Die letzte Sucht: Tagebuch
Hallo Norbert,
wie geht es dir? Ich würde mich freuen, bald wieder etwas von dir zu lesen.
Viele Grüße
Christina
Hallo Norbert,
ich habe mich heute mal durch dein Tagebuch gelesen.... interessant wie oft man sich wiedererkennt. Ich gehe auch drei - vier Mal die Woche zum Sport. Ich Jogge (am liebsten am Mauerweg) ich fahre gern viel Fahrrad (können auch mal 60 - 70 Kilometer werden ), ich mache Rückenft, Pilates und Faszientraining und wenn ich dann noch Zeit übrig habe auch Yoga.
Bei mir war der Auslöser nach 34 Jahren aufzuhören eine Aussage meines Onkels. Ich habe von meinem Lungenfacharzt zu hören bekommen, dass ich chronische Bronchitis habe. Dies erzählte ich meinem Onkel, der sagte dann zu mir: "Mädel, du weißt das dies die Vorstufe von COPD ist?" Oh Gott habe ich gedacht, meine Stiefschwiegermutter ist an COPD erkrankt und letztendlich auch verstorben. Ihre Bilder wanderten in meinen Gedanken rum .... das war mein Entschluss und den halte ich bisher auch durch.
Ich habe nun mehr 88 Tage auf dem Zähler, ja der Nikotinteufel kommt noch zu Besuch bei mir, aber der ist nicht mehr so wichtig wie früher. Manchmal rede ich in Gedanken auch mit dem Schmacht, hört sich lustig an, aber hilft
So und nun noch das Wichtigste: [color=blue]lichen Glückwunsch zu 30 Tagen rauchfrei[/color] Mach weiter so.
Liebe Grüße Tina
Hallo Norbert, dein Tagebuch ist sehr inspirierend, vielleicht sollte ich mir das Morgen noch mal in Ruhe durchlesen und mir das ein oder andere für mich rausziehen.
Liebe Grüße, Milinya
@Aki&Sprudel: danke und ja - ich bin rauchfrei geblieben!
Tage 16 bis 23
Die Hinfahrt diesesmal im Intercity ohne Umstieg - und wiederum doch mit Umstieg. In Hannover holte die DB uns aus dem ömmeligen Ersatzzug und wir bekamen einen Funkelnagelneuen, so was aber auch. In Gladbach angekommen, erstmal die leckeren Fritten mit Joppie vom Holländer gespachtelt und danach mal wieder nach längerer Zeit bei der AA-Gruppe in Windberg gewesen. Dort gab es nach der Verkündung meiner Rauchfreiheit anerkennenden Applaus, den ich gerne mitgenommen habe;-) Zwischenzeitlich hat hier auch ein weiterer Mitbetroffener aufgehört mit dem Rauchen! Wir saßen zu acht an der Blocktafel und von denen rauchte nur noch eine einzige - relativ ungewöhnlich m.E., aber gerne registriert.
Nach Köln, eine gute Freundin besuchen, langer Spaziergang am Rhein bei wunderschönem Frühlingswetter (damals - also letzte Woche - hatten wir diesen ja noch...); in Gladbach mit einem alten Freund (wir kennen uns noch vom Sandkasten her...) ein paar Stunden verbracht; in Mettmann mit einem alten Genossen eine kurze Wanderung über die Felder gemacht und seine Familie besucht; zwischendurch auch einfach mal entspannt nix gemacht oder gelesen oder so; zum Abschluß ging es eine Stunde zu Fuß zum Borussia Park Heimspiel gucken und die ganze Strecke auch wieder zu Fuß zurück. Montagabend ging es wieder nach Berlin zurück, Dienstag wieder zur Arbeit und heute war ich bzw. fühlte ich mich wieder gut eingewöhnt. Trotzdem war der Urlaub zu kurz (o.k. - das ist er ja eigentlich immer;), aber naja.
