Das Monster in mir

Verfasst am: 10.03.2014, 08:05
Kecina
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Hallo Meikel- zuerstmal wünsche ich dir, dass die heiß herbei ersehnte Visite in greifbare Nähe gerückt ist.

Mir ist bewusst, dass du die Menschen, die hier in diesem Thread mit lesen u schreiben, nicht zum Heulen bringen willst. Nur wach rütteln. Gerade deshalb danke ich dir für deine doch ganz persönliche Geschichte. Mit sehr tiefen Einblicken in etwas, was zeigt, wieviel ein Mensch "aushalten", "ertragen" kann.

Nach meinem Unfall und einigen OP's hab ich lange Zeit gebraucht, um mit dem allem fertig zu werden. (So richtig abgeschlossen hab ich auch nach 11 Jahren noch nicht)

So makaber sich das anhört: Mein Chefarzt, der während des Aufwachens aus dem Koma oft an meinem Bett saß, mich immer wieder daran erinnerte, wozu ich leide, wenn es RICHTIG schmerzte, sagte mal zu mir:

"Was uns nicht umbringt, macht uns stärker!"

Sprach's, ging u ich bekam ihn nie wieder zu sehen.
Ich erfuhr später, dass er bei einem schweren Verkehrsunfall starb.

In der Vergangenheit hab ich mittlerweile viele mehr oder weniger schlaue Sprüche gelesen u gehört.
Kaum einer hat mich so berührt, wie dieser.

Auch ich denke an dich, schicke dir viel Kraft.

Verfasst am: 10.03.2014, 07:10
rauchfrei-lotse-meikel
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Themenersteller/in
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Hallo Andrea,

die vergangene Nacht zählte zu meinen Tiefpunkten seit 6Tagen. Die Atemnot nimmt massiv zu, statt ab. Falsche Richtung!

Nicht schlafen können setzt in mir häufig Kreativität frei. Es vermittelt mir in Selbstreflexion Wege, Lösungen, Strategien, deren Existenz schlafend an mir vorbeigezogen wären.. Aber dazu später mehr...

Einmal mehr danke ich dir von Herzen für deine Anteilnahme und für deine lieben Worte. In den ungefähren 6 Monaten unserer Communityzeit bist du mir zu einer der wichtigsten Ratgeberinnen erwachsen, bis hierhin würde ich alle deinen Beiträge mit dem Prädikat "Besonders wervoll" auszeichnen. Dich zu einer Freundin zu haben, muss ein ganz großes Geschenk sein.

In meinem "Monster in mir"-Thread habe ich offenbar falsche Fährten gelegt-anders kann ich mir deine GuteNachtNachricht nicht erklären. Deshalb hier für dich, für alle (die's inzeressiert) meine "Gegendarstellung":

"So hart sich das anhört, ich hoffe, sie packt die Kurve und muß nicht deinen Weg gehen."

So hart sich das Anhört, ich wünsche deiner Freundin, große Teile genau meines Weges zu gehen. Erkrankungen, auch schwerwiegende wie eine Lungenentzündung, sind behandelbar, heilbar. Ich wünsche ihr sehr, dass sie wieder vollständig gesund zurück ins Leben findet. Vielleicht war diese Grenzerfahrung für sie der letzte Funke, um ihrer Nikotinsucht die Stirn bieten zu können. Bei mir war dieser "Point of no return" nach der 4. Lungenentzündung innerhalb von 3 Jahren erreicht.

Es überwältigt einen eine so gigantische Endorphinwelle, ein Kraftgewinn, eine Lebensfreude, sobald die schlimmsten Momente überstanden sind, dass die (noch gewohnte) Zigarette sooo nah ist. Viel zu oft bin ich in genau diesen Momenten immer und immer wieder rückfällig geworden. Wird deine Freundin sich diesen Teil meines Weges ersparen können? Wie schätzt du sie ein?

"Gibt es winzig kleine Lichtblicke in deinem jetzigen Leben?"

Mein Leben ist ein, von Licht durchflutetes, helles und wärmendes Geschenk-möglichweise einer "höheren Macht". Warum?

