Adventskalender 2015

Verfasst am: 16.12.2015, 23:34
banya
banya
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Ich hörte am Montag diese Geschichte und kann sie Euch einfach nicht vorenthalten....:

" Die Geschichte vom Lametta
Weihnachten, das Fest der Feste,
das Fest der Kinder und der Gäste.
Hektisch geht es vorher zu,
von früh bis abends keine Ruh',
Ein Hetzen, Kaufen, Backen, Messen;
hat man auch niemanden vergessen?

So ging's mir, keine Ahnung habend,
vor ein paar Jahren Heilig-Abend,
der zudem noch ein Sonntag war.
Ich saß grad bei der Kinderschar.
Da sprach mein Weib: ,,Tu dich nicht drücken,
du hast heut noch den Baum zu schmücken!«

Ein Einspruch meistens mir nichts nützt,
hab kurz darauf ich schon geschwitzt:
Den Baum auf Zimmermaß gesägt
und in den Ständer eingelegt;
dann kamen Kugeln, Kerzen, Sterne,
Krippenfiguren mit Laterne.
Zum Schluss - ja Herrschaft-Donnerwetta!
Nirgends fand ich das Lametta!

Meiner Frau ward' es ganz heiß
und sie sprach: „Jawohl, ich weiß,
voriges Jahr war's stark verschlissen,
drum haben wir es weggeschmissen.
Vergessen hab ich, neues zu besorgen,
doch werden wir uns nachbarlich was borgen!“
Doch Nachbarn links, rechts, drunter, drüber,
keiner hat Lametta über!
Die Geschäfte sind geschlossen,
beide Eltern schaun verdrossen.

Als Psychologe zu den Knaben
sprach ich: »Wir werden heuer haben
einen Baum, altdeutscher Stil,
weil ,mir Lametta nie gefiel."
Da gab es Tränen, Schluchzen, Heulen.
Ich tat mich drum sehr schnell beeilen
zu sagen: »Stoppt mir sofort das Gezeta,
ihr kriegt ‘nen Baum mit viel Lametta!

Trotzdem konnte ich nicht begreifen,
woher bekomm ich Silberstreifen?!
Als ich holte grad ein Messer,
las ich: ,Hengstenberg-Mildessa'.
So stand's auf Sauerkraut-Konserve.
Ich kombinier' mit Messerschärfe:
Hier ist die Lösung eingebettet,
das Weihnachtsfest, das ist gerettet!

Schnell den Deckel aufgedreht,
das Kraut gepresst, so gut es geht,
zum Trocknen einzeln aufgehängt
und dann geföhnt, doch nicht versengt.
Die trockenen Streifen, sehr geblichen,
mit Silberbronze angestrichen.
auf beiden Seiten Silberkleid;
oh freue dich, oh Christenheit!

Der Christbaum strahlt einmalig schön,
wie selten man ihn hat geseh'n.
Zwar roch's süß-sauer zur Bescherung.
Geruchlich gab's ne Überquerung,
weil mit Benzin ich wusch die Hände,
mit Nitro reinigte ich Hos' und Wände.

Vereint mit Räucherkerz und Myrthe
Gesamt-Odeur etwas verwirrte.
Und jedermann sprach still verwundert:
„Hier riechts nach technischem Jahrhundert!"

Acht Tage drauf: Ich döste fest und fester,
wieder Sonntag und man schrieb Silvester.
Da sprach mein Weib:
,,Es kommen Schulzen, Lehmann, Meier,
heut abend zur Silvesterfeier.

Wir werden leben wie die Fürstel,
ich gebe Sauerkraut und viele Arten Würstel."
Dann folgt ein Schrei, wobei entsetzt sie schaut,
sie stöhnt: »Am Christbaum hängt das Sauerkraut.
Vergessen hab ich, neues zu besorgen,
doch werden wir uns nachbarlich was borgen."
Doch Nachbarn links, rechts, drunter, drüber,
Sauerkraut hat keiner über.
Die Geschäfte sind geschlossen,
beide Eltern schaun verdrossen.

Und so ward ich wieder Retter,
Holte vom Baume das Lametta.
Mit Terpentinöl und Bedacht,
hab ich das Silber abgemacht.