Viele Aktivitäten waren tagsüber und nicht so mit Rauchen bei mir konnotiert, zudem waren die Leute, die ich traf, alles NichtraucherInnen. Die paar Male, z.B. im Lokal nach einem guten Essen oder im Fußballstadion (neben mir und um mich herum wurde im Block geraucht), bei denen ich dachte, daß ich ärgere Probleme mit Verlangensschüben oder Schmacht haben könnte, erwiesen sich als größtenteils harmlos. Am störendsten waren eher so die ganz normalen und auch sehr schnell wieder weggehenden Gedankenblitze in der elterlichen Wohnung. Obwohl ich dort viel weniger geraucht habe, weil ich auch immer auf den Balkon gegangen bin (gehen mußte). Aber eben auch das war ein Ritual, eine Gewohnheit! Ich hatte ein paar Mal diesen Gedankenblitz "ah - jetzt raus auf den Balkon, frische Luft atmen und eine durchziehen"! Tja, schon spannend, wie so das Suchtgedächtnis funktioniert. Aber auch nicht neu für mich. Alkohol trinken hat auch sehr viel mit Ritualen und Gewohnheiten zu tun - die man oft erst dann erkennt, fühlt, erleidet, wenn man nicht mehr den präferierten Suchtstoff konsumiert.
Nun habe ich drei Wochen um. Ich gewöhne mich stetig, Schritt für Schritt, an das Nichtrauchen. Im Urlaub habe ich sogar wieder Kaffee getrunken und es war völlig in Ordnung. Zurück im Alltag bleibe ich hingegen erst einmal noch beim Tee - vor allem bei der Arbeit finde ich, daß das Teetrinken irgendwie jetzt einfach dazugehört.
Tage 13 und 14 und 15
Am Sonnabend lang geschlafen und morgens spontan mir etwas gutes getan. Während des Duschens kam mir der Gedanke, doch mal die Zutaten für das Frühstück von dem (gar nicht mehr so) neuen Wochenmarkt am Kranoldplatz zu besorgen - und bei der Gelegenheit eben endlich mal selbigen kennenzulernen. Zwar etwas teurer, aber dafür regionale Wirtschaftskreisläufe stärken (und damit auch etwas zur CO2-Reduktion beizutragen). Und hierfür war das vom Rauchen angesparte Geld doch ideal! Genau - also habe ich kurzerhand 30 Euro aus dem Sparschwein genommen und begab mich zum Markt. Bunte Mischung aus den üblichen Gemüse- und Obstständen und ausgefalleneren Spezialitäten, einige Sitzgelegenheiten in der Marktmitte, einige Essensstände für den kleinen und großen Hunger (u.a. Tacos und Tortillas!). Die Leute waren eine bunte Mischung aus einheimischen und gewordenen BerlinerInnen und den in Neukölln unvermeidlichen Hipstern, Kreativen, StudentInnen usw. aus Nordamerika und verschiedenen Ländern West- und Südeuropas. Nicht nur die BesucherInnen, sondern auch die an den Ständen. So mußte die sympathisch lächelnde Frau am Bäckereistand ob meiner Bestellung "Ick hätt gern drei Schrippen" auf amerikanischem Englisch zugeben, daß Sie kein Wort verstanden hätte;-) Naja, macht nüscht - lächeln, draufzeigen und drei Finger heben geht auch... Hernach noch Honig vom Berliner Imker und Marmeladen und Eier vom Brandenburger Bauern - fertig war der besondere Genuß gesponsert vom nicht mehr Rauchen! Könnte mich dran gewöhnen, dies zu einer Gewohnheit zu machen...
Ansonsten gab es eigentlich nicht viel erwähnenswertes, insgesamt ein ruhiges Wochenende mit einem sportlichen Start in die Urlaubswoche (Laufen) und dem vorletzten Besuch der Gruppentherapie am frühen Abend. So langsam muß ich mal meine Sachen zusammenpacken, in einer Stunde fährt der Zug, mit dem ich in den Westen rübermache. Freue mich schon darauf, einige alte FreundInnen wiederzusehen und einige schöne Tage zu geniessen. Da ich dort gewissermaßen auch Urlaub vom Internet mache, wird das jetzt für eine gute Woche mein letzter Eintrag.