Als junger, 23-jähriger Mann fuhr ich abends auf einem Motorrad durch die Straße. Mein Freund vorne, ich hintendrauf, es regnete. Als die Straße scharf nach rechts führte, fuhr er geradeaus, 80 km/h. gegen einen Steinstapel am Straßenrand.

Beim Anprall blieb er mit den Beinen am Lenker hängen, riss sich beide Oberschenkelarterien auf, war sofort tot. Er wurde 18 Jahre alt.

Sein Rücken diente mir als Rampe, als Katapult. Ich schoss über ihn hinweg, flog, prallte gegen einen Baum... und habe es überlebt. 4 Tage Koma, 18 Brüche, aber, verdammt, ich habe es überlebt. Lange, lange im Rollstuhl, endlose REHA's, Nachoperationen, wieder Rollstuhl, REHA-heute lebe ich ein normalgesundes Leben mit nur geringsten Beeinträchtigungen.

Als unser erstes Baby starb, vor 20 Jahren, gerade 12 Wochen alt, ging das nächste tiefschwarze Loch in meinem Leben auf. So tief und so schwarz, mit keinem Schmerz, den ich je zuvor erlebt hatte, vergleichbar. Auch jetzt, beim berichten, weine ich, denke immer noch viel an meine Kleine. Ich habe ein "Sternenkind."

Und ich habe es überlebt. Eine Psychotherapie, 6 Monaten stationär, hat mich zurück ins Leben geführt.

Ungefähr ein Jahr später nimmt sich meine Frau das Leben. Schwerverletzt überlebt sie knapp, wird 14 Monate mit Psychotherapie in ihr Leben zurück geführt. Sie hat unseren Verlust verarbeiten können.

25 Jahre "tanzen" wir nun gemeinsam durch unser Leben. Ganz oft, ganz leichtfüssig wie 2 Gazellen, manches Mal wie die zwei großen Tiere mit dem langen Rüssel. Und wir haben es überlebt. Diese kluge, warmherzige, äußerst attraktive Frau ist "meine". Wir können, wir wollen nie wieder ohne einander. Sie ist es, die mir Mut macht, die ich lachen mache, die mich zur Weißglut treiben kann, die so oft und immer wieder mein Herz erreicht, ein ganz besonderer Mensch, der wervollste Mensch in meinem Leben.

Ja, Andrea, mein Leben ist voll des Lichts. Und: Ja, ein abendliches Fläschchen Bier macht weiterhin halbwegs gutes Einschlafen möglich. Und Ohropax.

Ich habe Bock aufs Leben, man könnte fast sagen "Doppelbock". Dieses Zimmer hier hat nur 3 Wände. Die 4. ist eine Glasfront, durch die die Sonne strahlt, von 8-16 Uhr. Vorgestern, gestern und den Rest dieser Woche auch noch. Toll, einfach TOLL...

Meine Aufbaudiät trägt erste Früchte, ein langer Prozess, der Kontinuität erfordert. Und Zeit. Die habe ich.

Ich habe lernen müssen, das Leid der anderen von meinem Leben zu abstrahieren. Mich erreichen diese Emotionen, diese Hoffnungslosigkeiten, dieser Schmerz. Aber es ist nicht Meins!! Über meine (Raucher-)Krankeit musste ich viel lernen. Inzwischen bin ich der Experte, die studierten Damen und Herren in weiß sind die Fachleute.

Das ist das Ergebnis dieaer letzten, schlaflosen Nacht mit meiner Erkenntnis, jetzt zu wissen, welche Form der Therapie wir gehen werden, damit ich schnell -ohne Zeitdruck - wieder auf den Beinen bin. Selten habe ich mich so sehr auf eine ärztliche Visite, wie heute vormittag, gefreut. Bei dieser (nicht nur bei dieser?) Erkrankung bist du ohne Selbstmanagement verloren.

Eines muß ich dir aber noch gestehen: Abends, im Bett, denke ich an so vieles. Nicht an Andrea....

Weder meine Finger, noch mein Hirn sind krank (manche behaupten anderes), deshalb freue ich mich total auf den chat morgen. Vermutlich beim Fläschken Bier...