Das Kraut dann gründlich durchgewässert,
mit reichlich Essig leicht verbessert;
dazu noch Nelken, Pfeffer, Salz,
Curry, Ingwer, Gänseschmalz

Dann als das Ganze sich erhitzte,
das Kraut, es funkelte und blitzte,
da konnt ich nur nach Oben flehen:
»Lass diesen Kelch vörübergehn!«

Als das Sauerkraut serviert,
ist darin folgendes passiert:
Eine Dame musste niesen.
Man sah aus ihrem Näschen sprießen
tausend winzige Silbersterne.
„Mach es noch mal, ich seh das gerne.“

So rief man ringsum, hocherfreut,
doch sie, sie wusste nicht Bescheid.
Franziska Lehmann sprach zum Franz:
„Dein Goldzahn hat heut Silberglanz!“
So gab's nach dieser Kraut-Methode,
noch manche nette Episode.

Beim Heimgang sprach ein Gast zu mir,
„Es hat mit gut gefallen hier,
doch wär' die Wohnung noch viel netter,
hätt'st Du am Weihnachtsbaum Lametta!"
Ich konnte da gequält nur lächeln
und frische Luft mir noch zufächeln.
Ich sprach und klopfte ihm aufs Jäckchen:
„Gleich morgen kauf ich hundert Päckchen!“"

(Autor: unbekannt)

Verfasst am: 15.12.2015, 23:33
Piep
Piep
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Advent

Es blaut die Nacht, die Sternlein blinken,
Schneeflöcklein leis herniedersinken.
Auf Edeltännleins grünem Wipfel
häuft sich ein kleiner weißer Zipfel.
Und dort vom Fenster her durchbricht
den dunklen Tann ein warmes Licht.
Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer
die Försterin im Herrenzimmer.
In dieser wunderschönen Nacht
hat sie den Förster umgebracht.
Er war ihr bei des Heimes Pflege
seit langer Zeit schon sehr im Wege.
So kam sie mit sich überein:
am Niklasabend muß es sein.
Und als das Rehlein ging zur Ruh`,
das Häslein tat die Augen zu,
erlegte sie direkt von vorn
den Gatten über Kimm und Korn.

Vom Knall geweckt rümpft nur der Hase
zwei-, drei-, viermal die Schnuppernase
und ruhet weiter süß im Dunkeln,
derweil die Sternlein traulich funkeln.
Und in der guten Stube drinnen,
da läuft des Försters Blut von hinnen.
Nun muß die Försterin sich eilen,
den Gatten sauber zu zerteilen.
Schnell hat sie ihn bis auf die Knochen
nach Waidmanns Sitte aufgebrochen.
Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied
(was der Gemahl bisher vermied) -,
behält ein Teil Filet zurück
als festtägliches Bratenstück
und packt zum Schluß, es geht auf vier,
die Reste in Geschenkpapier.
Da tönt`s von fern wie Silberschellen,
im Dorfe hört man Hunde bellen.
Wer ist`s, der in so tiefer Nacht
im Schnee noch seine Runde macht?
Knecht Ruprecht kommt mit goldnem Schlitten
auf einem Hirsch herangeritten!
"He, gute Frau, habt ihr noch Sachen,
die armen Menschen Freude machen?"
Des Försters Haus ist tief verschneit,
doch seine Frau steht schon bereit:
"Die sechs Pakete, heil`ger Mann,
`s ist alles, was ich geben kann."
Die Silberschellen klingen leise,
Knecht Ruprecht macht sich auf die Reise.
Im Försterhaus die Kerze brennt,
ein Sternlein blinkt - es ist Advent.

Loriot

Verfasst am: 15.12.2015, 17:15
sporbiene
sporbiene
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: : :

Ich wünsche mir in diesem Jahr
Mal Weihnacht wie es früher war,
Kein Hetzen zur Bescherung hin,
kein schenken ohne herz und Sinn.

Ich wünsch mir eine stille Nacht,
frostklirrend und mit weißer Pracht.
Ich wünsche mir ein kleines Stück
Von warmer Menschlichkeit zurück.

Ich wünsche mir in diesem Jahr
ne Weihnacht, wie als Kind sie war.
Es war einmal, schon lang ist ' s her,
da war so wenig so viel mehr.

: : :
Ich wünsche allen eine besinnliche Adventszeit, ein friedliches Weihnachtsfest und für das neue jahr ein Sack voll Sturheit.

Eure Sporbiene

Verfasst am: 13.12.2015, 00:25
lilith88
lilith88
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Es ist für uns eine Zeit angekommen,
die bringt uns eine große Freud'
übers schneebeglänzte Feld
wandern wir, wandern wir,
durch die weite, weiße Welt.

