Aufbruch 2.0
Oh man,dein Besuch hat deiner Mutter bestimmt sehr gut getan.
Nun wollen wir das beste hoffen und so wie sich das liest, wird deine Mutter bestimmt wieder auf die Beine kommen.
Du schaffst das auch ohne den Zigaretten, denn sonst hättest du dir schon welche besorgt. Nun fühl dich von uns gedrückt und mach dir nicht so viele Sorgen.
Wünsche dir jetzt trotzdem einen guten Abend. Bis dann.
Liebe Kirsten ,
habe gerade ein wenig quergelesen, was bei dir so los ist zur Zeit.
Und möchte dir herzlich zum erneuten Rauchausstieg gratulieren.
Du bist so eine starke Frau, ein bisschen schwächeln tun wir alle von Zeit zu Zeit.
Bewundernswert, wie du deine Situation bewältigst und als allem das Beste machst, das, was geht halt und immer wieder zurück zur Zuversicht findest.
Ich wünsche dir und deiner Mutter alles, alles Gute und ein recht schönes Wochenende.
Ganz liebe Grüße sendet dir Claudia
Hallo Kirsten, wie ich sehe hast du es schon 14 Tage ohne dem Dreckszeug geschafft. Dazu mein allergrössten Respekt
DU schaffst das...
Gruss Klaus
Liebe Kirsten
habe gerade von deinem Druck vor dem Besuch bei deiner Mutter gelesen.
Hast du schon einmal versucht, zu ergründen, was genau es ist, dass dir diesen Druck macht?
Liegt der Auslöser in der Gegenwart (ihr gesundheitlicher Zustand?) oder hat es mit (deiner) Vergangenheit zu tun?
Mir selbst fallen die Besuche im Heim nicht mehr so schwer wie ehedem, was viel mit Art meiner Mutter zu tun hat, die die Situation angenommen hat und das Beste daraus macht.
Sie hatte die letzten Jahre zu Hause mit ihren letzten Kräften (und der Hilfe des Pflegedienstes und mir) die Pflege meines Vaters übernommen. Sie hatte faktisch viel zu viel Belastung, und, wie ich manchmal denke, diese als Diabetikerin mit der Sorge für die große Familie auch ihr Leben lang gehabt. Denke ich oft, wenn ich sehe, wie verträglich sie inzwischen ist. Früher lagen wir sehr oft verquer.
Jetzt genießt sie es, selbst versorgt zu werden und nimmt an Angeboten alles an, was so geboten wird.
Gott sei Dank ist der Umgangston im Heim mit den alten Menschen ein freundlicher, respektvoller.
Was ich am allerwichtigsten finde. Sie hat ein ausgefülltes Leben gehabt, an das sie sich auch mit ihren Fotoalben gern erinnert.
Mir selbst musste ich immer wieder klarmachen, dass es nicht hilft, wenn ich mitleide, wenn sie mal über Einsamkeit und Alleinsein klagt. Ich habe gesehen, wie wichtig es ist, das Hier und Jetzt selbst so gut es geht zu leben und zu genießen und nichts auf die Zukunft zu schieben. Weiß doch niemand, was auf ihn zukommt. Und es ist am Ende so wenig, was bleibt - Materielles ist soooo unwichtig...
So besuche ich sie 2x die Woche (für 1 1/2 bis 2 Stunden) und kniffele mit ihr, das liebt sie, groß Konversation machen fällt ihr auch schwer; mein Bruder meint, 1x würde auch reichen, was ich nicht finde, übernehme die Sorge für ihre Angelegenheiten, was mir nun in Rente zeitmäßig viel leichter fällt - und muntere sie auf, wenn ich da bin, rufe schon mal an, erzähle ihr von meinem Leben...ich weiß, ich habe Glück, dass sie nur altersvergesslich und nicht dement ist.
Wenn du sie besuchst und sie freut sich in irgendeiner Form, hast du viel getan. Wir können unseren Angehörigen weder das Altern noch das Sterben abnehmen. Nur einzelne Lichtpunkte setzten. Und uns wird das Altern auch keiner abnehmen, ich habe auch keine Kinder, ich denke gar nicht darüber nach, was werden wird...Grübeln darüber verbessert nichts.
Du bist sehr reflektiert, wahrscheinlich hast du dir das alles schon selbst gesagt. Aber daran erinnern kann nicht schaden!
Natürlich brauchst du hier nicht öffentlich zu antworten: das Beste, was wir für die Alten und Kranken (und die Gesellschaft) tun können, ist, so gut wie möglich für uns selbst zu sorgen, denn dann und nur dann können wir auch abgeben.
Meint eine, der alles auch nicht immer leicht fällt.
Mit lieben Grüßen an dich von Claudia
Liebe Kirsten
danke für deine ausführliche Antwort und deine Offenheit.
Wie du vermutlich auch - (Vergleich!:riesengrinser bin ich dazu erzogen worden, den Bedürfnissen anderer nachzukommen und mich selbst ans Ende der Schlange zu stellen. Das führte dazu, dass ich nach einer verschärften Midlife-Krisis mühselig lernen musste, meine eigenen Bedürfnisse überhaupt erst Mal wahrzunehmen und dann ihnen auch nachzukommen. Das geht wohl vielen so, das sind einfach auch die Erziehungsziele einer Zeit: rückblickend erkenne ich, dass von den Erziehungsberechtigten vieles gefordert wurde, was selbst nicht vorgelebt wurde. So etwas regt mich heute noch auf.
Ich gehe davon aus, dass du den Brief von Charlie Chaplin: "Als ich mich selbst zu lieben begann" kennst, sonst gib Bescheid, dann schicke ich ihn dir. Soooo schön.
Den ganzen Werdegang en detail mitzuteilen, würde hier jeden Rahmen sprengen: aber dieser Keim von gefordertem Perfektionismus, das Übergehen der eigenen Bedürfnisse, bis hin zu dem Versuch, die eigenen Wahrnehmungen als "falsch" hinzustellen (Orginalton meine Mutter: du siehst nur das, was negativ war) - mir selbst zuzugestehen, dass das wohl gute Gründe hat - jawohl, das musste ich mühselig lernen. Denn jeder ist sich selbst der Nächste - die Selbstfürsorge, die Erkundung, was brauche ich eigentlich, das eigene innere Kind anzunehmen und liebzuhaben, das kam erst nach meinem totalen Zusammenbruch - und muss ich immer wieder neu in den Fokus nehmen.
Das hat auch nichts mit Egoismus zu tun, sondern ist eine Lebensnotwendigkeit.
So gehen wir weiter unseren (rauchfreien) Weg, liebe Kirsten, mal sehen, wo er uns hinführt: fühl dich bitte nicht so alleine mit deinen Einschränkungen, mit fortschreitendem Alter nehmen diese bei jedem zu, und keiner weiß, was ihn morgen erwartet: du machst das prima, der Weg ist das Ziel...an meinen Eltern habe ich gesehen, dass das Lernen anhält, solange das Leben währt...und wie wenig man mitnehmen kann. Ich bin dankbar für diese Lerneinheiten und habe irgendwann mit dem nicht immer erfreulichen Aufwachsen abgeschlossen - sicher, sie haben nicht alles richtig gemacht, aber wenn ich mir deren Jugend anschaue, die haben auch ihre Gründe...
Es grüßt dich herzlich Claudia