Ich entscheide ganz allein...
...und keine Werbung oder vermeintliche gesellschaftliche Normen, was in meinen Körper kommt.
Ich bin jetzt 33 und habe mit 13 angefangen zu rauchen.
Ich wollte "dazu" gehören.
Das Rauchen gehörte dann zu mir.
Mich gab es nur mit Zigarette - ob selbst gedreht, oder das Bigpack.
Ohne meine "Nervennahrung" ging ich niemals vor die Tür.
Nichtmal um beim Kiosk gegenüber ein paar Getränke oder neue Zigaretten zu kaufen.
Wenn ich draußen merkte, dass mein Feuerzeug nicht in der Hosentasche war, bekam ich einen halben Panikanfall.
Im Februar diesen Jahres, fiel mir etwas bewusst auf:
In dem Gebäude, in dem ich arbeite, muss ich morgens vom Erdgeschoss in den ersten Stock.
Das geht über eine Treppe, die (geschätzt) 4 Meter in die Höhe geht.
An diesem Morgen fiel mir besonders auf, wie platt ich nach dieser einen Treppe war.
Die reichte schon, um mich erheblich anzustrengen.
Ich fragte mich, wenn das jetzt schon so schlimm ist, wie schlimm soll das in 5, 10 oder gar 20 Jahren sein?
Schaffe ich überhaupt noch 70, wenn ich so weitermache?
Eine Schachtel Zigaretten, war nach einem Tag weg.
An einem "lustigen" Wochenende, auch 1,5.
Am Abend des 18. Februar 2020, war mein Drehtabak (echte Zigaretten gab es nur noch am WE), praktisch alle.
Ich rauchte dann die letzte Zigarette.
Ich ging mit dem Gedanken ins Bett: "Schau' doch, ob du morgen ohne früh ohne auskommst."
Ich habe davon niemandem etwas gesagt.
Ich wollte das für mich wissen.
Geht erstmal keinen was an.
Ich stand um kurz nach 6 auf.
Normalerweise gehe ich direkt in die Küche und zünde eine an.
Gerne klaue ich da auch eine fertige Zigarette von meiner Freundin.
Ich habe mich nicht getraut die Küche zu betreten.
Ich stand bestimmt zwei Minuten an dieser Tür.
Ich habe dann beschlossen, duschen zu gehen.
Das mache ich normalerweise erst nach dem rauchen und dem ersten Kaffee.
Ich habe dann frische Sachen angezogen, und habe mein Laptop im Wohnzimmer eingepackt.
Da lag die fast volle Schachtel meiner noch schlafenden Freundin.
"Du hast es doch geschafft, die eine auszulassen, jetzt hast du dir eine verdient, könnte man sagen."
"Könnte man sagen." Dachte ich mir. "Sagt aber keiner."
Da legte ich, die nur halb-bewusst aufgenommene, Schachtel wieder auf den Tisch zurück. drehte mich um, zog die Schuhe an und verließ die Wohnung.
Auf dem Weg zur U-Bahn rauche ich normalerweise.
Die Kioske, die ich fast rufen hören konnte, ignorierte ich.
Ich übersprag die "Ausdrück-Pause" und fuhr mit der Rolltreppe runter zum Bahnsteig.
"Da darf man nicht rauchen!" - das wird gerade zu einer gedanklichen Befreiung - dämmerte es mir.
Ich fuhr zum Hauptbahnhof.
Da gibt es allerhand Möglichkeiten noch einen Kaffee - und auch eine Schachtel Zigaretten käuflich zu erwerben.
Wer würde mich verurteilen?
Wer würde es mir verübeln?
Die erste habe ich ja schon geschafft - und auch die zweite habe ich übersprungen - für die Leistung, darf ich wohl eine Schachtel Kippchen kaufen?
"Nein...ich will das nicht - ich habe jetzt schon ein bisschen was geschafft - da geht noch mehr!"
Ich ging zu einem Laden, der nur Kaffee und Gebäck hat und belohnte mich dort.
Ein Erfrischungsgetränk mit Strohhalm kam zu zwei Croissants und einem Kaffee.
Zum Bahnsteig, nahm ich bewusst nicht meine "Stammrolltreppe".
Denn diese führt natürlich direkt zum Raucherbereich.
Und den wollte ich vermeiden.
