Bin ich zu schwach oder ist der Teufel zu stark?
Hallo liebe Gleichgesinnten,
mein Name ist Anni, 33 Jahre, seit fast 20 Jahren mit kürzeren Unterbrechungen Raucher.
Am Tag 10 - 20 Zigaretten. Ich würde sagen, eine sehr starke Gewohnheitssache. Das ist bei mir in jeder Lebenslage so. Weicht etwas vom Tagesablauf ab, werde ich nervös und leicht panisch. Hat sich aber schon gebessert. Nun ist es so, dass ich sehr perfektionistisch bin und das Rauchen wirklich mit aller Macht hasse/liebe!
Ich habe ca. 800€ in Kurse/Bücher/Hypnose/Spritzen/Mittelchen etc. gesteckt, weil ich aufhören wollte . Ich hatte perfekte Pläne, hab diese auch durchgezogen (auch wenn ich zum Teil wirklich depressiv wurde) um dann wieder irgendeinen scheinheiligen Grund zu finden, wieder anzufangen... Manchmal denke ich mir, dass ich wohl wirklich der schwächste Mensch der Welt bin. Tipps wie: Mach doch dann mehr Sport funktioniert nicht, da ich schon immer täglich 20km Fahrrad fahre zur Arbeit und zurück, durch joggen schon ein kaputtes Knie habe und leider auch sehr viel arbeiten muss so dass es schwierig ist, dort "auszuweichen". Derzeit versuche ich die Kippen weg zu lassen, die mich sowieso extrem nerven, dadurch ist es schon weniger. Aber der Teufel auf der Schulter wird so laut mit der Zeit, dass ich nicht mal ansprechbar bin, je länger der Abstand ist. Ablenkung funktioniert gar nicht. Man müsste mich einfach drei Tage weg sperren, um den Ausstieg zu schaffen. Langsam fällt mir nichts mehr ein... Aber die anderen Berichte tun schon sehr gut, man fühlt sich mit seiner Sucht nicht ganz so alleine und ich glaube, dass ich schon kurz davor stehe es durchzuziehen. Noch schiebe ich aber alles vor mir her. Die Angst vor der Panik ist einfach riesengroß! Und ich muss sagen, dass ich mich jedes Mal, wenn ich aufgehört hatte, sehr sehr leer gefühlt habe und mich schon auf die Rente gefreut habe, weil dann ist es ja sowieso egal. Im Altersheim geht es dann richtig rund und dann darf ich wieder anfangen :-D Wie bekloppt! Ich brauche diesen verdammten KLICK!!
Ich grüße euch ganz lieb!
Anni
Guten Morgen Anni.
"Wir brauchen nichts zu fürchten, außer die Furcht selbst".
Mit diesem Satz von Eisenhower will ich Dir mal Hallo sagen.
Und direkt will ich noch ein Geheimnis verraten.
Niemand ist - oder kann - stärker sein als die Sucht.
Wäre man so stark wie die Sucht, könnte man sie ja kontrollieren.
Aber eine kontrollierte Sucht ist ein Paradoxon.
Was Du machen kannst ist klüger zu sein als die Sucht.
Die Sucht hat zwei Waffen gegen uns in der Hand.
Die Eine ist die körperliche Abhängigkeit.
Diese zu überwinden ist sicherlich nicht leicht, aber machbar.
Und dauert auch nicht all zu lange.
Die Zweite Waffe ist die Lüge.
Denn es stimmt einfach nicht das Du die Zigarette brauchst.
Du kannst auch entspannen ohne sie. Musst es nur lernen.
Du kannst selbstsicher sein ohne sie. Musst es nur lernen.
Du kannst suverän sein ohne sie. Musst es nur lernen.
Du kannst neue Situationen meistern ohne sie. Musst es nur lernen.
Und selbst wenn Du es noch nicht kannst, brauchst Du die Zigarette nicht.
Es mag sein das Du eine Situation ohne Zigarette ersteinmal schlechter durchstehst als mit.
Aber schon nach dem zweiten oder dritten Mal sieht das ganz anders aus.
Und den Kick den es dann gibt wenn Du etwas geschafft hast vermag keine chemische Substanz zu reproduzieren.
Und vor allem ist es echt.
Daher:
Schaue nach welche Funktionen die Zigarette bei Dir hat (Entspannung, Selbstsicherheit, Verlegenheit...)
Lerne damit umzugehen.
Und wenn die Sucht wieder randaliert mach Dir klar dass Du gerade von einer Wesenheit mit niederer Gesinnung - der Dein Überleben völlig gleichgültig ist - ganzlich belogen wirst.
Ich wünsche Dir viel Erfolg und kann Dir von meiner Position aus versichern das es machbar ist (hielt ich mich doch auch für "unheilbar") und es sich in einer Art un Weise lohnen wird wie Du es Dir im Augenblick noch garnicht vorstellen kannst.
