Wiederholungstäter in Haft

Verfasst am: 09.05.2017, 20:41
AnikaB.
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Hallo Anton.

Ich liebe es wie du schreibst! Das liest sich wie ein Buch! 15. Mai also...?! Mhm. Was für ein Gefühl ist das? Hast du "Angst" je näher der Tag rückt oder freust du dich?
Du sagst, du benötigst einen (Aussagekräftigen) Anstoss. Das kenne ich! Auch kenne ich es, dass oft Jahre dazwischen liegen bis so ein Anstoss kommt.
Tja... es gibt natürlich 1000 Gründe aufzuhören. Die kennen wir alle und sie bewirken... NCHTS! Vergiss die Krankheiten die das Rauchen dir verschafft, vergiss das Geld was du bezahlst und -15 Jahre dafür bekommst.
Ich sag dir jetzt mal was:
Deinem Gefängniswerter ist es scheißegal wer in seinem Todestrakt sitzt! Du bist ihm überhaupt nicht wichtig! Es kratzt ihn nicht ob du 1, 10 oder 100 Jahre dadrin sitzt bis du stirbst. Ich bin mir noch nicht mal sicher, ob er sich Deiner überhaupt noch bewußt ist. Er hat dich eingelocht! Danach kümmerst du ihn nicht mehr!

Doch lieber Anton, werde dir eins bewußt: ist es denn eine Flucht, wenn man durch eine offene Tür geht? Du selbst hast dafür gesorgt, dass die Tür am 15.05.17 offen steht und du hinausspatzieren kannst. Du musst nicht geduckt laufen bis du draußen bist! Geh erhobenen Hauptes, dreh dich hinter denn Tor nochmal um und sag: " mit mir nicht mehr Ar...loch!" Und geh.
Ein Schritt nach dem Anderen! Er kann dich nicht einfangen und zurückschleifen wenn du es nicht willst! Außerdem muss er da auch erst mal durch uns durch und durch was weiß ich noch alles was du dir als Schutzwall zulegst!
Also, der Todestrakt+Gefängniswerter kann dich mal!

Tschakaaa!

Lg
Anika

Verfasst am: 10.05.2017, 08:21
Antonai
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Tag 5 - vor dem Ausbruch

Mein Alcatraz liegt noch in seiner morgendlichen Schwere ohne großartige Impulse, leer aber ruhelos, im Übergang vom Nacht- zum Tag - Rhythmus. Meine Zelle riecht wie ein altes Raucherabteil der Bahn. Ein Geruch der sich durch nichts übertünchen lässt. Beim Erwachen war der erste Gedanke, wie jeden Morgen, der nach der ersten Kippe. Nur heute war der Gedanke nicht mehr allein, auch der Traum vom Ausbruch macht sich in den Überlegungen breit. Es gibt keine harmlosen Züge mehr, keine unentdeckten, heimlichen. Alles ist unter Beobachtung. So soll es sein. Nicht loslassen! Gleich die Säge unterm Bett hervorholen, und ganz leise: hin – her – hin - her – hin – her , begleitet nur von tiefen Atemzügen, ganz ruhig, ganz sacht: hinnn – heeeer – hinnnnn – heeeeer – hinnnnn – heeeeer. Und ein ganz kleines Lüftchen weht von der Blumenwiese herüber und gibt eine Ahnung auf die ersehnte Freiheit.

Vor der Wiese liegt das Meer, dass muss nach dem Ausbruch durchschwommen werden. Auch der Duft des Wassers dringt in mein Bewusstsein, es riecht kühl und unwirtlich. Es möchte nicht von mir durchpflügt werden, es stößt mich ab, aber es gibt keinen anderen Weg. Da muss ich rein.

Aber erst noch die Gitter lösen. Hinnnnn – heeeeer -hinnnnn – heeeer – hinnnn – heeeeer

Verfasst am: 10.05.2017, 09:17
Antonai
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Aus manchen Zellen neben mir höre ich auch ein quietschendes Geräusch, ich werde nicht allein sein bei meinem Ausbruch. Das gibt mir Kraft.
Andere Insassen wollen aus freien Stücken hier bleiben. Sie fühlen sich wohl hier, und haben sich eingerichtet. Im Promitrackt munkelt man, gäbe es luxuriöse Zellen mit Wohlfühlcharakter. Da, sagt man, haust Tom Waits gleich Tür an Tür mit Keith Richards, und man sagt die haben mächtig viel Spaß. Solln sie doch!

