Ein Tagebuch
Nehmen wir an, es gäbe einmal eine Wunderpille, die unser Suchtgedächtnis vollständig löschen könnte. Das wäre toll! Die unangenehmen Gefühle, die wir weggeraucht haben, wären allerdings immer noch da. Wie gehen wir dann mit denen um?
Ich konnte erst aufhören, als meine Angst vor den Folgen des Rauchens größer war als die Angst vor dem Aufhören/Scheitern (wobei ich immer noch in der Zukunft "scheitern" kann). Und als ich bereit war, auch unangenehme Gefühle wie großen Schmerz auszuhalten. Das konnte ich auch nur, weil ich überzeugt war, dass es mir auf Dauer mehr Lebensfreude bescheren würde. Ich betrachte meinen Weg in die Rauchfreiheit als Abenteuer und diese Vorstellung ist unabhängig von Gefühlen und positiv besetzt.
Habt einen schönen Wochenanfang!
WoW
Erstmal euch Allen vielen Dank für das Feedback und die tollen Beiträge.
Ich meine natürlich nicht das Schuld etwas überflüssiges ist.
Ganz und Gar nicht.
Verantwortung müssen wir alle übernehmen.
Das ist immer richtig.
Was mich umtreibt ist die Frage des geraden Weges und des Konflikts.
Beispiel rauchen:
Vor ein paar Jahren hatte die beste Eismanufaktur der Welt eine kleine Filiale bei mir um die Ecke.
Es gab ein paar Tische drinnen und ein paar Tische draussen.
Ich war Stammgast und hatte auch schon ein paar Kilos zugenommen.
Natürlich kannte ich viele andere Stammgäste
und vor Allem natürlich auch viele Kinder (Spielplatz gegenüber).
Zu dieser Zeit war es für mich völlig richtig
nach Eis und Cafe eine Zigarette zu rauchen.
Ja, jetzt gab es den Konflikt mit den Müttern.
Sogar mit den rauchenden.
*Wie kann ich es wagen in Gegenwart der Kinder zu rauchen?*
Meine lakonische Antwort damals: Draussen rauchen, Drinnen nicht!
So ein richtiges Arschloch Verhalten, aber ohne Schuldgefühl.
Statt dessen gabs den Konflikt.
Der führte dazu, das ich es einsah und etwas aufpasste
und eine Mutter so sauer war. das sie nicht mehr wieder kam.
Was ich damit meine:
Die Dinge die man macht, sollte man mit Überzeugung geradeaus tun.
Es wird immer mit der Realitität kollidieren, dann kann es angepasst werden.
@SarahAnne schreibt über den Perfektionismus und den Makel des Scheiterns.
Ja, das stimmt hier leider immer noch.
Einmal Scheitern ist wie ein Stigma.
Aber wir gehen gerne ins Kino, hören gerne Musik und lesen gerne Romane.
Leute lest einmal die Bios der Schauspieler, der Regisseure, der Autoren, der Musiker.
Dann wißt ihr was Scheitern bedeutet.
Und das es darauf ankommt weiterzumachen.
Nicht aufgeben. Einen anderen Weg suchen.
Eben wie ein Kind das Laufen lernt und verstehen muss, das die Laterne nicht ausweicht.
@Micha verweist auf die Bibel.
Das ist in der Tat das ganz große Kino!
In den alten Schriften der Bibel und der Thora steckt in der Tat viel Wissen um die Menschen.
Und im Grunde kann man sagen:
Lebe so, das dein Nachbar so leben kann wie er es möchte.
Dazu gibt es ein paar Regeln
Ja und die müssen eben verhandelt werden.
Noch einmal meine Frage hier.
Schuld und Schuldgefühle sind richtig,
aber wie dolle müssen die sein?
Müssen die in eine zeitweise Depression führen.
Müssen die so zerstörerisch sein?
Ein Stop Signal auf der Strasse funktioniert doch auch.
Wir verabreden eine Regel und halten da einfach an.
@Micha schreibt über Sucht, Drogen und Rückfall.
Wir zerstören uns selber.
Und da liegt vielleicht auch der Schlüssel für die Scham.
Wir sind ja nicht alleine.
Da gibt es Kinder, Freunde, Lebenspartner und Partnerinnen.
Wie haben eine gesellschaftliche Position.
Die bricht zusammen.
Dann sind wir plötzlich ganz alleine.
Wer sollte da nicht vor Angst in die Kniee gehen?