Ich stieg in den Zug - ohne noch kurz vorher hektisch an einer Zigarette zu ziehen.
Die Fahrt dauerte 45 Minuten.
Nach Ankunft in der Zielstadt, stieg ich aus und ging zur Bushaltestelle - auch dort wurde sonst natürlich direkt eine Zigarette durchgezogen - war ja 45 Minuten lang ohne.
Meine Hände zitterten.
Auf meinem Arbeitsweg muss ich in einen anderen Bus einsteigen, der leider Verspätung hatte.
Auch dabei wurde, praktisch immer, geraucht.
Ich konsumierte das Getränk mit dem Strohhalm.
Das half etwas gegen das drängende Verlangen endlich eine zu rauchen.
Es war, als würde jemand mit aller Kraft gegen die Wohnungstür hämmern um rein gelassen zu werden.
Ich versuchte mir einzureden, dass ich nicht zuhause war.
Also konnte auch niemand aufmachen.
Auf den letzten Metern Fußweg habe ich selbstverständlich auch immer geraucht - nur an diesem Tag nicht.
Vor einer Besprechung bin ich eine rauchen gegangen.
Nach einer Besprechung.
Vor dem Mittagessen.
Nach dem Mittagessen.
Zwischendurch.
Am Feierabend.
Alle diese Momente waren sehr hart.
Im Laufe des Tages weihte ich ein paar Kollegen ein.
Die halfen mir mit ihrem Zuspruch.
Es war Mittwoch - das heißt Barabend mit meinen Leuten.
Gut für mich:
Die meisten sind Nichtraucher - zu denen ich jetzt auch gehöre.
Mittwochs, nach der Arbeit, besorge ich mir immer ein paar Kölsch und laufe mit denen gemütlich zum Bahnhof um dann nach Köln nachhause zu fahren.
Natürlich kaufte ich mir dabei praktisch immer auch eine Schachtel Zigaretten.
Die Flasche Kölsch aufmachen, Zigarette an die Lippen, anzünden, ordentlich ziehen und einen Schluck aus der Flasche - das ist der Ablauf - durch tausende Wiederholungen eingeprägt und automatisiert.
"Das mache ich jetzt rückgängig."
So der Gedanke.
Ich genoss das Kölsch extra und redete mir das natürlich auch zusätzlich ein.
Außerdem bekam ich etwas besser Luft.
Trotzdem war der Drang da.
Die Finger wollten immer wieder an die Hosentasche mit den Zigaretten - waren zwar keine drin - aber es ist der Reflex, der zählt.
Ich redete mir jedes Mal ein, dass ich jetzt Nichtraucher bin und Nichtraucher nicht rauchen.
Daher kommt nämlich auch der Name.
Klingt völlig bescheuert - erschien mir aber logischer als sich Gift in die Lungen pressen.
Beim Barabend hielt ich es nicht so lange aus wie sonst.
Trotz Lobes meiner Freunde (auch der Raucher).
Der Entzug war einfach noch nicht völlig durch.
Mein Gedanke:
Ins Bett gehen und so dem Drang aus dem Weg zu gehen.
Ich ging nach Hause.
Die Treppe ging (wirklich) etwas leichter als sonst.
Ich kam rein und meine Freundin fragt mich, wie es mir geht.
Ich sah auf die Uhr:
"Es sind 24 Stunden vergangen, seit ich das letzte Mal geraucht habe."
Sie hat daraufhin auch aufgehört.
Wenige Tage später begann ich, laufen zu gehen.
Jeden Tag.
Mein erster, vorher als unerreichbar erscheinender Meilenstein waren 3km.
Am Stück.
Ohne Pause.
Das war nach etwa 2 Wochen erreicht.
Es wurde jeden Tag etwas leichter ohne die Zigaretten, wann immer ich Verlangen hatte, atmete ich gaanz tief durch und spürte, wie viel besser ich Luft bekam.
Das wollte ich behalten.
Die "Gier" kam manchmal noch, wurde aber jeden Tag ein bisschen Schwächer.
Zur Vermeidung dieser Lustmomente hatte ich ein paar Kleinigkeiten in den Routinen umgestellt:
- Direkt nach dem Aufstehen unter die Dusche und erst danach Kaffee kochen.
