Mein kleines, dunkles Kämmerchen
Eigentlich wundere ich mich, dass ich mir nicht schon längst eine angezündet habe. Normalerweise müsste nämlich nach den alten, eingefahrenen Denkmustern, angestachelt von einem ziemlich trotzigen Trotzkopf, schon längst das Selbstzerstörungs-Programm abgefahren werden: Eine Trennung wär mir aus verschiedenen Gründen 'ne Nummer zu groß. Weiss nicht, ob ich das verkraften würde. Dann doch lieber die COPD beschleunigen? Um mich schneller aus der Verantwortung zu ziehen? Um über die Mitleidstour vielleicht eine Trennung - die mir eigentlich manches auch einfacher machen würde - zu verhindern? Was würde im Falle einer Trennung auf mich zukommen? Es müsste geklärt werden, was mit der noch nicht abbezahlten Eigentumswohnung passiert, mein Frau würde wahrscheinlich versuchen, mich finanziell reinzuhauen, ich würde mich den Rest meines Lebens mit einem schlechten Gewissen arrangieren müssen .... Würde ich das alles verkraften?
Und trotzdem ... Trotzdem habe ich noch immer keine geraucht ... Steckt da vielleicht mehr hinter diesem "trotzdem" ... Vielleicht ein Hauch von Lebenswille? ... Ich weiß es nicht ... Ich weiß im Moment nur, dass ich trotzdem erstmal weiter machen werde ...
Hallo Ilona,
Du hast in der gleichen Zeit geschrieben, als ich selber geschrieben habe. Danke, dass du mal wieder da bist, wenn ich es brauche.
"Es ist für dich die Zeit, wo sich so einiges ändert."
Genau das ist der Punkte. Diese Änderungen haben schon im Sommer während meines ersten Klinik-Aufenthalts, angefangen. (Wahrscheinlich schon viel früher, aber da hat es sich in Depressionen und Angstzuständen ausgedrückt.) Ich habe seit dem letzten Sommer therapeutisch sehr intensiv an mir gearbeitet, und ich bin stolz, dass ich es geschafft habe, mich aus einem tiefen, engen, dunklen Loch rausgeholt zu haben. Der Rauch-Stop ist insofern nur eine Verlängerung der Veränderungszeit. Problem ist halt nur, dass meine Frau diese Veränderungen nicht durchgemacht hat. Sie kommt nicht klar mit dem, der ich geworden bin. Sie kommt aus dem ehemaligen Jugoslawien, sie braucht ständig Leute um sich, Brauch es laut und lebendig, während ich halt immer schon eher zurückgezogen war. In der Therapie habe ich "Selbstfuersorge" gelernt, für sie ist es Egoismus.
Wie gesagt, im Moment weiss ich noch nicht, wie es weiter geht, es wird eh noch ein längerer Prozess werden, aber inzwischen schließe ich eine Trennung auch nicht mehr kategorisch aus. "I will survive ..." Immerhin sollte man das als Möglichkeit im Hinterkopf behalten und nicht gleich verwerfen.
So genug erstmal von dem Schwerenöter ... Danke dir ...
LG Andreas
Hallo Andreas,
nun muss ich dich doch einmal in deinem doch sehr warmen und gefühlsbetonten Wohnzimmer besuchen kommen. Deine Zeilen sind sehr rührend und zeigen mir, wie viel sich doch im inneren eines Menschen bewegt, wenn er sich mit seiner Sucht und im Grunde seiner selbst auseinander setzt. Ich glaube, dass diese Fragen des Lebens genau in diesen Momenten neue gewichtige und eine anders geartete Rolle spielen. In der Situation, wo man sich normalerweise rauchend in der Ecke zurück gezogen hat, immer nur abgewartet hat und Entscheidungen wurden von höheren Instanzen über den eigenen Kopf hinweg entschieden. Wie du so treffend schreibst, soll doch lieber durch das Rauchen und die COPD meine eigene Lebensentscheidung beschleunigt und woanders entschieden werden. Und hier stelle ich genau den gewaltigen Unterschied fest, gerade bei lebensentscheidenden Fragen. Es geht um dein Leben. Durch die neu erlangte frei getroffene Entscheidung und Freiheit, durch das nicht mehr rauchen, bin ich für mein eigenes Leben selbstsicherer, lebensfroher und vor allen Dingen selbst bestimmter geworden. YES. Was würde den passieren, wenn du dir jetzt eine anzünden würdest? Man würde wieder den Kopf in den Sand stecken und zu sich sagen, ich kann das Leben selbst nicht ändern und muss alles so hin nehmen, wie es kommt, oder? Zurück in das dunkle Kämmerchen. Das stimmt aber nicht!!!
