Durchhalten nach 2 Monaten
Hallo allerseits,
ich habe ziemlich genau vor 2 Monaten aufgehört, von ca. 35 Zigaretten auf Null unter Einnahme von [Produktname vom rauchfrei-Team entfernt; genannter Arzneistoff: Vareniclin] nach 35 Jahren Raucherkarriere. Den körperlichen Entzug habe ich also lange hinter mir. Ich weiß, dass Rauchen mir nicht gut tut, dass ich als Raucherin ein deutlich erhöhtes Krebsrisiko habe, ich weiß, dass sich meine Umgebung belästigt fühlt, dass meine Familie sich Sorgen um mich macht, dass ich mich ausgrenze, wenn ich permanent rauche, weil ich keinen Kinofilm durchhalte, ohne zwischendurch rauchen zu gehen und während der Arbeit jede Stunde raus muss zum Rauchen. Es gibt sicher noch eine Reihe guter Gründe, nicht wieder anzufangen, die mir gerade nicht einfallen. Achja, ich weiß, dass es jedesmal eine elende Quälerei ist, aufzuhören und dass ich [Produktname vom rauchfrei-Team entfernt; genannter Arzneistoff: Vareniclin] im Grunde widerlich finde, ohne sie an aufhören allerdings gar nicht zu denken wäre.
Und dennoch - obwohl ich all diese Dinge genau weiß, obwohl mein Kopf ganz genau weiß und sicher ist, dass es richtig dämlich wäre, wieder anzufangen, dass ich mir jedesmal, wenn ich nach erfolgreichem Entzug wieder rückfällig werde, die Haare raufe vor lauter Verzweiflung, dass ich mir das wieder angetan habe, ich sehe es richtig vor mir -
und trotz alledem würde ich am liebsten sofort in den nächsten Spätverkauf um die Ecke traben und mir Zigaretten kaufen. Als hätte ich die letzte erst vor zwei Stunden ausgedrückt und nicht vor zwei Monaten. Als wüsste ich nicht, welchen Schaden die Dinger anrichten. Als hätte ich vergessen, wie sehr ich mich dafür hasse, so abhängig zu sein. Als wäre das alles nicht wichtig. Ich weiß genau, ich würde die erste Zigarette genießen, vielleicht auch die zweite, vielleicht auch die ganze erste Schachtel. Danach wäre es zum überwiegenden Teil kein Genuss mehr, sondern wieder einmal mehr nur Sucht. Ein Junkie auf der Suche nach dem nächsten Schuss. Ein Raucher auf der Jagd nach der nächsten Zigarette.
Ich hasse es. Nimmt das irgendwann ein Ende? Wird es irgendwann besser? Vor zwei Jahren habe ich schonmal aufgehört - und nach 8 Monaten wieder angefangen. Und auch damals habe ich all das schon gewusst, was ich jetzt weiß. All die guten Gründe, es nicht zu tun. All die rationalen Erwägungen. All die gesundheitlichen Risiken. All das.
Genützt hat es nichts.
Scheiß Sucht.
Einerseits möchte ich nach guten Ideen zum Durchhalten fragen. Andererseits weiß ich jetzt schon, welche Antworten ich erhalten werde. Mehr Sport. Mehr Yoga. Mehr Meditation. Mehr was auch immer. Ich kann es nicht mehr hören. Nicht, dass die guten Ratschläge ernsthaft helfen würden. Aber trotzdem vielen Dank für good intentions.
Ich habe in den letzten 30 Jahren (bis auf einige unbedeutende Pausen) ungefähr alle 30 Minuten innegehalten, um zu rauchen. Nicht lange. Meist nicht länger als 5 Minuten. Bei 40 Zigaretten am Tag sind das über 3 Stunden, die ich jetzt zur freien Verfügung habe. Wie kompensiert man so etwas? Wie kompensiert man 2 x 5 Minuten pro Stunde?
Vielleicht mit Schreiben. Nachdem ich all das aufgeschrieben habe, gehts mir etwas besser. Vielen Dank fürs Zuhören.
Ich versuche es weiter. Ich will wirklich nicht wieder anfangen. Oder ich sage mir, ich fange wieder an, wenn ich 75 bin. Dann kommt es nicht mehr so drauf an. Und vielleicht will ich es bis dahin doch nicht mehr.
Hallo Paul,
vielen lieben Dank für Deine Antwort, die doch sehr aufschlussreich war. Es stimmt, ich hänge ganz tief drin in so einer Schleife á la "und ewig grüßt das Murmeltier"... es ist allen um mich herum und vor allem mir selbst völlig klar, dass ich früher oder später ohnehin wieder anfange, weil es ja bisher immer so gelaufen ist...
es wäre wirklich Zeit, mich und den Rest der Welt zu überraschen und meine Taktik zu ändern. Und ja, es ist nett, die Sucht los zu sein. Mehr oder weniger jedenfalls.
