Das Fest

Verfasst am: 28.05.2019, 07:29
TianeDK
TianeDK
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Guten Morgen
Ich schrieb am Samstag und stellte mich vor, und vielleicht erinnert Ihr Euch, dass mein erstes Ziel nun ist, deutlich weniger zu rauchen.
Und auch schrieb ich, dass wir am Wochenende auf einer großen Feier bei meiner besten Freundin seit Studientagen waren, bei der wir auch übernachteten und deren Kinder unsere Patensöhne sind.
Nun gab es die Konfirmation.
Ich wusste, dass ich dort die einzige sein werde, die raucht.
Obwohl...., ganz ehrlich...da gibt es ein paar Freunde, bei denen das so einfach nicht zu sagen wäre, doch dazu später mehr.
Als wir mit Gepäck um 14 Uhr nach Wuppertal aufbrachen nahm ich eine Schachtel mit zwei Zigaretten mit.
Das alles war nicht das geringste Problem. Ich rauchte auf der Rheinfähre eine (da wir mit dem Cabrio fuhren, taten wir das über Landstraße) und hatte nur noch eine.
Ich dachte das ging.
Bedenken muss man, dass ich wegen des Rollstuhls, in dem ich sitze, bis zum Sonntag weit nach dem Frühstück keine Chance mehr haben würde, Zigaretten zu kaufen. Nach der Kirche, in deren Wohnung hatte ich null Chance mehr, ich saß in der Falle und erklären muss ich das so:
Wuppertal ist äußerst bergig, ehrlich, mitunter habe ich dort das Gefühl, durch Como zu fahren, insbesondere in den Nebenstraßen. Meine Freundin und ihre Familie wohnt in einer Wohnung mit Garten.
Klingt ebenerdig.
Aber nicht in Wuppertal.
Das Haus ist am Hang gebaut und derart, dass die Wohnungen Terrassenförmig übereinander liegen. D.h. Wir kommen oben an und mein Mann trägt mich zwei Etagen Treppen außen (im Freien) bis vor deren Haustür hinunter, derweil wer anderes den Rollstuhl trägt.
da sie einen Garten haben, sollte man meinen, man käme über den Garten besser hin, das ist jedoch falsch, denn abseitig des Gartens wird die Wiese so steil, dass es kaum zu schaffen ist.
Alleine schon mal gar nicht.
Ich saß also in der Falle
Ich rauchte meine "letzte" nach der Kirche, nach der Ankunft in der Wohnung, nach der Inbesitznahme des Gästezimmers, nach einmal frisch machen und beim ersten Cocktail in der Sonne, vom Rolli umgestiegen auf eine gemütliche Gartensitzecke und genoss es, denn das sind genau die Zigaretten, die ich liebe.