Euch allen hier im Forum wünsche ich einen schönen, dritten Advent,

Lilith

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Verfasst am: 12.12.2015, 12:24
lilith88
lilith88
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Der Engel mit dem Müllkorb

Als ich dieses Jahr meine Krippe und die drei Weihnachtsengel wieder einpackte, behielt ich den letzte in der Hand. "Du bleibst, ich brauche ein bisschen Weihnachtsfreude für das ganze Jahr".
"Da hast Du aber Glück gehabt", sagte er.
"Wieso?" fragte ich ihn.
"Na, ich bin der einzige Engel, der reden kann."
Stimmt! Jetzt fiel es mir auf: ein Engel, der reden kann!
Da hatte ich wirklich Glück gehabt.
"Wieso kannst du eigentlicn reden? Das gibt es gar nicht!"
"Doch, das ist so. Nur wenn jemand nach Weihnachten einen Engel zurückbehält, nicht aus Versehen, sondern wegen der Weihnachtsfreude - wie bei dir -, können wir reden. Aber, das kommt ziemlich selten vor. Übrigens: Ich heiße Heinrich."
Seitdem steht Heinrich in meinem Wohnzimmer im Regal. In den Händen trägt er seltsamerweise einen Müllkorb. Heinrich steht gewöhnlich still an seinem Platz, aber. wenn ich mich über etwas ärgere, hält er mir seinen Müllkorb hin. "Du", sagt er: "Wirf rein!"
Ich werfe meinen Ärger hinein - weg ist er.
Manchmal ist es ein kleiner Ärger, zum Beispiel, wenn ich meine Brille verlegt habe oder meinen Haustürschlüssel nicht finde. Es kann aber auch ein größerer Ärger sein oder eine Not oder ein Schmerz, mit dem ich nicht fertig werde.
Eines Tages fiel mir auf, dass Heinrichs Müllkorb immer gleich leer war.
Ich fragt ihn: "Wohin bringst du das alles?"
"In die Krippe", sagte er.
"Ist denn soviel Platz in der kleinen Krippe?"
Heinrich lachte. "Pass auf, in der Krippe liegt ein Kind, das ist noch kleiner, als die Krippe. Und sein Herz ist noch viel kleiner. Deinen Kummer leg ich in Wahrheit gar nicht in die Krippe, sondern in das Herz des Kindes. Verstehst du?"
Ich dachte lange nach. "Das ist schwer zu verstehen. Und trotzdem freue ich mich. Komisch, nicht?"
Heinrich runzelte die Stirn. "Das ist gar nicht komisch, sondern, sondern das ist die Weihnachtsfreude, verstehst du?"
Auf einmal wollte ich Heinrich noch vieles fragen, aber er legte den Finger auf den Mund.
"Pst", sagte er, "nicht reden! Nur sich freuen!"

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Verfasst am: 08.12.2015, 19:17
lilith88
lilith88
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Guten Abend, Ihr Lieben,

herzlichen Dank für Eure schönen Geschichten und Gedichte! Ich wünsche Euch weiterhin eine schöne Adventszeit. Bei uns ist das Wetter gerade eher sehr frühlingshaft, heute schien herrlich die Sonne, und wir hatten sehr milde Temperaturen. Zwar nicht weihnachtlich, aber ich finde es trotzdem schön, besser als Dauerregen und alles grau in grau...

Vielleicht kommt ja an Heiligabend der Schnee...liebe Grüße, Lilith

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Verfasst am: 07.12.2015, 19:11
SandraSch
SandraSch
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Liebe Lilith,

ich stelle Dir eines meiner Lieblings-Gedichte ein und finde das passt auch gut in den Advent...

Ich wünsche dir Zeit
von Elli Michler

Ich wünsche dir nicht alle möglichen Gaben.
Ich wünsche dir nur, was die meisten nicht haben:
Ich wünsche dir Zeit, dich zu freun und zu lachen,
und wenn du sie nützt, kannst du etwas draus machen.

Ich wünsche dir Zeit für dein Tun und dein Denken,
nicht nur für dich selbst, sondern auch zum Verschenken.
Ich wünsche dir Zeit – nicht zum Hasten und Rennen,
sondern die Zeit zum Zufriedenseinkönnen.

Ich wünsche dir Zeit – nicht nur so zum Vertreiben.
Ich wünsche, sie möge dir übrig bleiben
als Zeit für das Staunen und Zeit für Vertraun,
anstatt nach der Zeit auf der Uhr nur zu schaun.

Ich wünsche dir Zeit, nach den Sternen zu greifen,
und Zeit, um zu wachsen, das heißt, um zu reifen.
Ich wünsche dir Zeit, neu zu hoffen, zu lieben.
Es hat keinen Sinn, diese Zeit zu verschieben.

Ich wünsche dir Zeit, zu dir selber zu finden,
jeden Tag, jede Stunde als Glück zu empfinden.
Ich wünsche dir Zeit, auch um Schuld zu vergeben.
Ich wünsche dir: Zeit zu haben zum Leben!