Vielen lieben Dank nochmal. Ich kämpfe weiter für mich. Nicht gegen mich ;).
Hallo Christine,
vielen Dank auch für Deine ausführliche Antwort. Es tut gut, Menschen zu treffen, denen es ähnlich gegangen ist und die wissen, wovon ich rede - die meisten in meinem Umfeld verstehen das nicht mal im Ansatz (was ich wirklich schön für sie finde).
Du hast Recht, Rauchen war für mich immer auch ein Mittel der Verdrängung. Ich ärgere mich über etwas/ jemanden --> Zeit für eine Zigarette. Das funktioniert jetzt nicht mehr, und ich bin gezwungen, mich mit Problemen auseinanderzusetzen, statt sie einfach wegzurauchen. Das ist ein echtes Problem, wo ich doch bisher der Meister im Verdrängen war, das macht mir richtig Angst.
Liebe Cosmaaa,
wie gut, dass Du Dich hier angemeldet hast! Herzlich willkommen in unserer Gemeinschaft.
Wo fange ich an?
Ok, als erstes, ich bin nicht (die von Paul genannte) Lotsin Heike . (Bei dieser Gelegenheit: liebe Grüße an Euch beide.... ).
Von uns Lotsinnen und Lotsen gibt's ja noch n` paar mehr....
Aaaaber, auch ich habe mich irgendwie sofort bezüglich Deines Eingangstextes in großen Teilen wieder erkannt!
Ich habe selbst über 22 laaaaange Jahre gut und gerne 20 Zigaretten pro Tag geraucht. Und zwar jeden einzelnen Tag. Es gab nicht einen einzigen Tag ohne Zigarette. Was ist dann passiert? Ich bin akut erkrankt, das Rauchen verbot sich quasi. Jetzt sind's bei mir gut dreieinhalb Jahre, in denen ich rauchfrei bin. Und was soll ich sagen? Ich fühle mich mehr als gut damit. Auch wenn das ein längerer Weg war, bis ich zu dieser Erkenntnis kam....
Du bist jetzt knapp zwei Monate rauchfrei-super gemacht Cosmaaa! Welche Vorteile hat das bisher für Dich gebracht? Und was erhoffst Du Dir diesbezüglich noch für die Zukunft?
Du bist auf einem guten Weg Cosmaaa! Alles im Soll. Der Weg des rauchfrei-werdens ist defacto ein recht langer und auch zeitweise ein mit Felsbrocken gepflasterter, ich weiß. Das war bei mir nicht anders. Es gibt "Scheißegal-Tage" (gefährlich....), regelrechte "Trauer-Tage" (mein Leben wird nie wieder schön ohne Zigarette), "genervt/gereizt-Tage" ( Lasst mich alle in Ruhe....) und auch die Tage, in denen sich alles nur ums Rauchen dreht.
Kennst Du, oder?
Aber zur Wahrheit gehört auch, dass die Intensität immer weiter nachlässt. Zum Glück spielt die Zeit für uns!
Den Gedanken "mit 75 Jahren fange ich wieder an", hatte ich übrigens auch.... Das hat mir diese bedrohliche Endgültigkeit genommen und mich etwas milder gestimmt. So kann man von einer etwas längeren "Pause" sprechen. Hey- wenn's hilft, alles gut! (Öhhhhm, ganz ehrlich, ich glaube kaum, dass ich mir zum 75. eine anstecken werde, aber egal..... )
Hab` Geduld mit Dir liebe Cosmaaa, das wird. Keine Sorge. Bis ich mich ehrlich freuen konnte, nicht mehr zu rauchen, sind mehrere Monate bis etwa ein Jahr vergangen. Dieser Prozess verlief ganz schleichend, es wurde immer besser.
Auf jeden Fall kann ich Dir sagen, dass es sich lohnt, das jetzt einmal durchzuziehen. Und das geht am besten mit Gleichgesinnten zusammen. Mir hat dieser Austausch sehr geholfen. War die "halbe Miete", wie man so schön sagt.
Empfehlen kann ich Dir auch unseren Chat, der immer am Dienstag ab 20:00 Uhr beginnt. Den Eingang findest Du unter Community rechts im Themenblock. Du müsstest Dich vorher kurz aus- und wieder einloggen (technisches Maröttchen dieser Internet-Präsenz ). Wir können uns da in Echtzeit austauschen, und ein Experte moderiert und beantwortet Fragen.... Komm` gerne vorbei!
Und noch was.... Keine Sorge, ich will Dir jetzt kein Sport-Programm einreden oder Dir Ablenkung-Manöver eintrichtern. Ich glaube nicht, dass das Dein Problem ist.