Das muss so gegen 17 Uhr gewesen sein.
Danach?
Ich hatte keine Zigaretten mehr, saß zwischen 31 Nichtrauchern jeden Alters und kam da wegen des Rollstuhls niemals alleine weg. Es nützte auch nichts, dass wir mit meinem Auto gefahren waren, das ich wegen des Handgassystems alleine fahren konnte, denn ich kam ja nicht dran.
Außerdem hatte ich ja auch schon ein wenig was getrunken.
Mein Mann, seit 7 Monaten Nichtraucher, übrigens auch. Nicht wirklich viel, aber hier mal ein Drink und da der zweite, unterhielt er sich prächtig, aber ich bemerkte auch, dass er leicht gereizt war und wusste, ihm fehlt die Zigarette immer noch, bald noch mehr als mir.
Trotzdem....
Ich konnte den Abend genießen.
Bis ich anfing, nur in meinen Gedanken, ihm Vorwürfe zu machen.
Weil er nicht mehr raucht, hatte er keine mit und so gab es nichts, womit er mir würde helfen können und das machte die Prinzessin in mir reichlich sauer, aber da neben der Prinzessin in mir auch noch eine intelligente Frau wohnt, sagte ich das natürlich nicht.
Gegen 22:30 Uhr saß ich im Wohnzimmer auf dem Sofa und stierte die Decke an, was meine liebe Freundin (die Beste; seit 30 Jahren sind wir wie Schwestern) bemerkte und trotz der Aktivitäten, denen sie als Gastgeberin verpflichtet war, zum Anlass nahm, zu fragen, was los wäre.
"Ich habe keine Zigaretten mehr", äußerte ich traurig und sie sog scharf Luft zwischen den Zähnen ein.
Ich sagte Euch, dass sie Nichtraucherin ist?
Ich sagte aber auch, dass sie meine beste Freundin ist, oder?
Zuerst schlug sie mir ein Zigarillo ihres Mannes vor, was ich weit von mir wies.
So schlimm war meine Sucht noch nie gewesen, dass ich irgendetwas rauchte, was ich nicht mag.
Obwohl mir natürlich bewusst ist, dass ich ebenso süchtig bin wie jeder andere Raucher.
Und dann?
Dann wurde wir wieder zu den jungen Frauen, die wir vor 30 Jahren waren. Sie zwinkerte mir zu und sagte, sie führe los zur Tankstelle.
Ich wiegelte nicht ab.
Nicht so sehr, weil ich unbedingt wollte, dass sie mir den "Stoff" holt, sondern weil wir wieder jung wurden, mit Kichern und Herumalbern, auch, weil wir nicht wollten, dass es die Männer mitbekamen. Konspirativ schnappte sich meine Dealerin ihre Wagenschlüssel und sprintete im Dunkel die Treppen hinauf.
Zwischendrin, "Wo ist Steffi", zuckte ich nur grinsend die Achseln und 20 Minuten später saßen wir beide unter den Pinien auf einer Bank, abgesetzt vom Partytreiben und rauchten eine Zigarette.
Sagte ich, dass sie Nichtraucherin ist?
Ist sie.
In den 30 Jahren unserer Freundschaft raucht sie ungefähr jedes Jahr mal eine Zigarette und ja ich weiß, dass Ihr sagen werdet, dass sie somit eine Raucherin wäre, aber ich sehe das nicht so.
Zuerst linste mein Mann rüber.
"Hast du doch noch welche gefunden?"
"Nö", grinse ich zurück und Steffi grinst noch breiter, sodass er sich den Rest denken kann, aber weil er gerade dort stand schlenderte Felix herbei.
Der immer herbei schlendert, wenn ich irgendwo stehe und rauche, weil er, der bei der Geburt des ersten Kindes vor 15 Jahren aufgehört hatte, gerne eine schnorrt.
Und innerhalb kürzestes Zeit saßen wir dort zu fünft und rauchten (nur mein Mann nicht) und es hat etwas Konspiratives, etwas von Freundschaft und es war schlicht und ergreifend wundervoll.

Analyse:

Ja, ich hatte an diesem Wochenende wegen des Party-Intermezzos und auch danach DEUTLICH weniger geraucht als sonst. Ich rauche sonst so ca. 15 Zigaretten täglich und war Samstag bei 7 und Sonntag bei 8.

Somit hatte ich mein Ziel erreicht.

Aber das es so schön war, war eben auch dem Umstand zu verdanken, dass ich Raucherin bin, die übers aufhören nachdenkt und mich so selbst in eine fast ausweglose Situation getrieben habe.
Als wir schließlich rauchten, taten wir es nicht heimlich und doch hatte es etwas sonderbar mauscheliges, so, als würden wir ein Geheimnis teilen, nur um festzustellen, dass es viele gibt, die dieses Geheimnis mit uns teilen wollten.

Normalerweise werden wir Raucher nun eben ausgegrenzt, was auch ein Grund ist, sich immer unwohler zu fühlen und selbst aufhören zu wollen, um nicht immer abseits am rand stehen zu müssen (einer von Tausend guten gründen aufzuhören)
Aber hier war das "Abseitsstehen" eine Offenbarung.
Eine die zeigte, wie viel von uns es gibt.
Selbst unter denen, die seit 15 Jahren "Nichtraucher" sind.

