Aufgehören - wie es dazu kam

Verfasst am: 04.07.2020, 11:56
Hutzel
Hutzel
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Guten Morgen liebe Gemeinde,

freue mich, einer gleichgesinnten Community anzugehören und hier sowohl "Mit-Leider" wie auch "Mit-Freuer" anzutreffen.

So um die 15 Kippen habe ich, grob geschätzt, mir tagtäglich in den vergangenen Jahren reingeblasen (in Phasen ausgeprägten Frustes wohl auch mal Richtung 20) , und ich kann mich nicht entsinnen, dass ich auch nur einen meiner ungezählten Aufhörversuche mal länger als max. 2 Tage durchgehalten hätte. Völlig a-typisch dürfte auch die Tatsache sein, dass ich nicht nur Raucher war (ich hoffe, das "war" behält nun endlich Gültigkeit), sondern auch Marathonläufer (wenngleich ich zu meinen aktiven "Lauf-Zeiten" auf die Kippe relativ problemlos verzichten konnte). Die Gründe, warum ich letztlich bei der Kippe landete, sind wohl vielfältig. Diverse Lebenskrisen, Beziehungs- u. Berufsfrust und, und, und ... es gibt 1001 Gründe, um zu rauchen, von "... die hast du dir aber jetzt verdient ... " bis "... ist doch eh alles egal ...".

Der entscheidende Moment mit dem Entschluss, dass jetzt endlich Schluss ist, resultierte aus einere Virus-Infektion (nein, kein Corona, ich wurde getestet), mit allen schönen Symptomen wie trockener Husten, permanenter Kopfschmerz, Gliederschmerzen, nächtliche massive Schwitzattacken und totaler Erschöpfung.

Und genau in dieser Phase, in diesem elenden Zustand, so bescheuert und 100prozent idiotisch das auch ist, hatte ich am 24. Juni 2020, so gegen 12 Uhr Mittags, nichts wichtigeres zu tun, als auf die Terasse zu gehen und mir "eine anzuzünden", elender würde mir damit ja auch nicht mehr. Und doch: es wurde mir noch elender. Ich inhalierte einen Zug aus der Zigarette, pumpte all diese das Leben scheinbar so viel erträglicher machende Inhaltsstoffe in meinen Kreislauf, als sei mein Immunsystem gerade noch nicht ausgelastet und dankbar auf noch mehr Arbeit wartete.

Ich blickte in den "Sandeimer", der als Aschenbecher diente und in dem noch all diese Kippen der vergangenen Wochen steckten, ich vermied es, sie zu zählen ... und doch, es kam ein ziemlich ausgeprägter Ekel in mir hoch. Sowohl beim Anblick des "Sandeimers", wie auch nach diesem ersten Zug (der bis heute mein letzter bleiben sollte) aus der frisch angezündeten Zigarette. "Was machst du da eigentlich, was tust du dir da eigentlich an, tickst du eigentlich noch irgendwie richtig? Wie eklig und selbstzerstörerisch ist das, was du da gerade tust ...".

Ich drückte die eben erst angezündete Zigarette aus und versenkte sie in dem "Sandeimer", sagte mir: "Das war deine LETZTE! Definitiv die LETZTE!". Schaute noch schnell auf die Uhr. Kurz vor Zwölf, Mittwochmittag, 24. Juni 2020.

Die ersten Tage "ohne" waren gar nich schwierig. Mein ziemlich (infolge meiner Infektion) bescheidener Allgemeinzustand ließ kein besonderes Verlangen nach Zigaretten aufkommen. Einige Tage später hatte ich dann weitestgehend keine Symptome mehr, und schwuppdiewupp ... in diversen Situationen tauchte dann schon mal wieder das innerliche Teufelchen auf und flüsterte mir ins Ohr, dass doch jetzt ein wunderbarer Zeitpunkt sei, meinen Genesungsprozess mit einem Zigarettchen zu feiern. Ich jagte das Teufelchen weg!! Jawoll. Das ist mir bisher ganz gut gelungen, in jeder ähnlich gearteten Situation.

Doch nach 10 Tagen rauchfrei wage ich noch längst nicht, mich als Nichtraucher zu bezeichnen. Phasen, in denen der Gedanke / der Wunsch nach einer Zigarette auftritt, tauchen gerne in bestimmten Situationen auf, verschwinden aber auch relativ schnell, wenn ich entweder die Situation verlasse oder mich mit irgend etwas anderem beschäftige. Z.B. mit meiner Zeit als Marathonläufer. Ich stelle mir vor, wie dieses wunderbare System, Herz, Lunge, Arterien, Venen, den Sauerstoff in jeden Winkel des Körpers transportieren und es der Muskulatur erlauben, über Stunden zuverlässig seine Arbeit zu verrichten ... diese uneingeschränkte Freude an der Bewegung.