Mit vielen lieben und erbaulichen Grüßen.
Markus
Lieber Markus, liebe Community,
Danke für deine Antwort! Das gibt Kraft! Und ich habe jetzt einen Plan zurecht gelegt!
Morgen ist noch ok, Freitag dann nicht mehr. Ich trainiere ja schon fleißig und habe heute "erst" 4 Zigaretten geraucht und diese haben nicht einmal geschmeckt. Jedes mal habe ich sie richtig geschmeckt und mir dabei gedacht, dass sie wirklich nur ätzend sind und mich geärgert, wie die Finger riechen und wie sie mich doch foltert.
Ich habe einen Zettel mit Ersatzhandlungen geschrieben. Zum Beispiel Tee trinken, die Situation einfach überstehen (sterben kann ich ja schließlich nicht), je nachdem wo ich mich gerade befinde, ganz bewusst zu versuchen das was ich tue wirklich zu tun. Also nicht lesen und dabei 1000 andere Gedanken zu haben, wirklich zu arbeiten und nicht immer abzuschweifen. Eine Runde um das Gebäude drehen (habe das mit meiner Kollegin, die gerade wieder Gefahr läuft anzufangen, heute schon geübt). So, ein Blümchen möchte ich mir kaufen, das für meinen Körper steht oder auch wahlweise für meine Lunge, die ich dann hier im Büro hege und pflege und hoffentlich prächtig gedeiht. Und gleichzeitig nagt der Zweifel, ob ich mich nicht schon wieder selber belüge und das alles Maßnahmen sind, die dann im Zweifel von meinem Teufelchen belächelt werden und der das mit einem Schlag einfach Zunichte macht und mir befiehlt, dass das einzig Wahre doch die Zigarette ist...
Freitag ist für mich ganz gut, da ich da nur einige Stunden arbeite und dann in das Wochenende starten kann. Und (alle Männer weg hören) ich bekomme Samstag meine Tage, da geht es mir sowieso so dreckig, dass ich da mich nur zum Rauchen raus quäle...
Ich möchte mir aber die Option offen lassen, dass ich mir mit Nikotinspray oder Pflastern helfe, dass der Teufel nicht zu laut wird. Denn auch, wenn ich nicht soooo viel rauche, bin ich sehr süchtig. Das Nikotin wird nur bei mir langsamer abgebaut, so dass die Abstände auch mal groß sein können. Glaube ich zumindest.
MEint ihr, das ist ein guter Plan? Ich kann es fast nicht erwarten, bis bei mir auch eine Zahl steht mit rauchfreien Tagen
Liebe Grüße
Hallo Anni
Dann geht es jetzt direkt ans Praktische.
Du wirst merken dass es leichter wird wenn Du erst einmal die Rauchfreiheit begonnen hast.
Ein Reduzieren - so löblich es natürlich ist - belastet Dich, weil Du zwischen den Stühlen sitzt.
Eine klare Entscheidung macht es etwas einfacher.
Vielleicht noch ein paar praktische Anregungen.
Der Mensch braucht seine Rituale.
Dieses solltest Du auch nicht aufgeben, sondern umgestallten.
Wenn es am Abend die Zigarette gab um dem Tag abzuschließen, kannst Du es Dir in dieser Zeit mit einer Tasse Tee, einem entspannten Musikstück o. ä. gemütlich machen um den Tag zu reflektieren.
Oder kleine Pausen den Tag über solltes Du auch beibehalten. Das knabbern von Obst oder Gemüse kann ja hier mit eingebunden werden.
Wenn Du eine "Raucherecke" hattest (etwas Balkon) kannst Du diese umgestallten. Mit einer kleine Deko verschönern. So dass es weiterhin einen Ort gibt an den Du Dich zurückziehen kannst. Nur halt ohne Erinnerung ans Rauchen. Um einmal gelegentlich eine Auszeit von der Welt zu nehmen.
Bedenke das die Sucht im Gefühl sitzt.
Je mehr Du tust um Dich in einem Nichtmehrraucherleben gut und wohl zu fühlen, desto leichter und schneller wirst Du zu einem neuen, besseren Leben kommen.
Natürlich ist es eine gute Idee bei Rauchattacken bei sich selbst zu sein.
Es sind die Augenblicke in welchen man am meisten über sich selbst erfährt.
Dennoch können sie einem zuviel, oder zu heftig werden.
Hier im Forum gab es die Idee des "Aufgabenglases".
Falls Du noch nichts davon gehört hast. Nimm ein großes Glas, schreibe viele Zettel mit Aufgaben (etwas:räume die Schublade in der Küche auf, oder atme 10x tief durch, mach eine Runde um den Block) welche Du dann in das Glas tust. Wenn Du dann mal eine Ablenkung brauchst, ziehe einen Zettel und führe die Aufgabe sofort aus.
