Weihnachtswunsch 2012 erfüllt

Verfasst am: 11.01.2013, 12:09
Sineja
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Dann fütter ich mal wieder Freddy...nach 18 Tagen oder fast drei Wochen rauchfrei zum letzten Mal, denn ich denke der Einstieg in den Ausstieg ist jetzt einigermaßen wetterfest.

Neben all dem Angenehmen wie Freiheit, Wohlgeruch, tiefe Atemzüge, Kraft- und Zeitgewinn bin ich jetzt in einer Phase, in der ich manchmal mit leerem Blick mit den Händen auf dem Tisch da sitze und mich eine halbe Minute nicht rühre. Bis mein Freund mich fragt, ob alles in Ordnung ist und ich hauche mit hängender Unterlippe und melancholischem Blick: "Ja - aber ich befinde mich noch in der Phase der Tabakentwöhnung". Dabei klingt Tabakentwöhnung ungefähr so: "Dhabbagghhentwöhnng". Nicht, dass ich sächsele, aber ich finde das Wort "Tabakentwöhnung" wahnsinnig vornehm und edel, klingt so nach 19. Jahrhundert. Im Gegensatz zu "Entzug", "Sucht" und "Ausstieg". Aber auch Rauchen an und für sich finde ich sowas von 80iger Jahre - bäh! Wenn ich Raucher sehe, wirkt das immer irgendwie altmodisch und wie in der Zeit stehen geblieben. Ich brauch nur einen Film aus den 80igern oder 90igern zu gucken und ich weiss, es ist vorbei. Vorbei wie Seidenballonjogginganzüge, Graffiti-Muster und Fönfrisuren.

Ich finde es sehr erleichternd, in so einem Forum zu lesen, wie vielen anderen es ebenso geht. Die Symptome wiederholen sich, die Ängste, Schwächen, die Freude über jede rauchfreie Stunde, der Countdown rauchfreier Tage. Das reißt mit und hilft, seinen eigenen Ausnahmezustand auszuhalten. Mit jedem Tag der Umstellung hatte ich das Gefühl, Land frei zu legen, Unkraut (Tabakpflanzen?) auszureissen, Dickicht zu lichten. Nun habe ich nach fast drei Wochen ein hübsches Stück Brachland, mit dem sich jetzt was anfangen lässt.

Nur der Anblick von freigelegtem Brachland ist halt erstmal nicht so spannend. Freiheit allein reicht auch nicht, um sich auf Dauer zu motivieren. Also werde ich jetzt aufhören, Tage zu zählen, ich hab ja, was ich wollte, und stattdessen mein Brachland beackern, was gestalten und pflanzen, mir meinen Garten einrichten. Und wachsam sein, ob da oder dort was keimt, was da nicht hingehört.
lenkung:

Einen tabakfreien Garten wünscht Euch die entwöhnte Küchenphilosophin
Sineja!

Verfasst am: 06.01.2013, 11:07
Sineja
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Allen einen schönen Heiligdreikönigstag, mögen die Weisen aus dem Morgenland wirklich nur Weihrauch und Myrrhe statt Tabak mitbringen!!!

Nun bin ich von Heiligabend bis Heiligdreikönig bereits qualmfrei, also fast zwei Wochen. Schmacht ist so gut wie weg, dafür überfällt mich ab und zu eine Art euphorische Hysterie, ich freu mich wie Bolle, ganz grundlos. Und im nächsten Moment bin ich wieder furchtbar melancholisch und glätte im Kopf vergilbte alte Nostalgie-Glanz- und-Glitter-Poesiealbum-Bilder von einer quarzenden Person, die ich mal war, annodunnemal, ja, ich glaub, 2012 war das, damals....

Bin so froh, endlich den Absprung von diesem Ketten(raucher)-Karrussel geschafft zu haben. Am Anfang war mir häufig schwindelig und ich hatte heftige Konzentrationsprobleme, konnte manchmal nicht klar gerade aus denken. Aber jetzt habe ich wieder Boden unter den Füßen und der Kreislauf ist einigermaßen stabil. Die Durchblutung ist auch besser, denn ich habe keine kalten Hände und Füße mehr - und rosa Apfelbäckchen zum Reinbeissen

Morgens hatte ich die ganze Zeit einen üblen Geschmack auf der Zunge, war wahrscheinlich die Entgiftung. Das habe ich mit Ölziehen und Meersalz-Zahnpasta gut in den Griff bekommen. Als Kolateral-Schaden bleibt, dass mir seither Kaffee morgens gar nicht mehr schmeckt, keine Ahnung, warum. Kaffee schmeckt mir erst ab 14 Uhr etwa. Morgens gibts daher Ingwerwasser oder heisse Zitrone. Macht auch munter, nehme ich gerne in Kauf!

