Kafkaesk
Hallo Leo,
als ich gerade die Info bekam, dass jemand in meiner Suite geschrieben hat, war mein erster Gedanke:
"Uff, jetzt krieg ich auf die Mütze für meine Frechheit". Welche Erleichterung war es dann doch, deine wohlmeinenden Zeilen empfangen zu haben. Ich danke dir sehr dafür, Leo. Wie ein Schwamm saugen wir Lotse:rinn*en das auf...Herrje, diese Gender-Ausdrucksweise geht mir sowas von auf den Keks...ich will das nicht, ich will davon nichts wissen. Bin ich deshalb ein Frauen-Unterdrücker? Das war ich vor Einführung dieser Unmöglichkeit nicht und das werde ich auch jetzt nicht beginnen. Wer hat sich diesen Schwachsinn bloß ausgedacht?!
Im Netz der Netze findet sich auch reichlich Futter, um diesen emanzipatorischen Auswuchs noch sinnfreier zu machen. Da steht:
"So soll dafür gesorgt werden, dass sich alle Menschen gleichberechtigt fühlen."
Außerdem steht da noch:
"Benutzen Sie für Personenbezeichnungen das Gendersternchen, den Gender-Gap oder auch den Doppelpunkt, am besten im Plural, im Singular wird es grammatikalisch schwierig" Mir schwinden die Sinne!
Aber ich schweife ab. Mal wieder. Meine Finger sind manchmal schneller, als meine Merkerbse...
Es tut immer wieder gut, die Herangehensweise an das Nichtmehrrauchen in seiner Vielfalt noch einmal vor Augen geführt zu bekommen, wie es dein Beitrag in meinem Wohnzimmer belegt. Es gibt die Einen, die in der ersten Phase nach dem Rauchstopp alles, was hier an Austausch möglich ist, auch wahrnehmen. Nur fünf Minuten nicht daran zu denken, dass die Zigarette keinen Platz mehr in unserem Leben hat, gleicht einem Verrat an der Ernsthaftigkeit des Projektes.
Aber es gibt eben auch die Anderen.
Wie schon öfter geschrieben, kann der Vorsatz, nicht mehr an das Rauchen denken zu wollen, nicht funktionieren. ("Denken Sie mal fünf Minuten NICHT an einen blauen Elefanten." ). Die einzige Chance ist, sich mit Dingen, mit Themen zu befassen, die unsere Konzentration erforderund damit die Gedanken an das Rauchen überlagern. Wann immer der Suchtteufel das Messer wetzt, muss ein gewichtiges, anderes Thema ran. So eine Attacke ist nach wenigen Augenblicken wieder verschwunden, reicht aber in ihrer Vehemenz, um alles ins Wackeln, oder gar zum Einsturz zu bringen.
Beiden Sichtweisen ist eines gemein: Es geht um Ablenkung. Eben eine sehr individuelle Sache. Was dir gefällt, mag für mich unpassend sein. Ob nun einerseits der Austausch hier, andererseits eben dieses Ablenken auf andere Art. Es ist dringend anzuraten, sich in relativ stabilen Zeiten alles, was einem zum Thema 'Ablenkung' einfällt, aufzulisten und möglichst immer Zugriff auf diesen Zettel zu haben. Sitze ich gerade in meiner Suchtfalle, ist klares Denken quasi blockiert.
Zum Beispiel:
- Ans Fenster...5 mal (langsam, sonst wird's einem schwindelig) tiiief ein- 5 mal tiiief ausatmen.
- Ein Glas Wasser in kleinen Schlucken, langsam austrinken.
- von hundert rückwärts auf null zählen, in 14-er Schritten (oder 12er, oder 16er, ganz wurscht).
- oder eben auch das literarische Quartett.
Sei kreativ! Alles geht. Schreibt es auf! Ganz wichtig...Gedanken sind flüchtig. Notizen nicht.
Die berühmten "4 A's" kennt ihr sicher schon.
[u]Ausweichen, Abhauen, Aushalten, Ablenken.[/u]
Mein Favorit war damals die Ablenkung.
