Ein Tagebuch
Tag 443 Donnerstag
Der Missionar
Ich kann mich noch sehr gut
an meine erste 100 Tage Phase des RauchStopps erinnern.
Alles war in eine Wolke der Euphorie gehüllt
und in meinem Kopf tobte die Gewissheit,
das der größte Fehler in meinem Leben das Rauchen war.
Mit Sicherheit war das auch ein Riesenfehler,
aber der Größte?
Ich war überzeugt, das ich nun einen richtigen Weg gefunden habe
um diese Sucht zu besiegen.
Nicht nur für mich, nein für Alle.
Schließlich bekommen auch alle Rheumatiker die gleichen Medikamente.
Also geht das auch bei Rauchern.
Bestärkt wurde ich auch hier im Forum in meiner totalitären Theorie.
Klar wusste ich sofort, warum jemand rückfällig wurde.
Ich wusste ( oder glaubte zu wissen ) was da falsch lief.
Natürlich war das auch in meinem Umfeld der Fall.
Ich analysierte alle mir bekannten Raucher
und beschloss aus denen nun überzeugte Nichtraucher zu machen.
Nun war es schon so,
das sich viele aus meinem Dunstkreis sich mit mir freuten.
WoW, du rauchst nicht mehr....Toll!
Aber ich merkte schnell, das niemand Bock hatte
sich mit mir intensiv über das eigene Suchtverhalten auseinander zu setzen.
Ich lies natürlich nicht locker und wunderte mich,
das ich schnell alleine herumsaß und niemand darüber mit mir reden wollte.
Ja klar, dachte ich......logisch wollen sie das nicht
Sind ja alle süchtig.
Also bestand mein zweiter Anlauf darin, allen zu erklären
wie hoffnungslos süchtig sie waren.
Das ging voll nach hinten los.
Niemand wollte sich damit beschäftigen.
Irgendwann zog mich eine langjährige Bekannte an die Seite
und meinte ich solle ganz dringend das missionieren sein lassen.
Nur mal so.....als guten Rat.
Sie freue sich ja auch mit mir...aber .... naja
Aha, das saß!
Ich dachte über mich selber nach.
Wie hätte ich reagiert,
wenn da jemand so auf mich eingeredet hätte?
Ich erkannte, das meine Freunde
mächtig viel Geduld mit mir zeigten.
Guten Morgen Klaus - auch wenn du selbst „Schnapszahlen „ nicht so gerne möchtest- kommst du heute bei mir nicht drum herum. Ich wünsche dir alles liebe zu 444 Tagen rauchfrei - danke für deine täglichen Kommentare- hast für jeden ein offenes Ohr . Ich würde dir deine geliebten Pistazien- Croissant hier posten aber die gibts leider noch nicht. In diesem Sinne- lass dich heute feiern und sei stolz auf deine persönliche Leistung. Lg Michaela
Guten Morgen, lieber Klaus!
Du weißt, wo du meine Gratulation findest, oder?
Guten Abend lieber Klaus,
danke dass Du hier bist.
Danke dass Du so offen und ehrlich Deine Gedanken mitteilst,
immer ein offenes Ohr hast.
Ich gratuliere Dir von Herzen zu jedem Tag, zum heutigen besonders.
Mann was bin ich froh dass Du den Ausstieg geschafft hast- und hier bist!
444- das ist eine Hausnummer! und ein Grund zu feiern
Herzliche Grüße und lass es Dir gut gehen !
Doro
Hey Klaus, auch von mir Gratulation zum 444! Ich bin weiterhin hammerfroh es geschafft zu haben. Menschen wie du haben mir dahin geholfen. Das du nun im Forum bist, das ist der Superduperhauptgewinn, echt!
Überaus liebe Grüße von der Westerwälderin Ilona
Lieber Klaus!
So eine Stretchjeans ist doch sehr bequem und gemütlich.
Wir sind rauchfrei und sind dafür ganz schön durch den Scheuersack gegangen.
Ich finde, dass uns die Stretchjeans hervorragend kleidet.
Ich wünsche dir einen wunderschönen Herbsttag mit ganz viel toller Frischluft.
Drücki an die Spree, Stine
Hallo Klaus
Vielen Dank für deinen Besuch in meinem Wohnzimmer und die mitgebrachten Glückwünsche.
Ich bin so glücklich darüber, überhaupt so weit gekommen zu sein.
Ohne dieses Forum und ohne die Unterstützung von euch Lotsen hätte ich das definitiv nicht geschafft.
Dein Tageszähler zeigt 454 Tage, das ist doch auch eine superschöne Zahl
Machen wir gemeinsam weiter
Liebe Grüße
Sabine
Tag 466 Samstag
Was ist Craving?
Dieses merkwürdige Gefühl.
Das die meisten Raucher, Trinker und Kokser
so gut kennen.
Das unsichtbare Gefühl vor dem wir uns alle fürchten.
Craving bedeutet Verlangen, und Gier!
Es ist weitaus mehr
Ein unwiderstehliches Verlangen.
Ein starkes Gefühl
Es ist mit vielen Süchten verbunden.
Immer wenn das Belohnungssystem im Gehirn gefüttert wird
und die Substanz ausbleibt erleiden wir dieses Craving.
Es ist kein Schmerz.
Anders als Zahnweh, oder Migräne.
Es hat nichts mit Wund - oder Bauchschmerz zu tun.
Was es nicht ist, ist einfacher zu finden.
Was ist dieses Craving?