Ich liebe es, einfach zu atmen.

Im Grunde schäme ich mich, dass ich es nicht früher gelassen habe mit dem Rauchen. Aber alle haben mir immer eingeredet, dass es so schrecklich schlimm und schwer sei, dass man den Rest seines Lebens dann an nichts anderes mehr denken kann usw. Das stimmt gar nicht. Ich fühle mich glücklicherweise nicht wie in einem "Experiment" (ich glaube, das hat Nifi eben irgendwo geschrieben), sondern das "Experiment" ist eigentlich mein richtiges Leben und die Raucherzeit war die Illusion, das Geschwafel und Schwadronieren im Nebeldickicht, das halbblinde Herumgetappse im Dunkel des Geistes - oder so. Keine Ahnung. Jetzt ist alles so, wie es sein soll. Nämlich einfach und selbstverständlich.

Und wenn es noch hier und da im Kopf juckt oder süße Stimmen nostalgische Liedlein singen, weiss ich ja, woher es kommt: Von DAMALS. Also aus dem JENSEITS. Und das ist VORBEI. Wenn ich die zeitliche Reihenfolge der Dinge wieder klar bekommen habe, ist der Spuk vorüber. Und wenn er dann immer noch nicht vorüber ist, weil mir die Phantasie irgendetwas Zukünftiges vorgaukeln will, spiele ich Feuerwehr und mach alles nass, was kokelt. Kauf mir im Geist eine Wasserpistole und schiess auf Raucher im Biergarten - oder sowas in der Art. Je absurder, desto besser.

Viel Spass im neuen Leben allen, die sich dahin aufgemacht haben und allen, die schon angekommen sind!!!
msfruehstueck:

Verfasst am: 04.01.2013, 19:23
Sineja
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Danke für Euren Zuspruch, Ute und Nicole! Ich hoffe, Euch geht es famos. Mir geht es am elften Tag so gut, dass ich einkaufen war - für mich persönlich eine der nervigsten Alltagsverpflichtungen. Es ist in der Regel voll, die Leute stehen im Weg, Rentner schieben sich und ihre Handwägelchen genau da hin, wo ich hin will usw. Was mir hilft ist: Seufzen. Zum Teil sehr geräuschvoll und stimmhaft mit einem kleinen "och" oder "ach" dabei. Das nennt man wohl "seinem Herzen Luft machen". Mir ist es relativ egal, wenn sich hier und da jemand nach mir umdreht und besorgt guckt. Ich seufze dann nochmal besonders herzhaft. Nach dem Einkaufen gab es zur Belohnung einen kandierten Ingwer (würg), dazu einen Kaffee. Das wars und das hat gereicht.

Ute, ich denke auch, man bleibt in der Versuchung, egal wie lange man aufgehört hat. Passenderweise habe ich dazu bei faz.net die "Denkfehler, die uns Geld kosten" gefunden, und zwar Denkfehler Nummer 38, der da lautet: "Ich dachte, ich hätte mich im Griff" (einfach mal googeln). Da heisst es, dass Menschen, die besonders überzeugt sind von ihrer Selbstkontrolle, sich häufiger aus ihrem Sicherheitsgefühl heraus auch Situationen aussetzen, in denen sie in Versuchung kommen können. Und - zack - hängen sie drin. Also: wach bleiben, nicht einschlafen!