Ein solches Verhalten zeigt übrigens, wie schwer das Unterlassen im Grunde ist.
Einfach sonderbar.

Nun würden einige von euch sagen, Steffi hätte sich nur als Freundin erwiesen, wenn sie mir die Zigaretten NICHT gekauft hätte.

Sehe ich aber nun mal anders, denn abseitig des "Stoffs" hat sie sich als Freundin erwiesen.
Selbst wenn sie das für irgendetwas anderes getan hätte, die Handlung selbst zählt.

Ich kann es schwer erklären; sie tat es und ich liebe sie dafür.
Nicht, weil sie dafür gesorgt hatte, dass ich keine Entzugssymptome mehr habe.
Sondern dafür, dass sie uns einen zauberhaften Augenblick geschenkt hat.
Einen, in dem wir wieder jung waren.

Das war nun ein ellenlanger Text und ich verstehe, wenn ihn nicht jeder lesen will.

Aber es ist ein Erfahrung, die ich teilen möchte.
Ich lese hier bei "Ich bereite mich vor" so viele Gründe, mit dem Rauchen aufzuhören und ich frage mich, welche habe ich eigentlich?
Angst vor Krankheiten?
Wer auf dem weg zur Arbeit, beim benutzen eines Fußgängerüberweges bei grün (technischer Fehler) von einer Straßenbahn umgemäht wird, hat für den Rest seines Lebens entweder eine schwere Angstneurose oder vor nichts mehr Angst. Ich gehöre zu den Letzteren.
Also das ist es nicht.

Geld?
Meine Hypnotherapeutin (die hier versagt hat) , erklärte mir mal, dass sie in all den Jahren nicht einen Menschen kennengelernt hat, der wegen des Geldes aufhören will.
Klar, dass mein Mann seit bald mehr als einem halben Jahr nicht mehr raucht, merke ich. (Ich bin die Finanzministerin )
Finde ich schön und ich habe mir eine neue Handtasche gekauft.

Und ja, wenn ich auch nicht mehr rauchte, würden wir es noch mehr merken, aber das ist nicht mein Grund.

Mein Grund: Ich hasse Fremdbestimmung.
Das hat viel mit meiner Behinderung zu tun und viel mit mir selbst. Will sagen; Fremdbestimmung kam bereits VOR dem Unfall vor 24 Jahren nicht wirklich in Frage.
Als wir auf der Arbeit plötzlich alle nicht mehr im Büro rauchten, habe ich mich NICHT rausgestellt, um vor dem Gebäude zu rauchen. das hat viel mit Selbstachtung zu tun und davon habe ich eine Menge.
Ich habe noch niemals in meinem leben in einer dieser entsetzlich verqualmten durchsichtigen Kammern auf Flughäfen geraucht. Lieber rauche ich stundenlang überhaupt nicht, als dass ich ich mich selbst so herabwürdigen würde.
Ich habe noch nie in meinem Leben eine Zigarette irgendeiner Marke geraucht, die ich nicht mag.
Nie.

Und trotzdem bin ich süchtig!!!!

Und das ist es, das ich hasse.
Das ist mein Grund.

Ich will das kontrollieren.
Ich will nicht von der Zigarette kontrolliert werden.
Und ich werde das schaffen.

Ich sagte ja schon, dass ich derzeit zuerst mal extrem reduzieren will, weil ich das für meinen Weg halte.
Es wird Leute geben, die sagen, das ginge nicht, aber da bin ich anderer Meinung.
Auch gestern war ich in meinem Konsum in etwas bei der Hälfte meines üblichen Konsums.

Ich werde sehen, wohin mich das führt, ich bin zuversichtlich und weiß, dass es auch so gehen wird, denn auch das ist eine Frage der Selbstdisziplin und die habe ich.
Und die treibt mich jetzt zum täglichen Sport

Ich bin jetzt schwimmen.
Ciaoi

Heute will ich fünf schaffen. Das sind 10 weniger als vor der Dauerbeschäftigung mit dem Thema.