Liebe Grüße Sandra:

Verfasst am: 06.12.2015, 00:42
lilith88
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::

Der Nikolaus ist hier,
schon klopft es an der Tür,
wir rufen laut herein,
da tritt er bei uns ein:

Sei gegrüßt, lieber Nikolaus,
wieder gehst du von Haus zu Haus,
alle Kinder lieben dich,
warten schon und freuen sich:

Danke schön, danke schön, lieber Nikolaus!

Ich wünsche Euch allen einen schönen 2. Advent und soll Euch ganz lieb vom Nikolaus grüßen. Er hat extra für Euch Kuchen gebacken und leckere Schokolade gekocht...



::

Verfasst am: 05.12.2015, 13:16
Atir
Atir
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Hallo Banya,
vielen Dank für deine erfolgreiche Recherche.
Was für eine wundervolle Geschichte!
Ich mußte gerade eine Runde Tränen verdrücken.
Ich wünsche dir und allen Forumsteilnehmern einen schönen 2. Advend, bleibt gesund und munter.
Rita

Verfasst am: 05.12.2015, 00:40
banya
banya
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ah Menno, ich musste heute den ganzen Tag immer wieder daran denken, wann und was es war....
und dann fiel es mir wieder ein, dass hier jemand vor ca. zwei Jahren die Geschichte vom New Yorker Taxi-Fahrer gepostet hat, wenn ich denn nur wüsste, wer diese Geschichte hier wo und wann genau reingestellt hat...
ich weiß nicht mehr, wer es war und wo es hier vor zwei Jahren reingestellt wurde, aber nun kommt die Geschichte dennoch hierher.... :

"Dies schrieb ein New Yorker Taxifahrer:

Ich wurde zu einer Adresse hinbestellt und
wie gewöhnlich hupte ich als ich ankam. Doch
kein Fahrgast erschien. Ich hupte erneut.
Nichts. Noch einmal. Nichts. Meine Schicht
war fast zu Ende, dies sollte meine letzte
Fahrt sein. Es wäre leicht gewesen einfach
wieder wegzufahren. Ich entschied mich jedoch
dagegen, parkte den Wagen und ging zur
Haustür. Kaum hatte ich geklopft, hörte ich
eine alte gebrechliche Stimme sagen
“Bitte, einen Augenblick noch!”
Durch die Tür hörte ich, dass offensichtlich
etwas über den Hausboden geschleift wurde.

Es verging eine Weile bis sich endlich die
Tür öffnete. Vor mir stand eine kleine alte
Dame, bestimmt 90 Jahre alt. Sie trug ein mit
Blümchen bedrucktes Kleid und einen dieser
Pillbox Hütte mit Schleier, die man früher
immer getragen hat. Ihre gesamte Erscheinung
sah so aus, als wäre sie aus einem Film der
1940 Jahre entsprungen. In ihrer Hand hielt
sie einen kleinen Nylon Koffer. Da die Tür
offen war, konnte ich nun auch in die Wohnung
spinksen. Die Wohnung sah aus als hätte hier
über Jahre niemand mehr gelebt. Alle Möbel
waren mit Tüchern abgedeckt. Die Wände waren
völlig leer – keine Uhren hingen dort. Die
Wohnung war fast komplett leer – kein Nippes,
kein Geschirr auf der Spüle, nur hinten der
Ecke sah ich etwas. Einen Karton, der wohl
mit Photos und irgendwelchen Glas-Skulpturen
bepackt war.

“Bitte, junger Mann, tragen sie mir
meinen Koffer zum Wagen?” sagte sie. Ich
nahm den Koffer und packte ihn in den
Kofferraum. Ich ging zurück zur alten Dame um
ihr beim Gang zum Auto ein wenig zu helfen.
Sie nahm meinen Arm und wir gingen gemeinsam
in Richtung Bürgersteig, zum Auto.

Sie bedankte sich für meine
Hilfsbereitschaft.
“Es sei nicht Rede wert” antwortete
ich ihr, “Ich behandle meine Fahrgäste
schlicht genauso, wie ich auch meine Mutter
behandeln würde!”
“Oh, sie sind wirklich ein vorbildlicher
junger Mann.” erwiderte sie.