Bleibt der Freiheit vom Rauchen treu & liebe Grüße Norbert
Tage 11 und 12
Bis auf eine kleine Sache alles geschafft, was ich mir vorgenommen hatte. Sehr schön, der Urlaub kann kommen;-) Gestern sehr konzentriert bei der Arbeit gewesen, um alles bis 14:30h zu schaffen - denn dann ging es zu einer freiwilligen und ungewöhnlichen Therapieform: psychodramatisches Märchenspiel! Ich war neugierig und hatte mich neulich dafür angemeldet. Wir sollten ein Märchen nachspielen - unsere Wahl fiel auf Frau Holle. Verschiedene Rollen ausprobieren, sich in die Rollen hineinversetzen - aber auch die Freiheit, diese anders zu interpretieren. Hinterher immer die Reflexion darüber, wie man sich darin gefühlt hat, wie es war wie die anderen reagierten usw. War spannend! Aber auch etwas anstrengend, nach den drei Stunden fühlt ich mich psychisch erschöpft. Habe auf das Laufen gepfiffen und mir leckeres und total ungesundes Fast Food gegönnt;-)
Dafür heute nach Feierabend gelaufen. Die Gewitterwolkenfront am westlichen Horizont sah schon furchteinflößend aus und kam immer näher. Habe es noch gerade geschafft, nicht mehr auf dem freien Feld zu sein, als das Gewitter und die sturzflutartigen Regengüsse anfingen. Bis auf die Knochen nass bin ich natürlich trotzdem geworden - aber hey, es war trotzdem bzw. gerade deswegen ein geiles Gefühl;-)
Weniger geil war das Fußballspiel, welches ich mir gerade via livestream angetan habe. Auswärts wieder einmal nix geholt und Grütze gespielt, arrgh...
Was hat das alles mit der Nikotinsucht zu tun? Tja, keine Ahnung - weiß auch nicht;-) Naja, vielleicht doch, insofern als daß ich es mir soweit es geht gutgehen lasse und immer mal wieder gut entspanne und gerade auch nicht so die Stadien und die Parties und high life suche. Gerade so in den ersten paar Wochen will ich das versuchen, bewußt zu vermeiden. Ein paar Ausnahmen wird es nächste Woche während meines kleinen Heimaturlaubs oder nach Christi Himmelfahrt, wenn ein Freund von mir das ganze Wochenende in der Ostprignitz Hochzeit feiert, geben. Aber diese Ereignisse werde ich sehr bewußt und achtsam angehen. Nicht nur was das Nikotin anbelangt, ehrlich gesagt ist es bei mir zuvorderst der Alkohol, um den es bei diesen Gelegenheiten geht.
Mittlerweile sind die Gedanken ans Rauchen vielleicht auf so zehnmal am Tag reduziert, schätze ich. Das Leben als Nicht-Raucher wird langsam zu einer (zugegebenermaßen noch total neuen und sehr jungen!) Gewohnheit;-)
Schönes & rauchfreies Wochenende euch allen! Norbert
Vielen Dank euch dreien für die warmen Worte - nehme ich sehr gerne an!
@Sandra: Gratulation zu 50 Tagen - Respekt! Witzigerweise kenne ich den Ausdruck ebenfalls aus Studentenzeiten. Eine Mitbewohnerin hat den immer gebraucht für "Naschen" - ich habe mir dann ihre Ausdrucksweise einfach angeeignet...
Tage 9 und 10
Am Dienstag nach Feierabend endlich mal zum DB-Automaten die Hin-und Rückfahrt nach Mönchengladbach gekauft - und Glück gehabt, es gab noch einige richtig günstige Zugverbindungen. Anschließend eine Runde Runway auf dem Feld Joggen. Sehr schöne Abendsonne, allerdings recht diesig. Dreimal diese Woche Sport kriege ich gut hin, nur mit dem Vorhaben, doch mal zur Abwechslung Schwimmen zu gehen, bin ich noch auf Kriegsfuß. Der innere Schweinehund und so... Heute wurde es beim Job mal etwas mehr. Morgen und Freitag will ich mich gut strukturieren und viel schaffen, damit ich beruhigt in Urlaub fahren kann. Wenn nicht alles so klappt, wie ich mir das vorstelle - dann ist das dann halt so. Hauptsache ich kann am Ende der Woche zu mir selbst sagen, daß ich mein bestes gegeben habe. Das war heute zum Beispiel nicht der Fall. Habe mich ziemlich um eine bestimmte Antwortmail herumgedrückt. Nach Feierabend war ich da schon etwas unzufrieden mit mir. Das Gefühl ging aber auch schnell wieder weg und die heutige SHG hat auch viel abgelenkt. Apropos Gefühl - also gestern war ich so ein paar Male leicht aber merklich unkonzentriert. Heute ging es - da war es nur die Prokrastination.