Aber was anderes-Wie sieht's bei Dir mit Belohnungen aus? Tust Du Dir zwischendurch was Gutes? Gönnst Du Dir was? Genuss hebt die Stimmung und tut gut! Und hebt auch immer ein bisschen die Moral...... Keine Idee? Dann schau` Dir mal diese Liste der Uni Münster an....
http://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/psychotherapie_ambulanz/aktivit__tenliste.pdf
Ich würde mich freuen, mal wieder von Dir zu hören!
Liebe Grüße sendet Dir Silke
Hallo Silke,
also gut, was bringt mir das nicht rauchen.
Als erstes fällt mir dazu ein: GELD. Das sind bei meinem ehemaligen Zigarettenkonsum so um die 300 Euro monatlich, die ich gerade frei und froh für alles mögliche andere ausgebe - Kosmetik, Urlaub, Bücher, der 16. Geburtstag meines Sohnes fiel äußerst üppig aus - gerade bin ich nicht knausrig und freue mich darüber, dass ich es kann.
Natürlich gibt es eine Menge Dinge, die sich nicht kaufen lassen. Auf Arbeit nicht mehr ständig raus zu müssen und sich dabei scheele Blicke der Kolleg*innen (gendert man so?) einzufangen. Der Geruch verschwindet bzw. ist inzwischen schon weg - kurz nach dem Aufhören hatte ich das Gefühl, ich brauche ein neues Auto, weil meines recht unangenehm nach kaltem Rauch stank. Ich selbst rieche nicht mehr nach Rauch, ebenso meine Wohnung. Überhaupt das Haus verlassen zu können, ohne als erstes an die Zigaretten zu denken. Nicht diesen Drang zu haben, alle 30 Minuten alles stehen und liegen lassen zu müssen, um rauchen zu können. Nicht mehr abhängig zu sein. Die permanente Angst vor den gesundheitlichen Folgen, die ich immer verspürt habe...
Keine Zeit zu verschwenden. Sehr viel Zeit. Immer nach dem Motto: dies oder jenes tue ich gleich, nur noch eine rauchen.
Mein Sohn freut sich und ist stolz auf mich, der Rest meiner Familie freut sich auch (sie sind skeptisch, aber sie freuen sich trotzdem - vorerst;).
Der Nachteil, der mir gerade wieder sehr zu schaffen macht: Ich nehme fleißig zu, was wirklich übel ist, da ich ohnehin bereits recht vollschlank bin - ich habe schon ein paarmal versucht aufzuhören, was jedesmal mit recht beachtlichen Gewichtszunahmen einherging, die ich nie wieder losgeworden bin. Das stellt ein echtes Problem dar, und ich weiß noch nicht, wie ich das diesmal besser machen kann als all die anderen Male. Ich habe schon mehr als einmal wieder angefangen zu rauchen, um die Gewichtszunahme zu stoppen.
Well, ich habe das Gefühl, das klingt alles nicht so begeistert, wie es sollte. Ich kann in den letzten Tagen auch nicht viel Begeisterung spüren, ich bin anscheinend gerade in der "Trauer-Phase". Trotz all der rationalen Gründe... ich habe das Gefühl, das Rauchen ist so tief in meinem System integriert, dass ich es nie ganz loswerden werde. Das immer etwas fehlen wird. Im Moment fehlt es gewaltig. Vielleicht ist es aber auch das Wetter, diese warme lähmende Schwüle, die mich gerade in den Wahnsinn treibt.
Anyway, sorry, fröhlicher wird es heute nicht mehr. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen freue ich mich, wenn wir uns weiter austauschen können, die Schreiberei hilft. Wenigstens ein bisschen.
Herzliche Grüße
Cosmaaa
Hallo Cosmaaa,
einiges von dem was du schreibst hätte ich auch schreiben können. Nun will ich nicht mit klugen Sprüchen kommen, die du sicher alle schon kennst. Aber ein Gedanke, der mir beim Lesen hier kam will ich dir mitteilen. Du könntest etwas von dem gesparten Geld und von der gesparten Zeit darauf verwenden dich "gesünder" zu ernähren. Wenn das gut läuft, bekommst du auch dein Gewicht besser unter Kontrolle. Was meinst du?
Viel Erfolg in Allem wünsche ich dir
Lieber Bolando,
Tipps wie "Ernähre dich doch einfach gesünder" sind ungefähr im Bereich "Rauch doch einfach weniger" oder "Spritz doch einfach kein Heroin" oder "Lass doch einfach die Finger vom Alkohol" angesiedelt. Alles grundsätzlich richtig, aber wenig hilfreich. Ich weiß theoretisch, wie's geht und könnte vermutlich Bücher zum Thema gesunde Ernährung schreiben, was leider nichts daran ändert, dass es an der praktischen Umsetzung hapert. Ich bin dabei, zusammen mit meiner Familie ein realisierbares Konzept für mich zu erarbeiten, insofern bitte keine weiteren Tipps wie "mach mehr Sport" oder "iss mehr Gemüse". Aber grundsätzlich vielen Dank für deinen Beitrag.
Herzliche Grüße
Cosmaaa