Ein merkwürdiges Gefühl.
Etwas vor dem wir uns fürchten.
Etwas, das uns bekannt vorkommt.
Eine Mischung aus Angst und Ohnmacht.
Ein furchtbares Unbehagen.
Kälte und Hitze.
Es ist immer das
was wir gerade nicht wollen.
Es ist etwas Dunkles.
Ein Sog in die Hölle.
Zugleich ist es ein Heilsversprechen.
Der Wegweiser zur Erlösung.
Es fokussiert alle Gedanken.
Rauchen Jetzt!
Trinken Jetzt!
Alles Jetzt!
Der Moment in dem das Jetzt gedacht wird
löst alle Probleme.
Alles fällt ab.
Alle Leiden sind verschwunden.
Nur deine Probleme.
sind geblieben.
Das Craving ist verschwunden
Du bist erlöst.
Wie in einer Religion
kommt der Erlöser.
Du bist das Werkzeug der Erlösung.
Nimm es!
Greif zu!
Es ist so einfach.
Du musst nicht leiden.
Deine Verzweiflung rührt mich, ich helfe dir
Wer zum Teufel ist jetzt dieses Ich?
Wo kommt denn das her?
Bin ich plötzlich zwei Ichs?
Kann das sein.
Bin ich dabei verrückt zu werden?
Nein nein.
Geh zur Tanke,
und hol dir den Stoff. Kein Geld?
Da sind noch Pfandflaschen.
Reicht nicht? Leih dir was!.
Ruf einfach jemanden an.
Erzähl irgendwas.
Vollig gleichgültig was.
Hauptsache du bist schnell flüssig.
Dann los. Zigaretten und Bier kaufen!
Jetzt!
Der Sirenengesang des Odysseus fällt mir ein.
Er wurde an den Mast seines Schiffes gefesselt,
damit er die Gesänge der Sirenen hören konnte.
Die gesamte Mannschaft musst sich die Ohren verstopfen.
Nachdem Odysseus sich nicht beeindrucken ließ,
stürzten sie sich ins Meer und starben darin
Ein passendes Bild für das Craving.
Der leidende Held, der keine Chance mehr hatte
sich eigenständig zu wehren.
Gefesselt, gleichsam unfähig jeder Bewegung
konnte er nur dem drohenden Wahnsinn trotzen.
Und dadurch siegte er.
Dieses Craving ist wie das schwarze kalte Meer im Winter.
Du stehst am Rand des Felsens und unter dir tobt das Wasser.
Du kannst nicht sehen wie tief es ist,
aber du fühlst den Tod.
Du schaust da runter und es packt dich.
Das Grauen steigt in deinen Kopf.
Ein langer stummer Schrei windet sich durch deinen Körper.
Wie eine Welle, ein weit entfernter Tsunami.
Er kommt sehr schnell näher.
Du brauchst nur eine Entscheidung treffen
und schon ist alles gut.
Jetzt wirst du schwach.
Du bist nicht gefesselt wie Odysseus.
Die Wolken verziehen sich,
unwirkliche Kinderstimmen flattern um deine Ohren.
Du entspannst dich.
Du bist soweit,
jetzt hast du die Zigarette in der Hand
und steckst sie in den Mund.
Ein starkes Gefühl der Freude strömt durch deinen Körper.
Ein Triumph. Alles Leiden ist verschwunden.
Eine tonnen schwere Last löst sich einfach auf.
Jetzt das Feuer.
Das verzehrende Feuer.
Alle Ängste verbrennen darin.
Schon glüht die Spitze der Zigarette
und der Rauch füllt deine Lungen.
Aber was ist das?
Etwas ganz Böses beißt deine Lungen.
Ein widerlicher Geschmack
macht sich in deinem Mund und Rachen breit.
Du hast das Gefühl jederzeit in einen Abgrund zu stürzen.
Dir wird schwindelig.
Du nimmst sofort den zweiten Zug und den dritten.
Plötzlich schießt es dir eine Frage durch den Kopf.
Was mache ich hier eigentlich?
Bin ich völlig verrückt geworden?
Angeekelt drückst du die Zigarette in dem Aschenbecher aus.
Wo kommt der überhaupt her?
Du hattest doch alles entsorgt!
Egal, weg mit dieser Drecks Kippe.
Bäääähh, dieser Geschmack. Eklig!
Schon ist die nächste Zigarette im Mund
und sie brennt auch schon wieder.
Husten.
Oh Gott, seit Monaten musstest du nicht mehr husten.
Jetzt fängt es wieder an.
Egal, wollen wir doch mal sehen.
Alles fühlt sich jetzt an,
als ob zwischen dir und dem da draußen
eine Milchglasscheibe ist.
Dein Kopf dreht sich, dir ist einen Moment kotzübel.
Aber da ist noch etwas anderes.
Da ist noch mehr.
Ein Schwanken.
Dir wird langsam klar, was du da gerade tust.
Alle deine Rationalität beginnt wieder zu leuchten.
Vielleicht ist da jetzt Scham, Wut und oder Resignation.
Vielleicht auch alles zusammen.
Friedliches Glück ist es ganz sicher nicht.
Es ist Elend.
Es ist Sucht!
Es ist Gift.
Es ist Tod.
Schweißgebadet wachst du auf.
Es ist dunkel und ganz still.
Dein Bett ist zerwühlt.
Du schaust auf die Uhr
Es ist früh, sehr früh.
Du streckst dich und schläfst wieder ein.