Der Klassiker: nach dem essen. Ein gutes Essen war erst mit der Zigarette danach "rund". Wie soll das gehen, essen zu genießen, ohne Zigarette. In den ersten ca. drei Wochen bin ich direkt nach dem essen aufgestanden, den letzten Bissen noch kauend, um ans Fenster im Schlafzimmer zu gehen. Tiiief ein-, tiiief ausatmen. Nach 60 Sekunden war die Übung vorbei. Die Attacke auch.
Ooha...ich wollte doch einfach nur danke sagen. Und jetzt ist daraus wieder ein Monolog in epischer Breite geworden. Ich bitte aufrichtigst um Vergebung und gelobe Besserung. Wer es bis hierhin geschafft hat, beweist gute Nehmerqualitäten.
Wer dennoch mehr möchte, kann sich in meinem anderen Wohnzimmer mal einlesen. Dort geht es um die eher dunklen Seiten eines Nichtmehrrauchers, den die COPD immer und immer wieder ins Krankenhaus zwingt. Titel: "Das Monster In Mir". Ich verzichte ausdrücklich auf den Wunsch "Gute Unterhaltung!"
Love Meikel
http://www.rauchfrei-info.de/community/forum/?tx_mmforum_pi1[action]=list_post&tx_mmforum_pi1[tid]=2405
Ihr Lieben,
ich bewundere euch und euren Austausch über die Literaten der deutschen Dichtkunst. Ich gestehe, mir fehlt da die eine oder andere mittelgraue Zelle, euch inhaltlich folgen zu können.
Und so bleibt mir an dieser Stelle - quasi als Zeugnis meiner dilettantischen Herangehensweise - nur der Querverweis auf meine Einlassung von gestern, in der ich mich - vermeintlich humorig - über die Feierlichkeiten zur Lobpreisung des Bieres herabließ.
[quote="leo9"]
"Ich hab in guten Stunden
des Lebens Glück gefunden
im edlen Gerstensaft." (Frank Wedekind)s Erfahrung ist nicht die meine...
[/quote]
Ein kluger Mann, dieser Wedekind...
Sonne am Himmel, Sonne im Herzen
wünscht euch allen
Euer Meikel
Aus einer meiner Lieblingsgeschichten:
"Er wunderte sich täglich, wieviel Elend es auf der Welt gäbe, und wie vergnügt doch die Menschen sein können, und er fand es herrlich und begeisternd immer wieder zu sehen, wie neben jedem Leid ein frohes Lachen, neben jedem Totengeläut ein Kindergesang, neben jeder Not und Gemeinheit eine Artigkeit, ein Witz, ein Trost, ein Lächeln zu finden war."
(Hermann Hesse - "Augustus" )
Ein schönes Wochenende Allen! Grüße bibra
Als alter Brecht-Fan muss ich auch mal was beisteuern, und zwar die Geschichte mit dem alten Bekannten:
Herr Keuner trifft eines Tages einen alten Bekannten.
Dieser sagt: "Guten Tag, Herr K., sie haben sich gar nicht verändert."
"Oh, sagte Herr K. und erbleichte."
Dem gibt es nichts hinzuzufügen.
Noch ein[u]letzter[/u] Satz
Dostojewski, Der Spieler
"Morgen, morgen wird alles zum guten Ende kommen!"
Noch ein Anfang der mich geflasht hat:
Zeruya Shalev
Mann und Frau
"Im ersten Augenblick des Tages, noch bevor ich weiß, ob es kalt oder warm ist, gut oder schlecht, sehe ich die Arava vor mir, die Wüste zwischen dem TotenMeer und Eilat, mit ihren blassen Staubsträuchern, krumm wie verlassene Zelte. Nicht daß ich in letzter Zeit da gewesen wäre, aber er war es, erst gestern abend ist er von dort zurück gekommen, und jetzt macht er sein schmales, sandfarbenes Auge auf und sagt, sogar im Schlafsack in der Arava habe ich besser geschlafen als hier, mit dir."
:Fjodor
Zum Tag des Buches:
Der erste Satz ist für mich wichtig. Der letzte Satz ist für mich wichtig. Hier einer der bestenen ersten Sätze:
"Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich."
Das ist ein Satz, der mich umgehauen hat beim lesen. Es folgten einige hundert Seiten. Läßt sich sehr gut lesen.
Das Buch hat den Titel: Anna Karenina
Gruß
Fjodor