Ich stelle mir vor, wie die Selbstreinigungs- und Entgiftungstruppen des Körpers seit einigen Tagen "unterwegs" sind. Nein, ich möchte die harte Arbeit der körpereigenen Putzkolonnen nicht mehr torpedieren durch verantwortungsloses Handeln, nie und nimmer nicht!

Ich war joggen gestern!

Allen Ernstes. Hatte ich vor dieser Virusinfektion auch ab und zu gemacht, trotzdem aber meine rd. 15 Kippen / Tag konsumiert. Insbesondere kurz nach den ersten Laufschritten musste ich immer husten und spucken ... die letzte Kippe vor der Laufeinheit lag ja meistens nur so ca. 1 Stunde zurück. Und ich lief los, während das Kohlenmonoxid in meinem Körper eine der Belastung angemessene Sauerstoffversorgung blockierte. Ensprechend hohe Atem- und Herzfrequenz auch bei vergleichsweise niedrigem Tempo ...

Und gestern? Der Unterschied war spürbar, das Laufen viel, viel leichter, kein Husten! Nach 9 Tagen Rauchfreiheit sollte sich das Kohlenmonoxid im Blut ja auch verflüchtigt haben. Es war ein halbess Stündchen nur, in locker-ruhigem Tempo, und ich habe es bewusst genossen. Wieder zu Hause, der erste Impuls: Die "Belohnungskippe" nach der körperlichen Ausdauerbelastung. Ich gab ihm NICHT nach ... sondern rief mir wieder das Bild meiner "Putzkolonnen" zurück ins Gedächtnis ...

Wir sollten sehr dankbar sein darüber, dass uns unser Organismus so viel jahrelangen missbräuchlichen Umgang mit ihm verzeiht, wenn wir nur bereit sind, entschlossen auf die Bremse zu treten. Und gleichzeitig sollte uns bewusst sein, dass die Kapazitäten seiner Selbstheilungsmechanismen nicht unendlich sind.

Das soll's mal gewesen sein für's erste, allen hier ein wunderbares, rauchfreies Wochenende und bleibt alle miteinander STARK!!!

Verfasst am: 04.07.2020, 12:35
m3m
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Ein sehr schoener Einstand hier, willkommen!

Deine Beschreibung folgt einem haeufig gehoerten Muster:

Aus irgendeinem Grund wird man aus dem Alltag gerissen (Krankenhausaufenthalt,
Erkaeltung, Urlaub) und kann nicht rauchen. Erstaunt stellt man fest, hmm,
das ging ja irgendwie, wollen wir doch mal sehen, ob das weiterhin geht.

Tapentenwechsel zum Start, die dazugehoerige Ablenkung und weitgehende
Abwesenheit von Alltagstriggern hilft gewaltig, und schon ein paar Tage
unterm Guertel zu haben hilft beim Weitermachen.

Ha, bei meiner letzten Reise war ich seit langem mal wieder mit dem Flieger
unterwegs: Wartezeit auf dem Flughafen in Istanbul. Kein Problem, dachte ich mir,
klar, internationales Drehkreuz, aber das ist die Tuerkei, da wird man doch wohl irgendwo
rauchen koennen. Flug hin, kein Problem. Beim Aussteigen rauchte einer auf dem Flugfeld (!!),
und ich dachte, ja gut Junge, da haettest du doch noch kurz warten koennen. Und Badabumm:
Nicht *eine* Rauchmoeglichkeit auf dem ganzen Flughafen. 2 Stunden Hinflug, 5 Stunden Aufenthalt,
noch mal 6 Stunden Flug. Keine Zigarette. Im Flugzeug kein Ding, aber auf dem Flughafen...
war ich sauer: In der *Tuerkei*! Aber ich dachte mir nach 2 Stunden hektischer Suche nur noch:
Egal, gleich geht es weiter, das muss dann wohl so. Und weil mich meine Hektik, beinahe Panik in den
ersten 2 Stunden in Istanbul so geaergert hat, habe ich das den ganzen Urlaub weiter so durchgezogen.
Die erste Zigarette gab es erst wieder auf deutschem Boden.