Daneben kannst Du ein zweites Glas stelle als "Ermutigungslas". Auch hier viele Zettel mit positiven und optimistischen Mitteilungen an Dich selbst (das können motivierende Zietate sein, Hinweise das die Sucht Dich gerade belügt, Du Dich selbst darauf aufmerksam machst was Du schon geschafft hast, die Gründe warum Du dies tust usw.)
Die Gläser hat man natürlich nicht immer bei sich. Daher schreib Dir ein "Notfallkärtchen". Was dies genau ist, und wie es funktioniert findest Du in der "Ideensammlung".
Außerdem ist "Geduld" ein wichtiger Schild den Du brauchst.
Du kannst nicht Deine gesammte Rauchfreiheit an einem Tag leben. Du kannst nicht mehr tun als heute rauchfrei zu leben. Und wenn Dir dies gelingt, hast Du das bestmögliche erreicht.
Sei gut und großzügig mit Dir. Niemand kennt Dich besser als Du selbst. Und niemanden liegt mehr an Deinem Wohlergehen als Dir selbst - sollte zumindest so sein. Deshalb acht unbedingt auf Dich selbst. Denn sonnst tut es vielleicht niemand.
Wenn in nächster Zeit nicht alles so rund läuft wie gewohnt dann lass es laufen - und verurteile Dich nicht selbst deswegen.
Und wo wir beim "verurteilen" sind - zum Schluß - Wir sind alle nur Menschen, und können als solche Fehler machen. Wenn es also beim ersten Anlauf nicht klappt, mach Dich nicht selbst runter und sieh es nicht als "Beweiß Deiner Unfähigkeit". Das wäre nicht nur Falsch sondern auch Unsinn.
Rauchausstieg ist auch ein Lernprozess. Du lernst Dich neu und anders kennen und auch Deinen Alltag anders zu leben und erleben. Dass man dabei Fehler macht ist natürlich.
Mach es wie die weisen Menschen, lerne daraus und für den Rest - lächle darüber.
Ich wünsche Dir für Freitag viel Erfolg.
Mit vielen lieben und ermutigenden Grüßen
Markus
Hallo Anni,
Schön dass es nun geklappt hat mit dem eröffnen des Threads. Dann heiße ich dich auch hier noch einmal herzlich Willkommen. Du hast ja auch schon tolle Antworten bekommen.
Das mit deiner Panik, in den Anfängen nicht ansprechbar zu sein, kenne ich auch nur zu gut. Ich habe vor meinem Rauchstop bei den Kollegen und Bekannten Bonuspunkte gesammelt, in dem ich ihnen alle einzeln eine kleine Schale mit Bonbons für die Nerven gegeben habe, für den Fall das ich Rumzicken würde. Aber so schlimm ist es dann gar nicht geworden, wie meine Befürchtungen. Manchmal spielen unsere Gedanken einfach Achterbahn. Wie wäre es, wenn du mit deinen engeren Kontaktkreis sprichst und um Verständnis bittest, für den Fall das du gerade nicht so bist wie gewohnt?
Die Idee, mit Spray oder Pflaster das Rauchen an den Nagel zu hängen ist vollkommen OK. Ich selber habe auch Pflaster benutzt. Wichtig dabei ist es diese auch nach Packungsbeilage zu nutzen. Also ruhig auch über den gesamten Zeitraum. [color=green]Lieber in Sicherheit ohne Experimente Rauchfrei werden[/color], war eines meiner Mottos.
Freue mich weiter von dir zu hören
LG Bine
Erster Tag ohne Rauch, aber mit Pflaster. Erstmal vor meinem Chef in Tränen ausgebrochen... Wie PEINLICH!!! Das fängt ja gut an.
Ich wollte mich auch noch für eure lieben Worte und Tipps bedanken!!
Das mit dem Glas ist eine gute Idee und mache ich!
Bin leider gegen jegliches ungekochtes Gemüse und Obst allergisch, so dass ich nichts kalorienarmes knabbern kann. Getreideprodukte leider auch DIe Zigarette hat mich was das angeht schon sehr getröstet, wenn man auf vieles Essen verzichten muss. Aaaber ich bleibe stark! Gilt der Tag heute, dann überhaupt schon als erster Tag? Weil ich ja noch Nikotin zu mir nehme in Form von den Pflastern...?
Ja, klar, Anni, du bist doch rauchfrei!
Viel wünscht dir
Claudia
Super wie du das machst Anni,
Jeder Tag ohne Rauch und Qualm zählt. Nikitinpflaster sind ganz legitim.
Wenn dir die Tränen laufen, lass sie laufen. Sie Reinigen. Schau auf das, was dir gut tut. Belohne dich und setzte dich an nr. 1 für die Anfangszeit.
LG Bine