Das wirklich schlimme für mich ist nur, drüben im Frauentrakt, da sitzt seit ein paar Jahren meine Tochter ein. Sie kam eigentlich nur zu Besuch öfter mal her. Nicht das sie nur mich besucht hätte, nein, auch Freunde von ihr sitzen hier drin, aber die größte Schuld schiebe ich mir zu. Das kann mir auch keiner ausreden. Wenn ich am 15. den Ausbruch starte, tut es weh sie hier zurückzulassen. Das schmerzt richtig.

Verfasst am: 10.05.2017, 17:27
Petrovic
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Hallo Anton,

ich wünsche dir viel Kraft für deinen Ausstieg.

Schritt für Schritt vorwärts kämpfen, dann klappt es auch.

e:

Liebe Grüße

Petra

Verfasst am: 10.05.2017, 22:59
Antonai
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Hallo Petra, vielen Dank für die freundlichen Worte.
Die drei Kellner sind aber auch nicht mehr ganz alleine
Aber lustig.

LG Anton

Verfasst am: 11.05.2017, 07:45
Antonai
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Uli,Uli
Heute antworte mal nicht ich dir, sondern überlasse dies anderen, vielleicht klügeren, aber bestimmt bekannteren Leuten.
Ein weiser Philosoph, oder war es Ralf Schmitz, na egal, jedenfalls ein denkender Mensch, formulierte einmal den Satz:

„Wer raucht handelt verantwortungslos, wird aber nie mehr seine Verantwortung los.“

Ein anderer heller Kopf, ein singender Poet, selbst oft gefallen, aber nie liegen geblieben, K. Wecker war noch einen Zacken schärfer:

„Einen braucht der Mensch zum Treten, und statt das er sich mal selber tritt, zieht er lieber, wenn auch ungebeten, alle anderen in seinen Abgrund mit.“

Es sind bestimmt keine absoluten Wahrheiten, absolut ist sowieso nichts, doch es sind Denkanstöße.
Jeder kann die Worte in sich aufnehmen, und beobachten was seine eigenen Nervenzellen damit anstellen.

Liebe Grüße
Anton

Verfasst am: 11.05.2017, 08:00
Cerise75
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Hallo Anton,

ich finde es sehr schön wie du deine Gedanken hier verfasst und ja es ist mit einem Ausbruch in die Freiheit zu vergleichen, aber du hast es ja schon erlebt und weißt wie es ist draußen in der Freiheit zu sein.
Nimm dir ein wenig den Druck und gehe erstmal Tag für Tag aus dem Gefängnis und dann schaust du am nächsten Tag weiter.

Einfach erstmal die nächste Zigarette nicht rauchen.......

drücke dir feste die Daumen das dein Ausbruch klappt und du die schönen Seiten des Lebens genießen kannst ohne Ketten und Fesseln



lg
Tanja

Verfasst am: 11.05.2017, 17:55
Antonai
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Tag 4 vor dem Ausbruch

Gerade bin ich unterwegs, also werde ich die Gedanken, die mich jetzt bewegen, später übertragen, oder auch nicht – mal sehen.
Ein kleines Erlebnis lässt mich hier in diese Frühlingswiese sinken, und zum Stift greifen.
Wenn ich mit dem Rad unterwegs bin, dann bin ich immer auf der Suche nach versteckten Schleichwegen, neuen Spuren, neuen noch nie gesehenen Bildern und Eindrücken. Also ließ ich mich auch eben wieder von einem winzigen Trail locken, folgte ihm bis das kam, was so oft passiert er war plötzlich nicht mehr da. Einfach verschwunden. Im dichten Unterholz abhanden gekommen. Nun bin ich nicht der Mensch, der den Weg einfach zurückgeht, also schob, trug, zerrte ich das MB durchs Gestrüpp. Irgendwo muß der Pfad ja wieder auftauchen. Statt des Wegs tauchte aber immer mehr Gehölz und Gezweig auf, es wurde zusehends ruppiger voranzukommen. Meine Laune sank, ich bekam ständig Ohrfeigen und Schienbeintritte. Da dachte ich an euch hier.