Mein Rat an dieser Stelle immer, wenn ich hoere, "die ersten Tage waren gar nicht so schwierig":
Super, nutze das! Aber gehe nicht davon aus, dass es beim naechsten Mal - welches es hoffentlich
nicht geben wird, sprich: bei einem hypothetischen naechsten Mal - genau so einfach geht.
Jeder Quit ist anders, es spielen Faktoren und Umstaende mit, die wir nicht kontrollieren oder teils
auch nur konkret benennen koennen.

Interessant, dass du so schnell tatsaechlich die positiven Auswirkungen auf die Atmung feststellen konntest.
Ich fahre jede notwendige Strecke mit dem Fahrrad, in der Regel mindestens 30km taeglich, und habe bewusst
keine Aenderung in der Hinsicht wahrgenommen. Aber das Huesteln/Husten ist, wie immer, bereits nach 2 Tagen weg gewesen, was auch etwas konkretes ist.

Hast du Fragen, Frust, das Flattern, findest du hier jemanden.
Willkommen noch mal...

Verfasst am: 04.07.2020, 20:15
feenzauber
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Herzlich willkommen Hutzel

Erst einmal Glückwunsch zu 9 Tagen ohne Rauch

Zitiert von:
Ich war joggen gestern!

Das hast Du super hinbekommen. Und ja, Sport ist eine super Ablenkung gegen den doofen Teufel.

Die Situation die Du beschreibst, das man krank ist und doch trotzdem raucht, kennen hier einige. Auch ich, habe immer geraucht, auch wenn ich krank war.
Heute schüttele ich den Kopf. War die eine Marke zu stark, na dann holt man sich halt ne leichtere

Hier ein paar Tipps bei Verlangensattacken, denn gelegentliche Lust auf eine Zigarette ist nach einem Rauchstopp normal.
http://www.rauchfrei-info.de/aufhoeren/tipps-fuer-ihren-rauchstopp/tipps-bei-verlangensattacken/
1. Aufschieben; 2. Ausweichen; 3. Abhauen und 4. Ablenken

Und ich kann Dir folgendes Buch empfehlen, welches Du Dir kostenlos runterladen kannst.
NWEEZ! = Nie Wieder Einen Einzigen Zug!
http://whyquit.com/NWEEZ/NWEEZ!-Buch.pdf
Viel Spaß beim smökern ;)

Ich wünsche Dir ganz viel Sturheit. Denn denk dran: nur die eine Zigarette gibt es nicht mehr ;)

GGLG Manu

Verfasst am: 05.07.2020, 09:04
Hutzel
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Ganz lieben Dank für den Link zum Buch, liebe Manu, habe es schon runtergeladen und gespeichert, somit bin ich mit Sonntagslektüre versorgt ;-)

Unverändert bin ich rauchfrei und erwarte meine 12-Uhr-Gedenkminute, denn dann sind es genau 11 Tage

Vorgestern war ich einen Freund besuchen, ebenfalls Ex-Raucher, aber nun schon, ich weiß es nicht genau, sicher seit 2 Jahren komplett clean. Wir trafen uns, vor Unzeiten, früher so ungefähr einmal die Woche zum gemeinsamen Online-Schachspielen, das waren stets kleine Highlights, allerdings "gekrönt" mit ein paar Hefeweizen und ungezählten Kippen, der "Pelz" im Mund am folgenden Morgen und die stinkenden Klamotten zeugten in unangenehmer Weise davon.

Und gestern holten wir dann wieder das Schachbrett hervor, nein, nicht online dieses mal, sondern so richtig mit Figuren zum anfassen ... und einer Flasche Rotwein. Kritisch, dachte ich mir, in dieser Phase, wo ich mich gerade befinde, denn Rotwein ohne Kippe? Ging ja noch nie ...

Klar, der Rotwein förderte die Redseligkeit, und hier und da musste ich doch bemerken, wie zementiert dieses Muster Rotwein / Kippe noch in meinen Synapsen verankert ist. Welch Glück, dass mein Spielpartner schon lange Zeit weg ist von der Kippe, ich bin mir nicht sicher, ob ich hätte widerstehen können, wenn er sich "eine angezündet hätte".

Zur späten Stunde trat ich dann (zu Fuß, nur ein paar hundert Meter) den Heimweg an. Au weia, ich durchlebte während dessen eine wirkliche Phase ausgiebiger "Schmacht", und insbesondere auch, als ich zu Hause eintraf. Das Muster war dann immer: an's (offene) Fenster stellen, den schönen Abend nochmal krönen, mit der letzten Zigarette vor dem schlafen gehen ...