Da hilft nur die Odysseus-Methode, also: sich an den Mast binden, wenn man an einer K(l)ippe mit süss singenden Sirenen vorbeisegelt. Von den Sirenen kam ich dann auf die Dämonen, weil hier im Forum viele ihre Versuchung mit einem Teufelchen vergleichen ->

Also die Sirenen des Odysseus stehen für die Versuchung, die der holde Held der Antike ausgetrickst hat. Vor ihm hat das schon Ovid erfolgreich geschafft: Um den hypnotischen Gesang der geflügelten, fischschwänzigen Damen zu übertönen, schrammelte er einfach sehr laut auf seiner Leier. Übrigens hat Starbucks eine Sirene im Logo. Die Sirenen gehören zu den Todesdämonen, ihr Gesang ist sehr liebreizend, alle Schiffer, die ihn hören, lassen alles stehen und liegen und sterben an den grausam schönen Melodien. Ein ähnlicher Todesdämon wie die Sirenen ist die Sphinx. Sie stellt Vorbeikommenden grinsend ein Rätsel und wenn sie es nicht lösen können - zack, werden sie gefressen. Beide, Sirenen und Sphinx, sterben, wenn man a) nicht hinhört oder b) die richtige Antwort weiss.

Und hier bin ich wieder bei der Versuchung durch die Zigarette: Vorsicht vor dem selbsthypnotischen Singsang im Kopf, es wäre doch nix dabei, eine nur eine...und immer die richtige Antwort auf die Frage "Warum denn NICHT?" parat halten.

Also meine Antwort auf die Frage lautet: Weil ich es mir GEWÜNSCHT habe. Es war MEIN Wunsch - und er ist in Erfüllung gegangen seit Heiligabend. Ich habe bisher immer ein Problem gehabt mit dem Spruch "Man muss nur WOLLEN, und zwar ganz, ganz fest". Bei mir funktioniert Willensstärke nicht. Nur die Stärke meines Wunsches. Ich bin ja kein Masochist.

Ich wünsche mir auch, schön wach und schlagfertig zu bleiben, wenn der innere Dialog mit den Dämonen wieder losgeht...

Verfasst am: 02.01.2013, 21:51
nicole33
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Hallo Sineja,

das mit der Zwangshandlung kann man wirklich auf das Rauchen beziehen. Aber du bist stark und hast das schon fast durchschaut, somit bin ich mir sicher das du es schaffst!

LG

Nicole

Verfasst am: 02.01.2013, 19:43
Smiley
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Hallo Sineja,
herzlich Willkommen hier, zwar etwa verspätet aber doch noch.
Ich möchte dir auch zu Deinen 9 Tagen ohne Qualm gratulieren.
Ich weiß selbst die ersten 2 Wochensind hart, dann ist das Nikotin draussen, und es wird leichter.

Was du mit der Zwangsstörung geschrieben hast, passt hier super rein, hoffentlich lesen das ganz viele :-9

Und das mit dem Baby wird weniger, aber auf der Hut muß man immer bleiben, und wie kommt hier ganz oft der Satz

Niemals wieder eine anzünden,
du bist auf dem besten Weg, in ein neues glückliches Leben.
Im übrigen ich rauche seit 25 Monaten und ein paar Tagen nicht mehr.

Ute

Verfasst am: 02.01.2013, 19:23
Sineja
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Vielen Dank für die Glückwünsche, Siri - und allen hier ein schönes neues Jahr mit tiefen, freien Atemzügen

Nach neun rauchfreien Tagen fühle ich mich immer noch wie ein Baby, dem man den Nucki weggenommen hat: quengelig, ungeduldig, manchmal leicht verunsichert - und manchmal ist mir nur zum Heulen! Aber das ist normal, glaube ich.

Was mir auch geholfen hat: Ich habe mich mal über das Thema "Zwangsstörung" informiert. Also Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. Da habe ich viele Parallelen zum Rauchen gefunden. Offenbar braucht man etwa 25 Sitzungen für die psychotherapeutische Behandlung. Bei ganz schweren Fällen, zum Beispiel zwanghaftes Händewaschen, was über viele Jahre und Jahrzehnte unbehandelt blieb, geht man aber davon aus, dass der Zwang nie ganz verschwindet. Die Betroffenen können ihn nur selber durch bewusste Steuerung und durch Medikament in Griff bekommen.

Ganz so schlimm ist das mit dem Rauchen aber nicht, denn Hände waschen muss man ja ab und zu. Rauchen muss man gar nicht. Aber ich glaube, die Zwangsgedanken sind ähnlich beim Rauchen: Man fühlt sich ängstlich, hilflos oder aggressiv und ist fest in der Überzeugung, dass nur die Zwangshandlung (das Rauchen) einen "retten" kann. Und wenn man dann seine Zwangshandlung nicht ausführen will/darf/kann, wird man unruhig, unkonzentriert, ängstlich, agressiv - und dann...glaubt man wieder, nur eine Zigarette kann beruhigen, usw. usf.