Einen sonnigen Tag für dich
Love
Meikel

Verfasst am: 09.03.2014, 22:46
rauchfrei-lotsin-andrea
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Hallo Meikel,

wünsche dir eine gute NAcht, soweit möglich. Lese sehr gerne deine Berichte, auch wenn sie wehtun. Meine Freundin
(die mit auch COPD) hat sich nach dir sehr interessiert erkundigt, ich habe ihr von dir erzählt. Sie hat seit Freitag eine Lungenentzündung, Samstag früh musste der Notarzt kommen. Seitdem Cortison und Antibiotika. Seitdem keine Zigarette mehr angerührt. Es tut sehr weh, ihr beim Husten zuzuhören.

So hart sich das anhört, ich hoffe, sie packt die Kurve und muss nicht deinen Weg gehen.

Gibt es winzig kleine Lichtblicke in deinem jetzigen Leben? Hattest du Sonne im Krankenzimmer? Bringt dir deine Frau Bier? Gestern im Bett dachte ich an dich: Fastenbier ist besonders nahrhaft, so Doppelbockmäßig. Ganz im Ernst.

Denke weiterhin viel an dich. Übermorgen ist ja wieder chat. Vielleicht hast du ja die Kraft, fünf Minuten vorbei zuschaun?

VG Andrea

Verfasst am: 09.03.2014, 14:38
banya
banya
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Lieber Meikel,
ich finde, Du hast regelrecht ein Talent diese tragischen Geschehnisse um Dich herum realitätsnah und direkt fernab jeglicher Moral zu beschreiben und damit viele zu erreichen und zum Nachdenken zu bewegen.
Ich finde es sehr hilfreich, um in wackeligen Momenten dadurch daran erinnert zu werden, wo es langgeht.....
Danke Dir und weiterhin gute Besserung und behalte Deinen einzigartigen Humor!
LG Banya

Verfasst am: 09.03.2014, 14:28
Asilida
Asilida
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Sei gegrüsst Meikel! Prima dass du hier weiter schreibst. Und ich empfinde deine Zeilen weder als subjektiv noch als rücksichtslos. Du becshreibst eine objektive Wahrheit, so sehe ich das!

Tja, es gibt sehr viele "Heinze" unter den Rauchern. Vor etwa sieben Jahren war ich mal ein paar Tage im Krankenhaus (nicht wegen Raucherleiden); mit mir auf dem Zimmer waren fünf Mizpatienten. Alle hatten was an der Lunge und hatten Nachts so schnaufende Maschinen an sich; was für ein Konzert jede Nacht, puh! Wie auch immer, alle Fünf haben Tag für Tag jeder mindestens eine Schachtel weggedampft. Damals hatte ich nicht das Gespräch gesucht, das wäre heute vermutlich anders. Zumindest würde ich mal fragen ob sich die Betreffenden nicht etwas schäbig den Ärzten gegenüber vorkommen.

Verfasst am: 09.03.2014, 13:16
Kecina
Kecina
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Schonungslos schon, ja. Rücksichtslos? Hm... Vielleicht. Aber es wird ja niemand dazu gezwungen, diese Zeilen zu lesen. Vielleicht sogar etwas demotivierend. 20 Jahre nicht geraucht u doch Lungenkrebs im Endstadium.

Dennoch denke ich mittlerweile, dass jede rauchfreie Minute eine gute Minute ist. Eine heilende Minute.
Nach meinem Unfall hat ein Polizist zu mir gesagt: "sie können froh sein, dass es nicht verboten ist, sich selbst zu verletzen.

U nun glaube ich, dass auch Rauchen eine Art Selbstverletzung ist.
Eigenartig, wieviele Denkanstöße es bedarf, um die Sichtweise zu ändern...

Ich danke dir jedenfalls für deine erschreckende Offenheit, die aber trotz allem voll feinem Humor ist.

Kecina

Verfasst am: 09.03.2014, 13:09
Mabelle
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Krass...

...oder wie du sagst...schonungslos, aber hier im Forum bestens platziert!

Lieber Meikel, danke für deine Beschreibung deines derzeitgen Alltags....für jemanden wie mich kommt das gerade richtig; die Realität vor Augen geführt zu bekommen so rücksichtslos wie nur irgend möglich hilft gegen das Verdrängen, das Raucher nunmal am besten beherrschen und ganz deutlich wird bei Heinz....auf dem Balkon rauchen wegen der Tapeten.....ich bin sprachlos! Und unendlich traurig darüber, was diese perfide Sucht aus an sich klugen Menschen macht....