Ich dachte auch, wie sinnlos es ist was ich da mache. Kann ich nicht ganz bequem auf den breiten Wegen bleiben, muss ich denn immer querfeldein mein Glück suchen. Muss ich es mir immer selber schwer machen? Das macht doch keinen Spaß.... und und und … so fluchte ich innerlich vor mich hin. Zu allen Überdruss bemerkte ich auch noch, dass ich den kleinen Radcomputer unterwegs verloren habe. Jeder der hier den Tageszähler benutzt, weiß wie wichtig einem ein solcher Beweis der erbrachten Leistung ist. Das ist schon mein vierter, und ich fange immer wieder von Null an. Doof! Blöd! Mist! Um mal ein paar höfliche Formen meiner Flüche zu gebrauchen.
Die Suche lief bisher nicht gut. Das Geflecht, das Laub und aller Krimskrams der so zu einem Laubwaldboden gehört, und dann auch noch die Unklarheit – welchen „Weg“ ich denn nun zurückgelegt hatte, alles, alles war gegen mich. Keine Chance. Verloren. Die sinnlose Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Ich nahm etwas resigniert und traurig mein Gefährt vom Boden, machte zwei drei Schritte durchs Gestrüpp, und stand sofort auf dieser herrlich blühenden Wiese. Plötzlich war auch wieder der Weg da, alles löste sich auf. Eigentlich hätte ich mich normalerweise gleich ins Gras gehauen und eine Zigarette geraucht, aber heute nahm ich entgegen der Gewohnheit, zuerst Stift und Block in die Hand und schrieb mir den ganzen Frust aus dem Kopf. Das war neu, das war gut.

Fazit: Auch wenn man seinen Zähler verliert, und wieder bei Null anfängt, im eigenen Inneren hat man seine Zahl gespeichert, die nimmt einen keiner mehr weg. Das Wichtigste – ob mit oder ohne Kerbholz – ist, du gehst den Weg weiter, immer weiter , auch wenn schon längst nicht mehr zu erkennen ist ob es überhaupt noch ein Weg ist, geh einfach weiter, dann wird es auch irgendwann wieder einfacher, dann kommt wieder ein Hindernis, dann öffnet sich ohne Vorwarnung das dunkle Dickicht und du trittst auf eine Lichtung und bist wieder zuversichtlich....

Verfasst am: 11.05.2017, 20:21
AnikaB.
AnikaB.
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Hallo!

Was für eine tolle Story! Es freut mich unheimlich für dich, dass du so ein schönes Erlebnis hattest und Positives draus mitnehmen konntest.
Danke auch für deine lieben Worte auf meiner Seite. Sie taten unheimlich gut.

Ich freue mich auf weitere Eintragungen hier.

LG
Anika

Verfasst am: 11.05.2017, 21:16
Antonai
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Auf meinen Sargnägeln ist ein stilisierter Vogel. Soll wohl ein großer Greifvogel sein. Weiß der Geier. Heute hatte ich die Assoziation zu Prometheus. Der wurde ja seinerzeit an den Kaukasus gekettet, weil er den Menschen das Feuer schenkte.

Nun, ich habe zwar nicht solch eine Heldentat vollbracht, aber irgendwer bestraft mich auch, für irgendwas. Der Vogel auf den Kippen ist also symbolisch gesehen, nichts anderes als der Adler, der Prometheus täglich heimsuchte, um von seiner Leber zu knabbern. Nur das mein Kippenvogel nichts wegnimmt, sondern bei jedem Zug etwas hinterlässt. Die Wirkung ist aber die gleiche. Schmerzen und kaputte Organe.

Jaja, „....da ich ein Kind war, nicht wußte wo ein noch aus, kehrt ich mein verirrtes Auge zur....“
zur Zigarette, als ob die den Wachstumsschmerz lindern könnte, betrogen! Rettungsdank den Profitgeiern da oben?

Hätte mir vor 20 Jahren jemand gesagt, du bist mal bereit 13 Mark für eine Schachtel auszugeben, ich hätte ihn ausgelacht. Bei 8 ist Schluß hätte ich gesagt, naja jetzt seh´ ich`s. Der Suchtkranke ist bereit jeden Preis zu zahlen, das ist die Realität.
Wie krank muß ich sein.