irgendwie möchte ich - irgendwie auch nicht
Hallo zusammen,
ich bin schon im Februar Zug zum aufhören, hatte dann aber hier gelesen, dass man sich ein eigenes "Wohnzimmer" anlegen kann. nun ja, dann tue ich das mal außerdem.
ich bin 41 jahre alt, rauche seit über 25 jahren ca. 20Zigaretten/Tag. also viel zu lange und zu viel.
Seit einer Woche bin ich rauchfrei aufgrund einer Zahn OP.
Leider fällt es mir super schwer und ich habe an manchen tagen das Gefühl in echte Depressionen zu fallen, weil mir das rauchen so fehlt. ich bin fast schon traurig das ich nun auf dauer nicht mehr rauchen soll.
Total bescheuert - ich weiß - aber so sind meine Gefühle derzeit.
alle guten Vorsätze, alles was man über die Gesundheit weiß etc.... irgendwie zählt das gerade nicht mehr. einzig alleine der gedanke an Zigaretten. und zwar so gut wie den gesamten tag.
ich versuche natürlich mich abzulenken etc, aber es fällt mir soooooo schwer.
gab es bei euch einen bestimmten Zeitpunkt an dem "das schlimmste" überstanden war?
VG
Liebe Eva,
herzlich Willkommen hier und schön, dass wir eine weitere Mitstreiterin im Februarzug haben!
Ich möchte dir hier in deinem Wohnzimmer für deine Offenheit danken. Dass du das Rauchen so schmerzlich vermisst, ist mir leider auch nicht fremd. Für mich standen Zigaretten immer für "Freude" und "Entspannung". Ich erinnere mich an absolute Glücksgefühle, die ich beim Rauchen einer Zigarette in der richtigen Situation fühlen konnte. Bei mir ist es jetzt das erste Mal, dass ich diesen Verlust-Gedanken endlich mal nicht habe, aber das bedeutet leider ja auch nicht, dass ich deshalb nicht wieder anfangen könnte oder besser gewappnet bin als du gegen jedwede Versuchung.
Jedenfalls kenne ich dieses Gefühl nur zu gut: Nichts macht mehr richtig Spaß. Alles ist so blass geworden. Diese tollen, einzigartigen, fröhlichen, lebensbejahenden Momente mit Zigarette in der Hand (etwas paradox, wenn man es sich recht überlegt, aber gut) ... die fehlen mir einfach! Hilft nichts zu wissen, dass das bescheuert und dumm ist - ist halt so!
Abgehalten zu rauchen tut einen vielleicht dieser Gedanke: "Lieber etwas weniger Spaß als gar kein Spaß, nämlich wenn du krank oder tot bist?" Dann hat der Verstand über das Gefühl und die innere Trauer gewonnen.
Und es dauert, aber die Trauer ist tatsächlich verblasst mit der Zeit - das kann aber tatsächlich Wochen anhalten. Meine Rückfälle lagen aber dann schlussendlich nicht darin begründet, dass ich keine Freude mehr im Leben gespürt habe, sondern weil ich leichtsinnig geworden bin - der Rückfallgrund Nummer 1 nach mehreren Monaten Rauchfreiheit, schätze ich.
Denke daran, als du ein Kind warst. Wie glücklich konntest du als Kind sein? Hast du dabei geraucht? Nein. Jeder Mensch kann ohne Zigarette glücklich sein. Der Mensch ist ja nicht als Raucher oder Trinker geboren. Und wenn die Sucht nachlässt, dann können auch Ex-Süchtige wieder glücklich sein. Man muss nur Geduld mit sich haben. Leider liegt in der Natur des Menschen die Sucht. Auch das ist etwas Menschliches. Aber abstrahieren und reflektieren können - das sind unsere Waffen. Du hast sie in der Hand. Dafür ist dieses Forum da. Hier kannst du darüber reflektieren, was die Sucht mit dir macht, was sie dir über dich selbst sagen will und dass sie kein Teil deines Selbst ist. Ist sie nämlich nicht. Beziehungsweise kann man sich ändern und dann ist sie es nicht mehr.
