Ein Tagebuch
Tag 0 Montag.
Alles wie immer. Ich habe reichlich gegessen und gutes Bier getrunken.
Der frische Knoblauch ist etwas dominant.
Vor dem Schlafen gehen noch schnell vor die Tür und eine Zigarette rauchen.
Tag 1 Dienstag
Was ist los? Ich werde wach. In meinem Kopf bilden sich eigenartige Kausalketten. Ich versuche daraus Algorithmen zu bilden.
Ganz klare Optionen, aber so bald ich tief darüber nachdenke, verstehe ich nicht worum es hier geht.
Allerdings ist es scheinbar wichtig.
Meine Eingeweide schmerzen. Im Mund, nein im Kopf im Hals den Geschmack von Knoblauch.
Mir ist kotzübel.
Bin aber zu schwach um irgendwas zu tun.
Schlafe wieder ein.
Ich wache auf.
Es ist Nachmittag.
Mir ist schlecht.
Ich trinke einen Schluck Wasser und schlafe wieder ein.
Die Algorithmen melden sich wieder. Keine Ahnung worum es da geht.
Ich vertraue auf meine Intuition, es geht hier um mein Leben.
Endlose Kausalketten finden sich zu Spiralen, kreuzen sich im Mittelpunkt und verschwinden am Horizont.
Mir ist ein wenig schwindelig.
Ich schlafe wieder ein.
Tag 2 Mittwoch
Es ist sehr früh, ich fühle mich furchtbar erschöpft.
Ich vergewissere mich, das es Mittwoch morgen ist.
Verwundert denke ich, das ich einen ganzen Tag verschlafen habe.
Ich liege im Bett, zu schwach diesen Zustand etwas zu ändern. Ich wundere mich, das ich nicht hungrig bin. Der Algorithmus fällt mir wieder ein. Wie durch einen kalten Nebel blickt er mich an, vollständig aufgelöst, einfach weg. Eine schwache Erinnerung ist da noch.
Es ist mir vollkommen egal.
Der ganze Dienstag, einfach weg. Was war das denn?
Wie geht's mir eigentlich?
Das Kotzgefühl ist weg. Aber der Knoblauch Geschmack ist noch da, nur leicht, aber spüren kann ich den noch.
Wie jeden Morgen denke ich daran eine Zigarette zu rauchen.
Moment, was war eigentlich gestern?
Nix Zigarette. Ganzen Tag im Koma. Heda, ich bin Raucher.
Echt jetzt?
Mir geht ein Gedanke durch den Kopf. Wie wäre es?
Der erste Tag ist der schlimmste.
OK, also heute keine Zigaretten!
Dann ist ja schon Tag 2 rum.
Nach dem Frühstück frage ich mich warum!
Keine Ahnung!
Warum?
Ein Versuch!
Blöder Versuch
Geht gar nicht
Will rauchen.
Nope!
Ob jetzt rauche oder ein Sack Reis....
OK, wird schon irgendwie gehen.
Ich wühle mich durch das Internet. 4 Tage Entzug danach wird's besser.
Nur die Hälfte aller Raucher hat Entzug. Echt jetzt?!
Ich habe doppelt Entzug.
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Eine Woche testen.
Keine Zigaretten Werbung.
Ich brauche eine Strategie.
Nein heißt nein.
Wollen wir doch mal sehen.
Tag 3 Donnerstag
Steh auf und zünde dir eine Zigarette an.
Wie klar das formuliert ist.
Unmissverständlich.
Nope!
Warum tue ich mir das an?
Irgendwas zerreißt mich.
Ich sehe Bündel von Zigaretten. Ich habe 35 Stück im Mund und atme den Rauch ein.
Ich sehe meterlange Zigaretten, die stundenlang brennen.
Ich soll alle Rauchutensilien wegwerfen, packe aber meine Zigaretten in den Koffer.
Dazu das Etui und den kleinen Aschenbecher. Mache ich aber nicht.
Rauchen!
Nope!
Tag 4 Freitag
Rauchen
Nope!
Um mich herum sind Raucher.
Nope!
Nach dem Essen schüttet mein Hirn ein Trommelfeuer aus
Ich bekomme ganz eindeutige Befehle.
Der Geist ist frei...das ich nicht lache.
Wir sind konditioniert.
Sich dagegen zu wehren ist anstrengend. Rauchen ist schon eine freie Entscheidung.
Nicht rauchen auch.
Abends gehe ich ein Bier trinken. Um mich herum rauchen alle wie blöde.
War ich auch so?
Ich lerne ein paar Leute kennen. Alle rauchen.
Ich sage nicht, das ich Raucher bin.
Ja, ich sehe mich immer noch als Raucher, obwohl ich nicht rauche.
Tag 5 Samstag
Sitze im Cafe, neben mir ein Raucher.
Ist mir egal. Ich rieche den Rauch. Es löst nichts aus.