Wer ganz alleine ist, fängt an zu beten.
Die Hoffnung da ist noch jemand, der zuhört.
Das ist aber eine schrecklicher Zustand.
Vielleicht auch nötig.
Aber nicht zu lange.
Die Gemeinschaft ist ja niemals weg.
Wir glauben das nur und sind dann verzweifelt.
Das in Kürze
@Jutta
Die Wunderpille, ja die wird es nicht geben. Aber lernen können wir.
Du nennst das ein Abenteuer. Ja, das ist ein aufregendes Abenteuer.
Wie immer, wenn wir etwas lernen.
Hallo Klaus,
vielen Dank für deine Grüße!
Wir sind alle formidabel
Ach ja Berlin, ich atme mal tief ein B E R L I N ahh
5 Jahre habe ich dort gelebt und liebe diese Stadt.
Grüß sie einfach mal von mir
... und natürlich an dich
viele Grüße vom Havelskipper
Ronald
Hallo Klaus,
lieben Dank für die Glückwünsche und einen schönen Tag!!!
Lieber Klaus!
Vielen Dank für deine Glückwünsche! Ich habe mich sehr gefreut.
Es dauert ja gar nicht mehr lange dann bist du auch da, wo ich jetzt bin.
Vielen Dank auch nochmal, für den Link, den du in Jumpis Wohnzimmer gestellt hast. Da waren einige interessante Sachen dabei. Ich habe ihn mir erst einmal abgespeichert.
Ich lese immer gerne in deinem Tagebuch.
Liebe Grüße von der Weser an die Spree.
Tag 148 Mittwoch
Heute sowas wie Tagesgedanken
Sucht, Scham und Gesellschaft
Gründe für ein schlechtes Gewissen gibt es genug.
Wenn wir süchtig sind, werden wir krank
und die Gesellschaft muss für die Kosten unserer Gesundung aufkommen.
Das führt oft zur Stigmatisierung der Süchtigen.
Die liegen uns nur auf der Tasche.
Die lügen und klauen nur.
Die werden eh wieder rückfällig.
Die Suchtkranken werden als asozial betrachtet.
In der Weimarer Republik wurde Wohlfahrtspflege betrieben.
Es gab Versuche diese Erkrankungen zu heilen
und die Betroffenen zu resozialisieren.
Die Nationalsozialisten sahen das völlig anders.
Sucht war immer auf defektes Erbgut zurückzuführen,
damit nicht heilbar und auch schädlich für eine gesunde Gesellschaft.
Asoziale und damit auch Suchtkranke wurden aussortiert und getötet.
Hier ein Zitat aus einem wiss. Text für den Bundestag
„Asoziale“ im Nationalsozialismus
[externer Link vom rauchfrei-Team entfernt]
Die Liste, derer die damals als asozial betrachtet wurden ist interessant:
- Wohnungslose,
- Bettler,
- Landstreicher („Wanderer“) bzw. „Zigeuner“,
- Prostituierte,
- Alkoholiker („Trunksüchtige“),
- Suchtkranke,
- Personen mit ansteckenden Krankheiten, insbesondere Geschlechtskrankheiten, „die sich den Maßnahmen der Gesundheitsbehörden entziehen“,
- „Arbeitsscheue“ bzw. „Arbeitsverweigerer“, „die sich der Pflicht zur Arbeit entziehen und die Sorge für ihren Unterhalt der Allgemeinheit überlassen“,
- Gelegenheitsarbeiter; -
Fürsorgeempfänger (Empfänger von Sozialleistungen),
- Zuhälter
- Sinti und Roma,
- Juden,
- politisch Verfolgte,
- Homosexuelle,
- säumige Unterhaltspflichtige (und deren Familienangehörige),
- Arbeiter in der Kriegswirtschaft, denen ungenügende Arbeitsleistung und häufige Fehlzeiten am Arbeitsplatz vorgeworfen wurde,
- Personen, die „fortgesetzt mit Strafgesetzen, der Polizei oder den Behörden in Konflikt geraten“ sind,
- in prekären wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen lebende und / oder auf Unterstützungsleistungen angewiesene Großfamilien, die „eine Belastung für die Volksgemeinschaft“ darstellen
- Personen, die „besonders unwirtschaftlich und hemmungslos sind und mangels Verantwortungsbewusstseins weder einen geordneten Haushalt zu führen noch Kinder zu brauchbaren Volksgenossen zu erziehen vermögen“,
- Personen und Familien ohne „geordnete“ Haushaltsführung,
- Personen, die „durch einen unsittlichen Lebenswandel“ auffallen, z.B. sexuell unangepasst lebende junge Frauen,
- alleinstehende Frauen mit unehelichen Kindern.