Sowas nennt man auch "MINDFUCK". Also ich glaube, es hat wirklich etwas von dem Baby, dem man seinen Nucki wegnimmt. Es ist zum Heulen. Aber mit der Zeit wird man erwachsen. Hoffe ich zumindest.

Der Krampf geht weiter

Verfasst am: 30.12.2012, 11:11
Sineja
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Nun habe ich mir dieses Jahr endlich den Wunsch erfüllt, das Rauchen einzustellen. Seit Heiligabend habe ich keine mehr geraucht und habe auch vor, es dabei zu belassen. Der Geist ist willig, die meiste Zeit wenigstens. Mir hat geholfen, dass ich schon seit zwei Jahren meinen Konsum reduziert habe auf sechs bis acht Zigaretten am Tag, dadurch waren viele Situationen schon "entkoppelt" im Kopf.

Das Blöde ist nur, dass ich mir die ganze Zeit umso mehr eingeredet habe, genau diese übrig gebliebenen sechs bis acht Zigaretten seien besonders wertvoll und genussvoll, ich habe sie regelrecht zelebriert und war so wahnsinnig stolz, "nur" so wenig zu rauchen!

Ist natürlich Unsinn. Der Vorteil, viele Situationen zu entkoppeln, wird dadurch gleich wieder entwertet.

Obwohl ich so wenig geraucht habe, ist es nicht leichter, es ganz sein zu lassen. Ich stelle fest, die Sucht ist wie eine Art Jucken im Kopf. Also im Schädel, wo man sich nicht kratzen kann. Das kann einen in manchen Minuten regelrecht wahnsinnig machen - mich zumindest. Aber es geht vorbei. Jedes mal.

Mir hilft im Moment Japanischen Heilpflanzenöl oder kandierter Ingwer dagegen. Also, wenn das "Jucken im Kopf" (manchmal habe ich das Gefühl, es sitzt im Kehlkopf oder sogar in der Lunge) losgeht, hole ich mir einen Geschmacksreiz, der für mich ungewohnt ist, einigermaßen scharf ist und meine Sucht sozusagen "irritiert". Ich mag nämlich kandierten Ingwer gar nicht und Pfefferminzöl gehört auch nicht zu meinen kulinarischen Höhepunkten des Tages. Aber es hilft. Es lenkt die Sinne solange ab, bis der Anfall vorbei ist.

Was mich motiviert hat, ganz aufzuhören, ist - es klingt bescheuert, ist aber wahr - der Tod von Rudi Carrell. Nicht, dass ich ein Fan war, ganz im Gegenteil, schon als Kind fand ich den Mann unsympathisch. Er sah schon immer für mich aus wie das typische und abschreckende Bild eines Kettenrauchers, dabei kann er ja nix für seine Gesichtszüge. Aber als er Krebs bekam und Chemotherapie und in einem Interview sagte, er hätte von einem Tag auf den anderen komplett das Rauchen aufgehört und - der entscheidende Satz - es hätte ihm erstaunlicherweise gar nicht gefehlt, das Rauchen....da habe ich gedacht: Wie entsetzlich!!! Erst quarzt man, als ob das eigene Leben davon abhängen würde (wie oft bin ich in den unmöglichsten Situationen los, nur um mir Kippen zu kaufen usw.), dann bekommt man Krebs - und auf einmal - ach, eigentlich brauch ich das Zeug gar nicht.

So traurig, dämlich, peinlich, entsetzlich ist das also mit dem Gequarze, dachte ich mir beschämt - und verdrängte das wieder in die allerletzte Schublade. Aber es nagte seither an mir. Ich will nicht so doof sterben. Oder eines Tages, wenn der Arzt mir sagt, so, bald haben Sie es hinter sich, dann auf einmal feststellen, ach, eigentlich war das alles gar nicht so toll und so dringend nötig mit dem Rauchen. Das fände ich ganz ganz ganz entsetzlich peinlich für mich und mein Leben.

Um wieder einen klaren, nebelfreien Kopf zu bekommen, muss ich aber erst mal durch tausend Situationen mit "Juckanfällen" im Hirn überstehen, das wird wohl dauern.

Allen tapferen "Widerstandskämpfern" hier weiterhin viel Erfolg! Ich lese immer mit und es hilft mir sehr!