das ist das Ergebnis dieaer letzten, schlaflosen Nacht mit meiner Erkenntnis, jetzt zu wissen, welche Form der Therapie wir gehen werden, damit ich schnell -ohne Zeitdruck - wieder auf den Beinen bin. Selten habe ich mich so sehr auf eine ärztliche Visite, wie heute vormittag, gefreut. Bei dieser (nicht nur bei dieser?) Erkrankung bist du ohne Selbstmanagement verloren.

Eines muß ich dir aber noch gestehen: Abends, im Bett, denke ich an so vieles. Nicht an Andrea....

Weder meine Finger, noch mein Hirn sind krank (manche behaupten anderes), deshalb freue ich mich total auf den chat morgen. Vermutlich beim Fläschken Bier...

Einen sonnigen Tag für dich
Love
Meikel

Verfasst am: 10.03.2014, 08:05
Kecina
Kecina
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Hallo Meikel- zuerstmal wünsche ich dir, dass die heiß herbei ersehnte Visite in greifbare Nähe gerückt ist.

Mir ist bewusst, dass du die Menschen, die hier in diesem Thread mit lesen u schreiben, nicht zum Heulen bringen willst. Nur wach rütteln. Gerade deshalb danke ich dir für deine doch ganz persönliche Geschichte. Mit sehr tiefen Einblicken in etwas, was zeigt, wieviel ein Mensch "aushalten", "ertragen" kann.

Nach meinem Unfall und einigen OP's hab ich lange Zeit gebraucht, um mit dem allem fertig zu werden. (So richtig abgeschlossen hab ich auch nach 11 Jahren noch nicht)

So makaber sich das anhört: Mein Chefarzt, der während des Aufwachens aus dem Koma oft an meinem Bett saß, mich immer wieder daran erinnerte, wozu ich leide, wenn es RICHTIG schmerzte, sagte mal zu mir:

"Was uns nicht umbringt, macht uns stärker!"

Sprach's, ging u ich bekam ihn nie wieder zu sehen.
Ich erfuhr später, dass er bei einem schweren Verkehrsunfall starb.

In der Vergangenheit hab ich mittlerweile viele mehr oder weniger schlaue Sprüche gelesen u gehört.
Kaum einer hat mich so berührt, wie dieser.

Auch ich denke an dich, schicke dir viel Kraft.

Verfasst am: 10.03.2014, 08:14
chrismowgli
chrismowgli
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Guten Morgen, Meikel, wenn man Deine Geschichte liest, besonders den letzten Eintrag, stockt einem zunächst einmal der Atem. Die Grenzerfahrungen Deines Lebens sind schon heftig gewesen. Was ist dagegen schon ein Rauchstopp, da haben Du und sicherlich viele von uns schon ganz andere Sachen bewältigt, aber nein, da gehen wir dann in die Knie und kriegen es nicht geregelt. Vielleicht sollte ich diesen Gedanken heute mal verfolgen, er erscheint ganz interessant zu sein.
Es freut mich, dass Du die schlaflose Nacht genutzt hast, um die Therapie für Dich zu überdenken, ich hoffe, dass die Visite bzw. das Gespräch mit den Ärzten dabei hilft. Du hast Recht, ohne Selbstmanagement funktioniert die Sache nicht. Ich war jahrelang wegen orthopädischer Probleme Schmerzpatientin und habe mich zur Fachfrau für "Rücken" entwickelt. Ich wollte schließlich wissen, was ich habe und welche Therapiemöglichkeiten es gibt bzw. wohin der Weg führen soll.
Ich wünsche Dir für heute viel Sonnenschein und Licht in Deinem Zimmer. Lass Dir das Bier schmecken! Ich, als alter Ruhrpöttler bzw. Bochumerin, liebe Fiege Pils. Das kriege ich jetzt sogar hier am Niederrhein! Wenn dann Bochum noch so gut Fußball spielen würde wie das Bier schmeckt, wäre alles im Lack!

Verfasst am: 10.03.2014, 18:20
Asilida
Asilida
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Auch mir stockte beim Lesen teilweise der Atem; Respekt lieber Meikel wie du so positiv das Leben liebend deinen Weg beschreitest! Ich würde jetzt gerne einiges zum Ausdruck bringen, aber es fehlen mir gerade jetzt einfach die Worte...

Verfasst am: 10.03.2014, 18:47
rauchfrei-lotse-meikel
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Hey asi,

dann hatte das Schreiben dessen noch einen positiven Nebeneffekt:

Stockender Atem hindert am rauchen

Dass ich so in "die Tiefe gehen" Würde hätte ich nicht für möglich gehalten. Der Beitrag ist aus der Feder geflossen, denken ausgeschlossen.
Liegt ganz stark an dieser Lebenssituation, die mich in die Introspektive zwingt.

Alles wird gut. Alles ist gut.

Love
Meikel

Verfasst am: 10.03.2014, 19:07
daufi
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meikel bin wort/ sprachlos nur so viel

semper fi bleib dir : "für immer treu"

lg daufi

Verfasst am: 11.03.2014, 08:09
rauchfrei-lotse-meikel
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Hallo ssilvia,

das ist total lieb, dass du fragst. "Gut schlafen" und "Krankenhaus"... diese beiden Begriffe sind nun einmal nicht kompatibel.

Und die Weißkittel? Sind kluge Menschen unter ihnen: Sämtliche Medikamente und Therapien wurden auf MEINEN WEG umgestellt. Nein, ich bin nicht im Fieberwahn. Das hat sich gestern tatsächlich genau so zugetragen.

Ich bin überglücklich und starte jetzt mit Leckerfrühstück (ohne Rollwurst) in meinen Tag.

Dir auch einen schönen sunny day.

Meikel

Verfasst am: 11.03.2014, 08:14
chrismowgli
chrismowgli
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Hallo, Meikel, ich wünsche Dir, dass die Therapie anschlägt!! Liebe Grüße, Christiane

Verfasst am: 11.03.2014, 21:51
Julia2
Julia2
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Hallo Meikel,

Dein Lebensmut, Lebenswille, deine Berichte, die trotz der Dramatik stärken und andere Mut geben. Du bist ein so positiver, starker Mensch mit so viel Frohsinn. Ich wünsche dir, dass es Schritt für Schritt und Tag für Tag Bergauf geht.

Wünsche dir eine gute und erholsamere Nacht und für morgen einen sonnigen Tag.

GLG Julia