Dann wieder Attacke.
Nope.
Ich habe mich geoutet. Es wird dazu geraten.
Man braucht Zuspruch von den Freunden.
Klappt auch, aber die erwarten jetzt das ich durchhalte. Auch Mist. Die haben keine Ahnung wovon die da reden.
Als ob das so einfach wäre.
Der Befehl im Kopf ist sehr deutlich und extrem resolut.
Zack! Dann flacht es ab und weg ist es.
Aber dann wieder Zack!
ZACK-ZACK-ZACK
Gerade dreimal hinter einander!
Sonst 5 bis 10 mal pro Stunde.
Neben mir sitzt ein Pärchen. Mittelalt.
Sie haben das teuerste Gericht bestellt, eine Fischplatte für 2 Personen.
Sie bekommen zuerst jeder einen Seeigel, den sie tapfer auslöffeln. Dann kommt ein großer gegrillter Fisch.
Der Kellner versucht verzweifelt den Fisch zu filetieren und richtet dabei ein Massaker auf der Platte an.
Meine Bestellung... Fleisch bitte ... wurde verstanden. Ich bekam einen Querschnitt der Küche auf den Teller.
Attacke!
Nope!
Ich denke über eine App nach, die den ganzen Gedanken Müll aufnehmen kann.
So, das ich das den Freunden nicht aufbürden muss.
Attacke
Nope
Gut, wer das hier liest wird sich auch fragen was das soll.
Tag 6 Sonntag
Ich denke darüber nach heute meine restlichen Zigaretten zu verschenken. Immerhin ein Big Pack meiner Lieblings Sorte und ein gefülltes Etui mit derselben Sorte.
Ein ganz mieses Gefühl beschleicht mit. Wegschmeißen würde mir leichter fallen.
Ich finde eine riesige Papiertüte, packe die Zigaretten darein und lege noch ein Feuerzeug dazu
Ich komme mir vor, als wollte ich Whisky im Central Park trinken.
Ein paar Minuten später bestelle ich ein Bier und sitze auf der Terrasse.
Kein Schwein raucht hier?
Hääh??
Wie jetzt, das war sonst nie so.
Da! Hah!
Nee, ein Dampfer.
Mein Bier ist fast zu Ende, die Zigaretten liegen neben mir auf dem Tisch.
Ich denke an das miese Gefühl, als ich das hier plante.
Da sehe ich eine Rauchwolke. Ein Pärchen, sie steht auf und geht in das Café hinein, er lehnt sich zurück, zieht an seiner Zigarette und schaut sehr zufrieden in die Welt.
Ich denke, ok der isses jetzt.
Hi..I have a question.
Der Typ schaut verwundert, nickt aber.
Do you like to smoke?
Der Typ schaut noch verwunderter.
I mean, do you really enjoy smoking?
Yes!
Ok, then I have something for you.
Ich packe die Zigaretten aus der riesigen Tüte und lege sie vor ihn auf den Tisch.
Danach das Etui und zum Schluss das Feuerzeug.
Ich schaue ihn an und sage
That's for you?
Er ist etwas verwirrt und fragt
Why?
Because I stopped smoking!
Seine Freundin kommt zurück. Er zeigt ihr die Zigaretten. Sie freut sich total und zeigt mir ihr Zigaretten Etui.
Ich bin erleichtert, das miese Gefühl am Anfang hatte keine realen Gründe.
Tag 7 Montag
Heute wird die Woche voll.
Ich sitze im Zug und fahre nach Berlin.
Gut, das hier keiner raucht. Zu Hause angekommen werde ich fast wahnsinnig.
Volle Aschenbecher, halbvolle Zigaretten Schachteln.
Diesmal landet alles im Müll.
Tag 8 Dienstag
Die Kraft nein zu sagen lässt nach. Nein heißt nein.
Ich muss an Frauen denken, die andauernd nein sagen müssen.
Irgendwann hat man die Nase voll davon.
Sitze jetzt in einem gemütlichen Cafe. Zum ersten Mal nicht im Rauchersalon.
Tag 9 Mittwoch
Nichts dringendes auf der Jobliste, deshalb lege ich noch ein paar freie Tage ein. Ich treffe eine Freundin zum Cafe trinken. Später sind wir an der Spree und genießen das schöne Wetter.
Alles Normal? Nein, keine Zigarette! Es giepert mich, ja! Aber es ist immer schnell vorbei. Ich müsste es mal stoppen, mit einer Stoppuhr. Hier lese ich immer etwas von wenigen Sekunden oder Minuten.
Schwer zu sagen.
Tag 9 Mittwoch
Nichts dringendes auf der Jobliste, deshalb lege ich noch ein paar freie Tage ein. Ich treffe eine Freundin zum Cafe trinken. Später sind wir an der Spree und genießen das schöne Wetter.