Weiterhin alles Gute dir! Halt durch! Ich drück` dir dafür die Daumen!
Mabelle

P.S.: Deinen Stil kann ich bestens verstehen und nachvollziehen - deine schonungslose Darstellung ist das einzig richtige! Mach weiter so!

Verfasst am: 09.03.2014, 12:04
rauchfrei-lotse-meikel
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Nur um Fehlinterpretierern vorzubeugen: Ich beabsichtige nicht, das derzeitige Elend, das mich umgibt, zu kultivieren. Krankheit, Leid, Not, Tod. Alles Bestandteile jeden Lebens. Ich habe mich dafür entschieden, darüber zu schreiben und verlasse damit sämtliche Konventionen und Vorgaben der positiv-motivierenden Gesprächsführung.

Nur dieser eine thread dient dazu, meinen jetzigen Mikrokosmos zu beschreiben.

Schonungslos.
Rücksichtslos.
Subjektiv.

Im Bett links von mir liegt Adolph, 76. Lungenkrebs im Endstadium. 40 Jahre Raucher.
"Aber seit 20 Jahren keine einzige mehr," berichtet er. Stolz schwingt in seiner brüchigen Stimme.

Gegenüber liegt Heinz. 64. Seine Erzählungen führen mich an die Grenzen meiner Belastbarkeit und darüber hinaus. Heinz hat COPD-ebenfalls Endstadium.

Heinz' Aktionsradius beschränkt sich auf rund 5 Meter um das Bett herum. Reicht. Bis ins Bad, das direkt ans Zimmer angrenzt. Länger ist halt der Schlauch nicht, der seine Nase mit der fest installierten Sauerstoffanlage verbindet.

"Zu Hause hab ich 10 Meter," meint er. "Da komm' ich locker mit auf'n Balkon. Ich rauch' ja nicht in der Wohnung, wegen der Tapeten."

Unser Gespräch -sein Monolog-ist zeitintensiv. Hustenattacken. Der hochrote Kopf, der Auswurf, den er mit Zellstoff aufzufangen versucht, bedürfen dann 2-3 Minten des Schweigens.

"Früher hab' ich immer gerne geraucht", sagt Heinz. "Aber nich' so'n Parfum-Gelumpe. Die ROTEN, die echten. Ohne Filter. 2 Päckchen. 35 Jahre bin ich auf'm Bock gesessen. Polen, Russland, den ganzen Osten. Immer geradeaus. 40 Tonnen im Rücken."

Was zur Zeit in der Ukraine geschieht, macht ihm große Sorgen.
"Der hat doch 'nen Fisch im Arsch, der Putin. Der macht die doch alle kaputt!"

Wir müssen -er muß- unterbrechen. 3 Minuten ungefähr. Heinz muss sein T-shirt wechseln gehen. Die Attacke kam schneller, als Zellstoff greifbar war. Der hellrote Kragen des an sich weißen Shirts stört in dann doch...

"Das mit dem Rauchen is' ja nicht so gut, ich weiß das alles." Die eigentlich Schuldigen hat Heinz aber längst identifiziert:

"Die machen doch unsere Luft kaputt, mit der ganzen Chemie und den Abgasen. Sogar Kinder kriegen heute schon Asthma. Rauchen die denn?"

Jetzt macht er erstmal Pause, mit dem Rauchen. "Wegen der Luft,"sagt er.

"Und dann...? - Frage ich.

" Ma gucken..."

Verfasst am: 08.03.2014, 21:34
banya
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Hallo Meikel, ich wünsche Dir auch von Herzen Gute Besserung und dass es trotz allem wieder bergauf geht..
und dass Du immer eine extra-Portion Mittagessen bekommst....
LG Banya

Verfasst am: 08.03.2014, 20:57
Mabelle
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Hey Meikel,

ich hoffe du bist weiterhin auf dem Weg der Besserung um das Monster in dir, wenn schon nicht zu töten, doch wenigstens so weit zu schwächen, dass du selber wieder mobiler werden kannst! Ich drück dir dafür die Daumen! Denk an den Sommer, bis dahin wirds dir besser gehen, auf jeden Fall!

Alles Gute - Mabelle