Je mehr du diese Gedanken positiv annehmen kannst, umso schneller wird es dir besser gehen. Leider kann man das nicht forcieren. Aber man kann daran arbeiten.
Dann ist es eben jetzt so: Lasse dich in den nächsten Wochen von deiner Vernunft führen. Vertraue bei diesem Thema ausnahmsweise nicht deinem Bauch. Da sitzt die Sucht und hält dein Gefühlsleben umklammert. Lass dich von der Vernunft führen, bis sich Gefühl und Bauch wieder mit dem Verstand vereinen können. Dieser Tag wird kommen und dann bist du wieder ganz und ganz du selbst. Im Moment sind wir alle (und vor allem wir neu Zugestiegenen) eben oft "gespaltene Persönlichkeiten", gespalten in Herz und Verstand. Aber das ist nur eine Phase. Sobald man der Sucht nachgibt, ist man zwar sofort wieder "ganz" aber eben doch nicht ganz, denn deine Vernunft wird vielleicht kurz schweigen, aber nicht für ewig. Wenn du also Gedanken zum Aufhören hast, ist eigentlich der einzige Weg um irgendwann und langfristig und wirklich wieder glücklich sein zu können: aufhören.
Uuuh, das war jetzt ein bisschen esoterisch, aber ich hoffe, du verstehst, was ich meine.
Alles Gute
Annie
Liebe Eva, liebe Annie,
ich lese grade ganz gespannt mit, weil mich dieses Gefühl in den ersten Tagen auch recht stark begleitet hat, dass das leben ohne Zigaretten zukünftig weniger schön, weniger intensiv, weniger euphorisch zu spüren sein könnte...
Das Gefühl ist rasch weniger geworden, viel viel weniger und mir hat das geholfen, was du liebe Annie vorschlägst: Verstand vor Gefühl und mir klarmachen: Nicht die Erlebnisse wurden durchs Rauchen schöner, sondern der Glanz der schönen Erlebnisse hat ganz einfach auf das allgegenwärtige Rauchen abgefärbt... Ich hab mir vorgestellt, das hätte zum Beispiel mit einer Kartoffel genauso gut funktioniert.... Wie bei Pavlov und seinem Hund, der so konditioniert wurde, dass ihm auf einen Glockenton der Speichel im Mund zusammengelaufen ist, nur deswegen, weil ihm zuvor oft genug der Glockenton zusammen mit Futter präsentiert worden ist. Recht viel anders haben wir Raucher auch nicht gelernt, Zigarette und Schönes zu verbinden, obwohl zwischen beidem kein kausaler Zusammenhang besteht... Was meine Kartoffel betrifft (wahlweise auch Tennissocke, Luftpumpe, ...)
Hätten wir
nach Beendigung des Kreativprojekts zur Feier des Tages stolz erstmal die Kartoffel rausgeholt und dran geschnuppert
beim tiefschürfenden höchtsphilosophischen weinseligen Gespräch mit unserem/r Seelenverwandten die Kartoffel rausgeholt und dran geschnuppert
nach durchtanzter Nacht, raus aus dem Club erstmal die Kartofel rausgeholt und dran geschnuppert,
an einem wunderschönen Frühlingstag in die Sonne geblinzelt, erstmal unsere Kartoffel rausgeholt und dran geschnuppert,
nach bestandener Prüfung erstmal die Kartoffel rausgeholt und...
Hätten wir uns all das so antrainiert, welch glückseliges Verlangen würde der Anblick einer Kartoffel wohl in uns auslösen....