- Regelmäßige Fußwege, auf denen das geht, werden geringfügig geändert (eine Abbiegung später oder früher nehmen, andere Ampel benutzen).
- Am Büro angekommen, nehme ich einen anderen Eingang.
Das waren alles banale Sachen, halfen aber ein bisschen.
Anderen Situationen setzte ich mich ganz bewusst aus:
- Am Bahnsteig auf die Bahn warten und nicht im Bahnhof rumlaufen, nur weil man da dann nicht rauchen darf.
Auf Bus & Bahn zu warten, lässt sich nicht vermeiden, also muss das gelernt werden.
- In die Küche gehen.
Wir haben immer nur in der Küche geraucht und fast jedes Betreten war mit einer Zigarette verbunden.
Ich gehe ganz bewusst in die Küche, hole mir was zu trinken und mache dann immer noch eine Kleinigkeit.
Fast immer muss noch ein Teller oder ein Messer in die Spülmaschine.
Oder die beiden Viecher (Dante & Mia) brauchen was zu futtern.
Es gibt immer was.
- Der Fußweg in der Mittagspause.
Den kann ich dauerhaft nicht ändern.
Auch der Laden, in dem ich meine Sachen hole, wird in absehbarer Zeit immer der gleiche sein.
Da sind auch die Zigaretten und Tabakprodukte "schön" ausgestellt.
Ich "benutze" das als kleine Konfrontation und sage mir ganz klar, dass ich den Kram als Nichtraucher nicht mehr brauche.
Andere Sachen blieben einfach hart:
Gerade als (Wahl)Kölner war Karneval extrem hart.
Ich feiere das immer recht ausgelassen mit meinen Leuten.
Auch der Zug am Rosenmontag wird, selbstverständlich, besucht.
In den letzten Jahren war Karneval immer mit massivem Zigarettenkonsum verbunden.
"Ein Päckchen kannst Du dir gönnen...ist doch KARNEVAL!!"
*atmet gaaanz tief ein*
"Ich will mir das nicht 'gönnen' - die meisten hier sind Nichtraucher und die scheinen alle ihren Spaß zu haben.
Wenn die das können, kann ich das auch - ich brauche nur meine Leute, meine Laune und meine Luft.
Zigaretten stehen nicht auf der Liste, das Thema ist endlich durch."
Innere Diskussionen ähnlicher Art gab es viele in den ersten Tagen und Wochen als Nichtraucher.
Auch wenn es täglich weniger wurden, war es immer noch hart.
Aber auch ich blieb hart.
Es gibt keinen vernünftigen Grund zu rauchen.
Ich fühle mich besser, bin lebendiger und gebe weniger Geld aus.
Es ist nichts weg, was ich vermisse.
Auch interessant:
Ein paar Leute, die ich eingeweiht hatte, haben mich als erstes darauf hingewiesen, dass ich zunehmen werde.
Nicht "super Entscheidung!" sondern: "Ja, machen wir uns nichts vor: Du wirst ordentlich zulegen."
Ich lege lieber Gewicht zu, als Krebs zu bekommen oder sowas.
Wenn ich fett werde, kann ich trainieren.
Krebs mit Laufen zu bekämpfen, könnte schwierig werden.
Jetzt habe ich fast 80 Tage voll.
Mit dem Laufen schaffe ich jetzt 12km am Stück.
Ohne Pause.
Gewicht habe ich dadurch auch verloren.
Das Laufen "befreite" mich außerdem ein paar Stunden vor dem Suchtdruck.
Aber der kommt jetzt kaum noch.
Ich war einfach konditioniert und das konnte ich rückgängig machen.
Ich habe mich noch niemals so gut gefühlt, wie heute.
Wenn ich an einem Raucher vorbeigehe, rieche ich jetzt, was die Zigaretten eigentlich für ein chemischer Dreck sind.
Generell rieche und schmecke ich jetzt viel besser als vorher, bin besser gelaunt, weniger Müde und schlafe besser.
Ich kann wirklich nur allen empfehlen die Raucherei zu lassen.
Das hat nur Vorteile.
Hey,
Hab Dank für deine Mühen, hier von deinen Erfahrungen zu berichten! Das motiviert mich sehr und bestärkt mich darin, doch die bestmögliche Entscheidung getroffen zu haben. Ich habe erst eine Woche rauchfrei durchlebt und das Gefühl, dass jetzt mein Körper rumspinnt. Drum ists gut, solche tollen Berichte wie den deinen zu lesen um wieder auf positive Gedanken zu kommen
AllesGute dir!