Und genau, dass wird einem in diesen Situationen mehr als bewusst. Man wächst über sich hinaus und sieht die Dinge anders. So ergeht es mir jedenfalls und ich hoffe, dass du auch davon etwas mitnehmen kannst.
Was ist also die Quintessenz? Wenn dir etwas an deiner Ehe liegt, nehme die durch das "nichtmehrrauchen" gewonnenen Energie und Kämpfe um Sie, kämpfe um deine Frau. Nehme es selber in die Hand. Weil genau dieses Trotzdem "Trotz" macht nun den Unterschied. Genau das haben wir zuvor immer gerne ausgeblendet, obwohl wir es im inneren gewusst haben.
Und wenn du weißt, dass durch die Vergangenheit und die Geschehnisse der letzte Kampf schon gekämpft ist, dann lasse los und schwimme selbstsicher zu neuen Ufern. Sich eine anzuzünden wird dich nur in dein dunkles Kämmerlein zurück führen und deine gewonnene Selbstachtung und Selbstsicherheit wieder zerrinnen lassen.
Egal, was du jetzt zu tun gedenkst, eine Zigarette wird dir in dieser Situation nicht helfen und keine Stütze und Kraft geben, eher im Gegenteil. Bleibe einfach in dieser Sache jetzt Stark, damit du auch in deinen anderen Lebenssituationen gerade jetzt stark und vor allen Dingen anders agieren kannst. Die Veränderung annehmen ;-)
Drücke dir ganz doll die Daumen und kann sehr gut nach empfinden, wie es dir jetzt ergeht.
Gruß
HP
Leider eher: schwer in Nöter! Aber dass du für dich an erster Stelle stehen musst ist absolut Fakt. Denn tust du das nicht, dann kann Leib und Leben für dich in Gefahr sein. Nur ein Andreas, der sich in Ornung gebracht hat, sich auf Linie am bringen ist, nur ein solcher kann in der Zukunft sowohl für sich als auch für andere da sein.
Tja, da hast du letztes WE den harten Entzug vom Pflaster a. dir vorgenommen und b. voll durchzogen. Und nun Spot an für diese Sache. Du bist gut strukturiert, du wirst ein a., b., c., .... überlegen in deinem Kämmerchen und dann rausgehn und das leben, was zu leben ist.
Ich danke euch allen für's Da-Sein.
Andreas, mir sind 2 Dinge hängen geblieben. Die Finanzen. Du traust deiner Frau zu, dass sie dich ausnehmen würde? Das spricht dafür, dass es um euer Verhältnis tatsächlich nicht sonderlich gut bestellt ist. Alleine, dass du ihr das zutraust, find ich bemerkenswert, und das stellt für mich jegliche "Rettungspläne" in Frage. Über alles andere kann man reden, Kompromisse finden, wenn man es denn will, ggf. in gemeinsamen Gesprächen bei einem Mediator erstmal eine Richtung herausfinden, in die es gehen soll. Dies setzt aber ein gewisses Grundvertrauen von beiden Seiten voraus.
Puh, das klingt echt kompliziert und schwer auflösbar. Bloß gut, dass wir hier nur fürs Nicht-mehr-Rauchen zuständig sind - - Aber hey, das Nicht-mehr-Rauchen, das machst du richtig, richtig gut. Da ziehe ich, insbesondere vor diesem Hintergrund, ganz gewaltig meinen Hut.
@janipiep: "Du traust deiner Frau zu, dass sie dich ausnehmen würde."