Ansonsten die Tage immer mal wieder so leicht depressive Phasen gehabt. Eigentlich ein zu starker Ausdruck, es war eher so das Gefühl, nicht-emphatisch zu sein und plötzlich eine sehr enge Wahrnehmung der Realität, der Umwelt zu haben. Schätze mal, daß ich noch Mangelzustände bei Dopamin und Serotonin habe. Vielleicht daher auch die - nun ja - etwas größere Menge an Süßem die letzten drei Tage. Habe gerade voll den Heisshunger auf Baiser (Meringue)! Oder doch einfach aus dem Grund, weil ich etwas im Mund haben muß? Hm, werde ich mal verstärkt auf meinen Konsum achten...
Schmacht und Verlangen werden weiterhin seltener. Mein Verlangen ist gut auszuhalten, immer sehr kurz und nie so irrational, seelisch, wie es beim Alkohol vor ungefähr einem Jahr desöfteren war. Da war das in den krassesten Phasen wie eine Sehnsucht nach einer geliebten Freundin, die alles verzehrte. Beim Nikotin erkenne bzw. empfinde ich nicht diese seelische Pein (klopf gerade 3x auf Holz). Soweit erstmal - wünsche euch allen einen entspannten und rauchfreien Restabend!
Liebe Grüße Norbert
Hallo Norbert,
habe gerade auch mal bei dir gestöbert und möchte dir ganz herzlich zu deinem 9. Tag gratulieren. Bin mir ganz sicher, dass du das schaffen wirst.
Echt toll, wie du in deinem Leben aufräumst, merkst was gut für dich ist, und dementsprechend auch alles umsetzt.
Ich wünsche dir eine tolle Woche und freue mich schon mehr von dir zu lesen.
Liebe Grüße
Katja
Auch ich bin Mitleserin und bin sehr angetan von deinem Schreibstil. Du kannst die Dinge einfach auf den Punkt bringen, ich finde deine Balance zwischen Rationalität und Empfinden sehr bewundernswert, ebenso die klare Sicht.
Gute Nacht!
Christina
Tage 6, 7 und 8
Das Wochenende war schön entspannt. Samstag war schönes Wetter, so daß ich Joggen war. Dreimal die Woche Sport - ist so der "Richtwert", den ich mir selber gegeben habe. Wenn es mal zweimal werden, ists auch nicht so dramatisch. Aber so ein paar mehr Kalorien verbrennen, als vor dem Rauchstopp, wollte ich schon anpeilen. Interessant war das Fußballspiel im livestream gucken. Sonst habe ich da immer mit am meisten geraucht, aus Nervosität und mit dem Team leiden. Dachte, daß ich da wohl sehr viele Schmachter bzw. Verlangensblitze hätte. Dem war aber gar nicht so. Aber naja, kann sein, daß es bei einer der nächsten Spiele so kommt.
Ansonsten ein bißchen Haushalt gemacht, Wäsche gewaschen, nichts besonderes halt. Am Sonntag mit ein paar FreundInnen verabredet zum Baseballgucken, opening day der Berlin Flamingos gegen die SCC Challengers. JWD im Märkischen Viertel, aber sehr netter Platz und schöne Anlage. Hernach noch lange mit meiner besten Freundin telephoniert, abends noch ein bißchen Glotze und da war das Wochenende auch schon fast um.
Am heutigen Montag lief es auch - naja, wie soll ich sagen, nikotinsuchtmäßig alles irgendwie sehr unaufgeregt und gewöhnlich ab. Die Gedanken kommen manchesmal hoch, ja. Aber es haftet dem nichts Anstrengendes mehr inne. Schmacht kommt gelegentlich noch, aber von der Häufigkeit wie von der Stärke nicht mehr mit dem vom letzten Montag zu vergleichen. Die meisten Witze von dem Kalender des Starterpakets finde ich persönlich zwar eher so semi-witzig, aber es ist ein schönes Ritual für mich, morgens im Büro diesen Kalender als erstes wieder einen Tag weiter schlagen zu dürfen. Genauso, wie es ein durchaus nettes Ritual geworden ist, allabendlich die 5 Euro in mein Glücksschwein auf meinem heimischem Schreibtisch zu stecken. Also dann: auf in die zweite Woche!
Die ersten Schritte auf einem Weg, der das Ziel ist... Liebe Grüße & bleibt gesund! Norbert