Und ich lasse mir von niemandem einreden, das wäre nichts wert, weil es noch 5 zu viel wären.
es ist was wert, weil jede nicht gerauchte Zigarette zählt.

Verfasst am: 28.05.2019, 08:31
Bolando
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Hallo Tiane,
Du schreibst recht unverkrampft und gut verständlich. Ich hatte beinahe das Gefühl dabei gewesen zu sein in Wuppertal. Und du erzeugst den Eindruck dass du weißt was du willst. Natürlich ist jede weniger gerauchte Zigarette ein kleiner Erfolg. Die hier propagierte „Best Practice“ sagt zwar aus, dass man über reduzieren sich nicht aus der Sucht rausschleichen kann. Aber wenn das Reduzieren dir als der richtige Weg erscheint dich dem Rauchstopp anzunähern, warum denn nicht? Am Ende zählt nur das Ergebnis. Mein Weg zum Rauchstopp war auch nicht exakt nach Lehrbuch – na und? Geh nur beharrlich deinem Ziel entgegen. Dazu wünsche ich dir das Allerbeste.
LG. Bolando

Verfasst am: 28.05.2019, 09:56
TianeDK
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Danke für deine Antwort.

Ich hatte das bei meiner Vorstellung bereits gesagt; dass ich erst mal nur reflektieren und reduzieren möchte.
Weil ich weiß, dass es bei mir, wenn überhaupt, nur so funktioniert.

Weil ich in keinerlei Hinsicht zu Extremen neige.
Als ich noch jung war und zu Fuß, trieb ich nie Sport, weil ich tanzte. Als ich damit mit 20 aufgehört hatte, nahm ich zu und ich dachte, melde dich mal im Fittnessstudio an und siehe, wohin dich das bringt.
Es brachte mich zu mir selbst, als begeisterter Sportlerin, die nie wieder ernsthafte Figurprobleme hatte, obwohl das Thema Gewicht nach einiger Zeit überhaupt nicht mehr wichtig war.
Es war Sport um seiner selbst, den ich seitdem mache.
Nach weniger als 3 Wochen radelte ich nur noch, kaufte mir ein Mountainbike, überzeugte meinen heutigen Mann, der wegen Knieproblemen mit dem Football aufhören musste und am Ende radelte, joggte und schwamm ich in der Welt herum, bis hin zum Mountainbiking in Schottland.
Seit der Behinderung habe ich Squash zeitweise gegen Reiten eingetauscht und paddele sehr gerne Kajak. (Neben Schwimmen und Rolli-Bike)

Da hat mich dieser Weg hingebracht und nur so funktioniert es bei mir.

Erst mal gucken, wie es läuft, vielleicht ist es ja gut.

Vorhin beim schwimmen dachte ich, vielleicht habe ich ja bald noch mehr Kondition.
Und gestern bei der professionellen Zahnreinigung dachte ich, vielleicht muss ich das bald nur noch einmal im Jahr machen lassen, statt zweimal.

Ich weiß, dass propagiert wird, mit dem Ausschleichen würde man es nicht schaffen.
Aber ich denke, so viele individuelle Menschen es gibt, so viele Möglichkeiten gibt es.

Ein freund von uns musste immer Zigaretten in der Nähe haben und so rauchte er bald 2 Jahre nicht mehr, hatte aber immer eine Schachtel Zigaretten im Handschuhfach.
Die hat er nie angerührt und jüngst auch weg geworfen. Endlich! Aber er brauchte das gefühl, jederzeit danach greifen zu können.
Und tat es nicht.
Auch hier wird doch eher propagiert, dass man seine Zigaretten wegwerfen soll.
Er hat es eben anders geschafft.

Ein anderer Freund ist seit 5 Jahren ernsthaft abhängig von Nikotinkaugummi.
Das halte ich nun nicht für erstrebenswert, aber er kann eben nicht anders.

Jeder muss sehen, wie er es am besten schafft.

Und schön, dass Du mit in Wuppertal warst.
(Ich schreibe sehr gerne, habe mich auch schon an Krimis versucht. )

Ich schaffe das !
LG
Tiane