Alles Normal? Nein, keine Zigarette! Es giepert mich, ja! Aber es ist immer schnell vorbei. Ich müsste es mal stoppen, mit einer Stoppuhr. Hier lese ich immer etwas von wenigen Sekunden oder Minuten.
Schwer zu sagen, wie lange es wirklich dauert.
Servus, Klauser1313,
erst einmal Herzlich Willkommen hier!
Klasse geschrieben - da will ich glatt mehr lesen von Dir. Auf jeden Fall halte duch - dafür Alles Gute! Und bereichte weiter von Deinem Weg ins Nicht-Mehr-Raucher-Dasein!
Ciao, Frank
Hi Klaus,
Ich habe dein Tagebuch auch gerne gelesen. Ich finde es schon ganz schön stark, dass du die Zigaretten noch so lange bei dir hattest ohne zu rauchen.
Ich habe am ersten Tag alle Aschenbecher und Feuerzeuge mit einem "Tschüss" so weggepackt, dass ich sie nicht mehr sehen kann (leider sind noch einige Raucher in meinem Freundeskreis, da brauche ich ab und zu einen Aschenbecher). Die Zigaretten habe ich an paar Jugendliche verschenkt, die sich total über die 2 Packungen gefreut haben. Das hat Spaß gemacht und ich hätte es im Gegensatz zu dir nicht mit Zigaretten im Haus ausgehalten.
Du musst unbedingt weiterschreiben, es liest sich toll!
LG Angelika
"Ich habe mich geoutet. Es wird dazu geraten.
Man braucht Zuspruch von den Freunden.
Klappt auch, aber die erwarten jetzt das ich durchhalte. Auch Mist"
Hab mich drin wiedergefunden und musste schmunzeln. Sehr gut geschrieben!!!
Hallo Klaus,
schönes Tagebuch. Ich finde mich in der einen oder anderen Situation wieder. Danke fürs Aufschreiben. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung(en)
LG Elmar
Tag 10 Donnerstag
Irgendwie satt heute. Ein gutes Gefühl.
Die meiste Zeit ohne den Drang eine Zigarette zu rauchen.
Fast schon unwirklich.
Da ist die innere Armada bis an die Zähne bewaffnet und wartet auf die Sucht Attacke.
Und dann? Kommt da fast nix. Frechheit.
Es gibt die Furcht vor dem Gefühl der Entspannung.
Das süße Gefühl des sich treiben lassen.
Die Achtsamkeit ist schnell verloren ..... und dann?
Ein blöder Moment und die Qualen der letzten Tage sind vergeblich.
Das ist aber auch Kacke! Warum geht das nicht einfach so als Genuss?
2 Zigaretten täglich.
Statt dessen total Abstinenz wie bei den Alkoholikern.
Aber ist das nicht schon wieder überholt?
So ein bisschen süchtig kann doch nicht so schlimm sein.
Nur so ein klitzekleines Bisschen.
Aha, da haben wir es. Da ist sie wieder.
Kratzt an der Türe, wie eine verhungerte Katze im Winter.
Wer wird da nicht ein Schälchen Futter anbieten.
Wer wird da nicht eine Decke auf das Sofa legen?
Da, wie sie jetzt schnurrt und wie sie sich räkelt. Satt, warm und zufrieden.
Du lehnst dich zufrieden in deine Polster und begutachtest dein gutes Werk.
Aber, hey!
Moment mal, das ist jetzt nicht lustig.
Die Katze steht vor dir, irgendwie größer, viel größer als vorher.
Sie blickt dir starr in die Augen.
Sie faucht dich an und reißt mit ihren Krallen tiefe Furchen in deine Haut.
Du hast das Gefühl sie lächelt. Es ist ein eiskaltes Lächeln.
Du fragst dich, wem habe ich da einen Platz auf dem Sofa angeboten?
Es riecht nach Tabakrauch.
Du öffnest die Augen, da bist du. Allein auf dem Sofa.
Auf dem Tisch an der Stelle, wo sonst immer der Aschenbecher stand,
steht eine kleine Bonboniere.
Tag 11 Freitag
Bin total happy, das es diese Rauchfrei Seite gibt.
Tolle Leute hier, alle versuchen sich gegenseitig aufzumuntern.
Ich glaube, das hilft gewaltig.
Obwohl die Leute sich hier gar nicht kennen.
Das ist toll.
Danke!
Hallo Klaus,
Du reflektierst Dich und Deine Gefühle toll...mir gefällt das.
Eine Schmachtattacke oder ein Unwohlsein schriftlich umzuarbeiten und dem Ausdruck zu verleihen....eine hier oft genutzte funktionierende Taktik.
Ich bin überzeugt, so hält man die Motivation hoch, auch in schwierigeren Zeiten.
Ich freu.mich, weiterhin von Dir zu lesen.
Schöne Grüße Christian