Spannend oder?
In unserem jetzigen System haben sich zum Glück einige Dinge geändert.
Vor allem töten wir niemanden mehr.
Verachten und stigmatisieren tun wir aber immer noch.
Es hat sich nicht alles geändert.
Auch heute finden sich viele darunter,
die immer noch stigmatisiert werden.
Auch die Süchtigen.
In Berlin zum Beispiel ist das Geschrei immer dann laut,
wenn auf den Straßen und Plätzen Junkies und Alkoholiker auftauchen.
*Die müssen da weg* heißt es dann unisono.
Aber nicht nur Suchtkranke, auch Sinti und Roma und noch viele andere aus dieser Liste können da viel berichten.
Wir sind Suchtkranke und
hatten uns dem Tabak und dem Nikotin hingegeben.
Wir sind süchtig geworden.
Auch da heißt es oft,
wenn dann einer von uns an Lungenkrebs oder COPD erkrankt.
Tja, das hat er / sie doch gewusst.
Das weiß doch jeder / jede.
Jetzt wochenlange Therapie, Ärzte , Reha .... was das alles kostet.
Und hilft ja doch nix.
Das gleiche bei Alkohol.
Und oft ist das sogar verständlich.
Wenn mir einer vor 30 Jahren erzählt hätte ich solle aufhören zu rauchen.
Naja, ich hätte gesagt .... Das ist mein Leben und dich geht das nichts an!
Wenn ich dann doch Krebs bekäme,
würde ich das vermutlich anders sehen.
Also schämen wir uns zu Recht?
Ja und Nein.
Ja, weil es stimmt.
Wir sind für die Gesellschaft ein teurer Spaß.
Wegen uns sind vielleicht die Klos in den Schulen kaputt.
Oder die Bundeswehr hat zu wenig Panzer.
Nein, weil Sucht eine Krankheit ist.
Eine Krankheit wie jede andere.
Wenn jemand Krebs wegen des Feinstaubs bekommt,
dann wir der auch behandelt.
Der muss sich ja auch nicht schämen, weil er selber ein Auto hat.
Mein Fazit für heute:
Wenn ihr suchtkrank seid, dann raucht und sauft mit Überzeugung.
Wenn ihr es nicht mehr sein wollt,
hört auf damit und nehmt die Hilfe in Anspruch, die uns allen geboten wird.
lieber Klaus Klauser ,
ich habe über " Schuld" nachgedacht bzw meine Diagnose Arterienstenose , die ich zu Weihnachten in die Krippe gelegt bekam, wirken lassen.
Es ist vielleicht eben der Preis für die Jahrzehnte Qualmerei, mit dem moralischem Begriff Schuld tue ich mich schwer. Zumal heute ständig mit Moral um sich geworfen wird und jeder meint, die einzig richtige und wahre zu haben.
Ja, ich denke und kapiere jetzt, dass es falsch war mit der Giftzuführerei , und wenn ich jetzt nach abgeschlossem Prozess des endgültigen Begreifens wieder anfange, dann wäre ich selbst schuld, wenn sich die Gefäße verschlimmern. Vielleicht ein bisschen mildernde Umstände wegen Suchtkrankheit , mit der ich aber nur mir schaden würde .
Okay, gesellschaftliche Kosten...da muss ich aber ehrlich sagen, dass es für mich größere und ungerechtere Geldausgaben aus Steuern gibt, und dann zahle ich seit ich arbeite Beiträge für den Krankheitsfall. Und dann verdient unser Staat noch am Gift.
Zu Schuld fiel mir noch ein, dass vor 30 Jahren, als gefühlt noch alle rauchten, ich einmal bei Freunden eingeladen war ,meine Kleine war mit, und paar Leute haben im Wohnzimmer gequalmt, weil das so üblich war damals. Ich zu dieser Zeit nicht, aber mir fiel es erst auf, als meine Kleine anfing zu husten.
Ich weiß noch wie entsetzt ich war über meine Unachtsamkeit.
Dem habe ich sie dann nie mehr ausgesetzt. Wenn doch, würde ich von Schuld sprechen, die dann sicherlich Scham nach sich ziehen würde.
Viel geschrieben, aber noch lange nicht fertig mit dem Bedenken .
Gruß aus Konstanz