Hallo Husky,
wie bist du blos auf diesen passenden Namen gekommen? Zu dem Zeitpunkt als du den gewählt hast konntest du doch noch gar nicht laufen! Und Huskys sind exzellente Langläufer. Und du bist inzwischen deiner Sucht davongelaufen . Dazu gratuliere ich dir. Und ich gratuliere dir auch zu deinem sehr guten Bericht. Der könnte etwas ergänzt später auch mal in der "Hall of Fame" stehen. Aber hier steht er auch nicht schlecht
Danke für's schreiben und viele Grüße
Bolando
Moin Husky,
willkommen hier.
Sagenhaft starker Bericht von echt starkem Denken und Handeln.
Könnte in ein Lehrbuch - wie werde ich erfolgreich [u]Nichtmehrraucher[/u].
Und überzeuge allein durch mein Vorbild andere....
Bin wirklich beeindruckt.
Warum das Wort "Nichtmehrraucher".... klar - Du hast Nichtraucher sinnreich als Bild eingesetzt - "ich bin Nichtraucher und Nichtraucher rauchen nicht" - hat klasse funktioniert..
Nichtraucher haben uns aber etwas voraus - sie sind nicht nikotinsüchtig - wir schon.
Deshalb dürfen wir bei all den Nichtraucher-Gedanken nicht vergessen: wie für trockene Alkoholiker gilt - nie wieder einen Schluck Alkohol, wollen sie nicht riskieren, rückfällig zu werden, gilt für uns - nie wieder einen einzigen Zug.
Das haben viele von uns - mich eingeschlossen - nach bereits relativ erfolgreichem Ausstieg, meist leicht enthemmt durch Alkohol, in einem Anfall totaler Fehleinschätzung "die eine, die geht schon mal - bin ja drüber weg" bereits erlebt.
Ich wünsche Dir, daß es Dir nicht passiert.
Gibt übrigens ein kostenloses Ebook, das so heißt - ist empfehlenswert.
Auch jetzt noch: http://whyquit.com/NWEEZ/NWEEZ!-Buch.pdf
Es grüßt
de Nomade
P.S. Falls Du Fragen hast oder mir antworten möchtest, freue ich mich über einen Besuch in meinem aktuellen Wohnzimmer "Ich denk' nicht dran, zu rauchen!", das Du findest, wenn Du unter dieser Nachricht auf das kleine blaue "Profil" klickst bei "Die letzten Themen".
Lieber Husky,
toller Bericht und meinen Glückwunsch, dass du es geschafft hast. Und wie gut, dass du es jetzt geschafft hast. Du bist noch jung. Bei dir wird sich alles super gut regenerieren. Halt weiter durch. Ich drücke dir die Daumen.
Liebe Grüße
Lesirma
Hallo Husky,
ich gratuliere dir ganz herzlich zu
80 rauchfreien Tagen
Jetzt geht es aber zügig auf die Keksdose zu.
Halt durch, bleib stur.
Liebe Grüße
Lesirma
Danke für euren Zuspruch.
Ich habe das mit der „ach, jetzt müsste es ja wieder gehen“-Zigarette schon bei sehr vielen Freunden und Bekannten gesehen.
Die waren dann sofort wieder Raucher.
Das mache ich aber nicht, weil ich Nichtraucher bin.
Keiner meiner Nichtraucher-Freunde würde sich „mal so“ eine Zigarette anzünden.
Sind ja Nichtraucher, wie ich auch.
Hallo Husky,
hey, das ist heute deine letzte zweistellige Schnapszahl. Ich gratuliere dir ganz herzlich zu
99 rauchfreien Tagen
Gut gemacht. Und morgen geht es zur Keksdose. Aber da musst du mit der Gratulation noch bis Morgen warten.
Ganz liebe Grüße
Lesirma
Dankeschön
Wow, Husky,
ganz herzlichen Glückwunsch zu deiner ersten dreistelligen Schnapszahl, zu
111 rauchfreien Tagen
Hui, das ist ja toll. Manno, wie geht es dir denn inzwischen?
Ganz liebe Grüße
Lesirma