Ich weiß, das ist jetzt alles sehr verkürzt (und ignoriert, dass grade in den ersten 14 Tagen das Nikotin eine gewichtige Rolle spielt), aber mich hat der Gedanke immer zum Schmunzeln gebracht und mir die Absurdität dessen, vor Augen zu führen, was mein entzugsgeschwächtes Gehirn durcheinandergebracht hat...
Liebe Grüße und gutes Stand-halten!
Aja
Hallo,
wow, was für tolle aufmunternde Worte von euch 2. Das hilft mit gerade sehr. Vor allem zu wissen das man mit diesen Gefühlen nicht alleine ist. dann kommen sie einem auch schon gar nicht mehr so komplett bekloppt vor.
In dem Buch "endlich Nichtraucher " steht übrigens zum Thema Rauchen und glück, das man durch das Rauchen nur glück empfindet, weil man vorher verlangen und sucht gespürt hat und diese durch das Rauchen ja kurzfristig befriedigt. Angeblich soll ja aber der stress etc abnehmen umso länger man nicht mehr raucht. ich bin gespannt und warte in freudiger Erwartung auf diesen tag ;-)
vorhin war ich echt kurz davor mir eine anzustecken, aber eure Worte haben mich davon abgehalten. Auf jeden fall für heute :-) und hoffentlich auch die nächsten tage
Ganz liebe Grüße
Sorry, liebe Eva,
ich habe Dir versehentlich was im Zug gepostet. Sollte eigentlich in Deinem Wohnzimmer landen. Ich wünsche Dir noch einen schönen Abend.
Liebe Grüße
Armin
Hallo liebe eva,
schön, dass Du Dir auch ein "Wohnzimmer" hier eröffnet hast. So bist Du jetzt auch direkt erreichbar.
Und erstmal herzlichen Glückwunsch zu einer Woche rauchfrei! Da hast Du ja mal einen Start hingelegt!
Und direkt mal eine erste richtig gute Antwort bekommen- das mal eben an Annie_Mohn. Kann ich mich auch so drin wieder finden, wirklich. Auch bei mir war das oft harte Arbeit- besonders für meinen Verstand......
Und ehrlich, dass Rauchen eines der schlechtesten Dinge sind, die wir unserer Gesundheit antun können, wusste ich auch 22 Jahre meiner Raucherzeit. Irgendwann kommt dann das Umdenken- bei Dir kam wohl der Kick durch eine Zahn- OP. Ein guter Anlass!
Bei mir war`s eine akute Erkrankung, die mich erstmal quasi zwang, rauchfrei zu leben. Und jetzt bin ich so happy, dass es dabei geblieben ist!
Diese Trauer, die Du empfindest kennen auch viele hier. Es ist wie ein Abschied. Ein guter Freund, den man jetzt weg schickt. Mit dem man doch so viel zusammen durch gestanden hat. Diese Gedanken sind nicht bescheuert, für Dich ist das gerade absolut real. Ich habe auch solche Denkmuster in mir gehabt und kann das absolut nachvollziehen. Natürlich wissen wir gleichzeitig, dass es Unsinn ist, aber es zeigt auch, wie tief Sucht verankert sein kann .
Wenn Deine Trauer um die Zigarette einen für Dich zu großen Raum einnehmen sollte, kann es auch gut tun, einen "Abschiedsbrief an die Zigarette" zu schreiben. Das kannst Du ganz für Dich alleine machen, oder auch hier in Deinem Wohnzimmer.....
Im Alltag war die Zigarette irgendwie immer dabei, zu jeder Gelegenheit. Es gibt also ganz viele Momente, die uns da ständig triggern und das ist schon eine Herausforderung- aber- Du hast es Dir sicher fast gedacht- machbar und zu schaffen!
Das Rauchen zu verlernen ist das Ziel, und das dauert einfach seine Zeit. Aber genauso funktioniert es nachhaltig. Ablenken, kleine alltägliche Situationen umbauen (zum Beispiel Deinen morgendlichen Kaffee woanders einnehmen, mit einer Zeitschrift vielleicht.....).