Meine "Unterstellung" bezieht sich auf eine entsprechende Aussage, "Androhung", meines Schwagers vor ein paar Jahren, als wir schon mal Probleme hatten. Ist also nicht ganz aus der Luft gegriffen.
Aber noch bewegen wir uns sowieso im Spekulativen. Würde mich aber nicht unbedingt wundern, wenn die Familie versuchen würde, mir das Leben schwer zu machen.
Die Auseinandersetzung mit meiner Frau war heute zu heftig!!! Ich habe immer nur rausgehört "Du bist schuld! Du bist schuld! Du bist schuld!" Wie viel davon nur meine Wahrnehmung war, weiss ich nicht. Sicher ist es auch ein Teil in mir selbst, der sagt: "Du bist schuld!" Aber es kam z.B. auch die Aussage: "Wegen deiner Scheiss Krankheit (Depression, Angstzustände) bin ich jetzt auch kaputt. Immer geht's nur um deine Krankheit." (Womit sie vielleicht gar nicht mal so unrecht hat.) Ich bin jetzt seit drei Tagen, seitdem das Thema Trennung im Raum steht, ständig im Panik-Modus: Heulen, Zittern, Hyperventilieren. Bin ich denn wirklich so unerträglich, als Ehemann ein Versager? Tatsache ist, dass ich mich seit den Therapien noch mehr zurückziehe, Tatsache ist auch, dass es nicht unbedingt Liebe ist, was mich mit meiner Frau verbindet, und Tatsache ist auch, dass ich emotional recht distanziert bin. Wie ich unten schon geschrieben habe, ist der Grundkonflikt der, dass meine Frau es eher laut und lebendig und viele Leute braucht, während ich in meiner Freizeit lieber meine Ruhe haben und was für mich tuen will. Gerade nach den Therapien geht es hier um "Selbstfuersorge versus Egoismus". Wenn ich mein Leben so gestalte, dass ich gut mit mir klar komme, auf meine Bedürfnisse achte, ist es in den Augen meiner Frau Egoismus. Am Ende der Reha hatte ich schon die Befürchtung, dass meine Frau nicht mit dem Mensch klar kommt, der ich durch die Therapien geworden bin. Die Vernunft würde sagen, besser, wir gehen getrennte Wege. Aber nach über 30 Jahren Ehe, in unserem Alter ...
Ich möchte jetzt nicht unbedingt Antworten von euch oder Trost. Ich hab das hauptsachlich geschrieben, weil ich mir dann doch eine Cigarrilo angezündet, nach ein paar Zügen aber gedacht habe, lieber schreiben, als rauchen.
Ich habe Angst vor dem, was auf mich zukommt.
Guten Morgen Andreas,
ich hoffe, dass du weitermachst mit dem NMR. Dass diese paar Züge plus der aktuellen Situation um dich rum dich nicht wieder zum Raucher gemacht haben. Noch dazu dieser Eintrag bei dir gestern Abend, den man am besten einfach ignoriert. Ich bin weiterhin ganz gut Herr der Lage und werde bald mein erstes Vierteljahr vollenden.
Ich wünsche dir einen guten und ruhigen Tag.
Ilona
Hallo ihr Lieben,
Ach, eigentlich hat Einbaumkuchen auch nicht so ganz unrecht. Ich suhl mich wohl schon ganz gerne im Selbstmitleid und lass mich gerne mal bedauern. Was hier im Forum ja auch ganz gut funktioniert. Dabei kommen solche Beziehungsprobleme global gesehen millionenfach, wenn nicht milliardenfach vor. Also nichts besonderes. Aber es ist halt der momentane Rahmen, in dem ich Versuche, mit dem Rauchen aufzuhören. Und Ehekrach ist eigentlich DIE klassische Rauch-Situation! Bis jetzt ist es aber bei den wenigen Zügen geblieben, ich lass meinen Zählerstand erstmal so stehen. Hoffe nur, dass ich auch weiter durchhalte.
Werde mich aber vielleicht in nächster Zeit nur noch sporadisch melden, im Zug mal winken, nicht wegen EBK, sondern weil es mir langsam zu viel wird.
Wünsche euch auch weiterhin Erfolg und Danke für die "Anteilnahme"
Bis demnächst
Andreas