Als die Dame in meinem Taxi platzt genommen
hatte gab sie mir die Zieladresse, gefolgt
von der Frage, ob wir denn nicht durch die
Innenstadt fahren könnten.
“Nun, das ist aber nicht der kürzeste
Weg, eigentlich sogar ein erheblicher
Umweg.” gab ich zu bedenken.
“Oh, ich habe nichts dagegen “,
sagte sie. “Ich bin nicht in Eile. Ich
bin auf dem Weg in ein Hospiz.”
“Ein Hospiz?” schoss es mir durch
den Kopf. Scheiße, Mann! Dort werden doch
sterbenskranke Menschen versorgt und beim
Sterben begleitet. Ich schaute in den
Rückspiegel, schaute mir die Dame noch einmal
an.

“Ich hinterlasse keine Familie”
fuhr sie mit sanfter Stimme fort. “Der
Arzt sagt, ich habe nicht mehr sehr
lange.”
Ich schaltete das Taxameter aus.
“Welchen Weg soll ich nehmen?”
fragte ich.
Für die nächsten zwei Stunden fuhren wir
einfach durch die Stadt. Sie zeigte mir das
Hotel, indem sie einst an der Rezeption
gearbeitet hatte. Wir fuhren zu den
unterschiedlichsten Orten. Sie zeigte das
Haus indem sie und ihr verstorbener Mann
gelebt hatten als sie noch “ein junges,
wildes Paar” waren. Sie zeigte mir ein
modernes neues Möbelhaus, dass früher
“ein angesagter Schuppen” zum
Tanzen war. Als junges Mädchen habe sie dort
oft das Tanzbein geschwungen.

An manchen Gebäuden und Straßen bat sie mich
besonders langsam zu fahren. Sie sagte dann
nichts. Sie schaute dann einfach nur aus dem
Fenster und schien mit ihren Gedanken noch
einmal auf eine Reise zu gehen. Hinter dem
Horizont kamen die ersten Sonnenstrahlen.
Waren wir tatsächlich die ganze Nacht durch
die Stadt gefahren?
“Ich bin müde” sagte die alte Dame
plötzlich. “Jetzt können wir zu meinem
Ziel fahren”

Schweigend fuhren wir zur Adresse, die sie
mir am Abend gegeben hatte. Das Hospiz hatte
ich mir viel größer vorgestellt. Mit seiner
Mini-Einfahrt wirkte es eher wie ein kleines
freundliches Ferienhaus. Jedoch stürmte kein
kaufwütiger Makler aus dem Gebäude sondern
zwei eilende Sanitäter die, kaum hatte ich
den Wagen angehalten, die Fahrgasttüre
öffneten. Sie schienen sehr besorgt.
Sie mussten schon sehr lange auf die Dame
gewartet haben.

Und während die alte Dame im Rollstuhl platz
nahm, trug ich ihren Koffer zum Eingang des
Hospiz.
“Wie viel bekommen sie von mir für die
Fahrt?” fragte sie, während sie in ihrer
Handtasche kramte.
“Nichts”, sagte ich,
“Sie müssen doch ihren Lebensunterhalt
verdienen«, antwortete sie.
“Es gibt noch andere Passagiere”
erwiderte ich mit einem Lächeln.
Und ohne lange drüber nachzudenken, umarmte
ich sie. Sie hielt mich ganz fest an sich.
“Sie haben einer alten Frau auf ihren
letzten Meter noch ein klein wenig Freude und
Glück geschenkt. Danke” sagte sie mit
glasigen Augen zu mir.
Ich drückte ihre Hand, und ging ging dem
trüben Sonnenaufgang entgegen … Hinter mir
schloss sich die Tür des Hospiz. Es klang für
mich wie der Abschluss eines Lebens.

Meine nächste Schicht hätte jetzt beginnen
sollen, doch ich nahm keine neuen Fahrgäste
an. Ich fuhr einfach ziellos durch die
Straßen – völlig versunken in meinen
Gedanken. Ich wollte weder reden, noch
jemanden sehen. Was wäre gewesen, wenn die
Frau an einen unfreundlichen und mies
gelaunten Fahrer geraten wäre, der nur
schnell seine Schicht hätte beenden wollen.
Was wäre, wenn ich die Fahrt nicht angenommen
hätte. Was wäre, wenn ich nach dem ersten
Hupen einfach weggefahren wäre?

Wenn ich an diese Fahrt zurück denke, glaube
ich dass ich noch niemals etwas Wichtigeres
im Leben getan habe.
In unserem hektischen Leben, legen wir
besonders viel wert auf die großen,
bombastischen Momente. Größer. Schneller.
Weiter.
Dabei sind es doch die kleinen Momente, die
kleinen Gesten die im Leben wirklich etwas
zählen.
Für diese kleinen und schönen Momente sollten
wir uns wieder Zeit nehmen. Wir sollten
wieder Geduld haben – und nicht sofort hupen
– dann sehen wir sie auch ???"