Und auch ganz wichtig- vor allem für die Stimmung (die ist ja gerne mal im Keller....)- Genüsse und Belohnungen! Unser Belohnungssystem ist ja extrem gut trainiert als Ex- Rauchende, das gilt es aufzufangen. Was könntest Du Dir zwischendurch gönnen? Da gehen auch Kleinigkeiten..... Hast Du Ideen?
Mach`s Dir schön, Du hast es Dir verdient!
Vielleicht hast Du ja Lust, morgen mal in unseren Chat zu kommen. Ab 20:00 Uhr, begleitet durch einen Experten. Sind immer Userinnen und User da und man kommt direkt ins Gespräch....
Vorher nur eben aus- und wieder einloggen (technisches Ding).
So, ich beende mal meinen Aufsatz, sonst vergeht die Lust auf`s Lesen.....
Liebe Grüße, Silke
Liebe Silke,
Vielen Dank. Ich bin immer noch rauchfrei. Kann es selber kaum glauben, heute waren mehrere schwere Situationen in welchen ich wieder fast zur kippe gegriffen hätte.
Aber ich habe durchgehalten.
Mit schlechter Laune,aber durchgehalten
Hallo,
Ich bin nach über 30 Jahren und bis zu 30 Zigaretten täglich Nichtraucher..das schlimmste am aufhören war die Angst...was jetzt ???? Ich musste dazu bereit mein Leben zu ändern...eine rauche ich noch Dann geht's los..bevor wir los fahren eine noch rauchen usw...kennen wir alle...
Dann passierte folgendes ..mein Partner (noch nie geraucht ) und ich waren eingeladen ...privat Party...nicht ein Raucher...
Nach dem Essen öffnete ich meine Handtasche wollte meine Zigaretten nehmen und raus gehen ...ich konnte mich selber riechen ...mein schickes Kleid die offene Handtasche..alles roch nach kaltem rauch ...ich habe mich zu Tode geschämt obwohl keiner damit ein Problem hatte..
Anstatt morgens 1 Std zu rauchen gehe ich länger unter die dusche ...gesichtspackung ..Haare etc.. ich huste nicht mehr ..alles riecht gut..gehe mit meinem Hund viel öfter raus ...meine Freundin sagt das ich nicht mehr grau im Gesicht bin .....
Es ist nicht einfach aufzuhören ..doch es lohnt sich ..
Liebe eva,
ok, auch wenn die schlechte Laune dabei war, (vielleicht sogar noch mit ner Prise Ungeduld und einem Hauch Streitlust? So habe ich meine Umwelt zu Beginn meines Rauchstopps beglückt.....:wink.... Super, dass Du stark geblieben bist. Jede Situation, die Du bewusst ohne Zigaretten wuppst, entfernt Dich mehr von dem Gift .
Was hat Dir geholfen?
Kennst Du die Liste der angenehmen Aktivitäten von der Uni Münster?
http://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/psychotherapie_ambulanz/aktivit__tenliste.pdf
Da findet man so viele kleine Möglichkeiten der Auszeiten und Belohnungen, auf die man gar nicht immer selbst kommt. Selbst in diesen Zeiten geht da ganz viel......
Ich wünsche Dir einen schönen Tag!
Liebe Grüße, Silke
Liebe eva,
habe Dich gerade im Zug gelesen... Hut ab für Deine Offenheit!
Magst Du erzählen, was passiert ist? Und vor allem- welche Umstände dazu geführt haben?
Auch wenn`s schwer sein mag, ärgere Dich nicht zu sehr. Nimm`s als Erfahrung mit.
Was ist jetzt Dein Wunsch? Was ist Dein Ziel? Willst Du direkt anknüpfen?
Diese Sucht ist einfach heftig, ein Stolperer kann da einfach passieren.
Krönchen richten und weiter?
Du schaffst das!
Liebe Grüße, Silke