Nun, das Bedürfnis war überdeutlich vorhanden - doch ich hatte ja keine Zigaretten. Und setzte den Gedanken, jetzt mit EC-Karte und dem notwendigen Kleingeld zum 300 Meter entfernten Zigarettenautomaten zu laufen, nicht in die Tat um. Schrecklich hätte ich mich gefühlt, wenn ich diesem Wink des Teufelchens in mir gefolgt wäre ... und ich bin mir sicher: ich wäre wieder "voll dabei" gewesen.

Alles also gut gegangen, trotz Rotwein, ich begrüße Tag 11 Rauchfrei

Verfasst am: 05.07.2020, 20:17
Danny87
Danny87
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Moin Hutzel,
Glückwunsch zu 11 Tagen, der ersten Schnapszahl von hoffentlich vielen

Ja, wenn die erste Sicherheit wackelt klopft jederzeit der Schmachter wieder an.
Das wird auch noch eine Zeit so bleiben, man muss jede Situation erstmal neu ohne Zigaretten kennenlernen.
Ich wurde selbst nach über einem Jahr von einer Schmacht attake getroffen einfach weil die Situation immer mit einer Zigarette verbunden war.
In diesem Sinne genieße deinen Sieg, der Kampf hat grade erst begonnen, nun heißt es durchhalten.
In diesem Sinne viel Kraft und Durchhaltevermögen und sei stolz auf dich.
Grüße Danny

Verfasst am: 05.07.2020, 21:06
feenzauber
feenzauber
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Sehr gut Hutzel, das Du die Gefahr erkannt hast und diese überwunden hast.

Glückwunsch

Alkohol ist so zu sagen die kleine Schwester vom Nikoteufel. Da mußt Du etwsa aufpassen.

Ich freue mich, das ich Dir mit dem Buch helfen konnte.

Ich wünsche Dir weiterhin viel Sturheit

GGLG Manu

Verfasst am: 27.07.2020, 11:37
Hutzel
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Guten Morgen liebe Mitaufhörer ;-)

Wird endlich mal wieder Zeit, ein Lebenszeichen zu hinterlassen, höchstwahrscheinlich denkt ihr schon, ich sei inzwischen zurück in den Fängen der Sucht und hätte längst schon die Flinte ins Korn geworfen (und den Sand in den Kopf gesteckt ).

Dem ist überhaupt nicht so, hatte nur irgendwie nie eine Zeitnische gefunden, um hier zu berichten ... oder war einfach zu träge ! Ich bin unverändert 100% rauchfrei, seit Mittwoch 24. Juni, 12:00 Uhr Mittags, stolze 33 Tage inzwischen ;-)

Mein Job (Pflege) und meine gegenwärtigen Nachtdienste sind eigentlich die allerbesten Rückfallbedingungen, und ich bin so ein klein wenig stolz, bis jetzt standhaft geblieben zu sein.

Gelegentlich taucht allerdings noch immer hier und da ein starkes (kurzfristiges) Verlangen nach einer Zigraette auf, insbesondere vor und kurz nach geleisteten Nachtdiensten, das war immer so mein Muster und scheint noch ganz gut in meinen Synapsen verankert zu sein. Es sind aber meistens nur einige Minuten. Meine Strategie: Ich versuche meine Gedanken auf etwas anderes zu fokusieren, nämlich auf das, was mir in den vergangenen Wochen sehr viel Freude bereitet hat: es ist das Laufen in der Natur ;-) Manchmal tue ich mich ein wenig schwer, nach Nachtdienst und Ausschlafen die Laufschuhe zu schnüren. Da kommt dann auch schon mal der Gedanke hoch, wie angenehm "leicht" ich es doch haben könnte, wenn ich mir zu den 2 oder 3 Kaffee ein, zwei schöne Zigarettchen gönnen würde, das Leben ist doch so schon viel zu hart ... und jetzt ... auch noch laufen??

Es sind immer nur die ersten 10 bis 15 Minuten, in denen es mir manchmal ein wenig schwer fällt, aber spätestens dann ist der Gedanke an den Glimmstengel verschwunden und ich konzentriere mich auf meinen freien, tiefen Atem und einen gleichmäßigen, nicht zu schnellen Schritt. Und allen, die es bislang noch nicht praktizieren: macht die Bewegung an der frischen Luft, in der Natur, zu eurer Gewohnheit, so, wie das Anzünden einer Zigarette zu bestimmten Gelegenheiten mal eure Gewohnheit gewesen ist, die Belohnung wird nicht ausbleiben

Wünsche euch allen einen wunderschönen Tag ... und werde versuchen, mich spätestens zu meinem 50-tägigen-rauchfrei-Jubiläum (also in 17 Tagen) zurück zu melden ;-)