Wiederholungstäter in Haft
Ich sitze in einer Sackgasse, die Mauern rechts, links, vorn, alle zu hoch. Ein Seil wäre gut, aber woher nehmen. Und da hör ich auch schon sich nähernde Schritte, das Gehechel ihrer Bluthunde.
Da hilft nur noch Diplomatie. Es ist noch nicht die ganze Meute, es sind nur zwei. Wenn ich die bestechen könnte, wäre ich einen Schritt weiter.
„Ich gebe euch das Versprechen, das ich wieder komme, aus freien Stücken, an dem Tag wenn das Erstgeborene meiner Tochter Schuleinführung hat. Ihr versprecht mir im Gegenzug, das bis dahin die Zellen saniert werden, das es mehr Möglichkeiten des Freigangs gibt – sagen wir täglich 24 Stunden, und das ihr alle negativen Substanzen ersatzlos aus den Zigaretten verbannt.“
So mal sehen ob sie den Deal mitmachen. Was sie nicht wissen, meine Tochter plant noch gar keine Kinder, das kann noch dauern. Da sähen wir uns also frühestens in 8 Jahren wieder, Zeit genug um unterzutauchen.
Zum Glück sind die beiden nicht besonders hell im Räucherstübchen, und nur gut das Günter nicht dabei ist. Also was ist?
Sehr faszinieren
Ich lese Deine Texte sehr gern. Ehrlich gesagt glaube ich würde es mir noch besser gefallen, wenn dann die Richtung endlich mal entscheidend eine Andere sein kann, sonst befürchte ich, verlässt mich die Spannung, hier weiter zu lesen. Aber das ist nur meine Sicht.
Ich hatte vor vielen Jahren einen ähnlichen ansatz wie Du, wenngleich ich nicht annährend so gut schreiben kann wie Du, hatte ich es ähnlich versucht umsetzen. ich bin damit kläglich gescheitert.
Mein jetziger Weg hiesse dann eher "Der letzte Tag von Alkatraz. Mein Gefängnis wurde einfach geschlossen. Keine Möglichkeit mir diesen Unsinn weiter vorstellen zu können, denn die haben das einfach zugemacht. Natürlich würde ich zahlreiche andere Zellen finden, in denen ich für Geld inhaftiert würde aber dieses Mal entschied ich mich komplett anders.
Noch geht das irgendwie. Ich fluche lieber wie erbämlich schwer das Alles ist und bedauere mich selber als mir mein Scheitern einzugestehen. Nö. Ein großer Plan ist nur dann ein guter, wenn er denn mal umgesetzt wird. Dafür braucht es nur Eines, einen starken Willen. Haha, ich habe gut reden, ich weiss..... Bin noch lange nicht da wo ich ansatzweise sagen könnte, alles super. nee, alles nicht super, aber mir egal. Mein Ding dass es sch.... ist aber das geht vorbei. Und auch wenn nicht egal, ich will das so.
Für mich geht das nur so.
Alles gute, ich drücke Dir die Daumen.
LG
Tom
20 - Die Rotbuche
5:50 Uhr
Ich sitze unter einem gewaltigen Baum. Der Stamm, nur zu zweit umfassbar, Die Äste wie urkräftige Muskeln ragen sieben Meter in die Wiese. Von weiten sieht sie aus wie eine gigantische Lunge. Nichts hat sie am freien Wachstum gehindert. Ein ruhiger Atem geht von ihr aus, der mich durchdringt. Ich lasse mich an ihrem Stamm nieder, die aufgehende Sonne blinzelt kristallen, durch die Blätter. Ich fühle Glück. Ich atme tief und ruhig. Jedes Blatt ein Lungenbläschen, weht mir Sauerstoff zu.
Ich nehme die 20. Zigarette aus der vollen Schachtel, und zünde sie an. Was gibt sie mir? Verstärkt sie mein Glücksgefühl, welches ich bereits ohne sie hatte? Brauche ich sie um diesen Moment inniger wahrzunehmen? Nichts ändert sich, außer das die klare Luft ein Aroma bekommt, das da nicht hingehört, ja sogar stört. Ich drücke sie aus, horche in mich hinein. Bin ich befriedigt, hat genau das zur Vervollkommnung des Augenblicks gefehlt? Die Antwort: Ehrlich, nein.
Als ich aufstehe, und den Stamm umlaufe, finde ich den Namen meiner Tochter in die Rinde geritzt. Gibt es solche Zufälle? Es gibt solche Zufälle! Sie treffen mich immer dann, wenn ich besonders achtsam durch die Zeit gehe. Es scheint manchmal wie ein Wunder, auf alle Fälle ist es wundervoll.
Ich lebe, und ich liebe es zu leben.
19- Auf dem Balkon
7:30 Uhr
Ist es eine Belohnung? Was habe ich getan, was eine solche rechtfertigt? Was bringt sie?
Der Sonntag liegt noch immer verschlafen in den Großstadtbetten. Nur das Orchester der Vögel dringt an meine Ohren. Ab und zu übertroffen nur, von vereinzelten Geräuschen, die zur Stadt gehören. Ein Auto, ein schreiendes Baby, wieder ein Auto, sonst nichts.
Die 19te ist so unnötig, wie die 20ste es vorhin war. Es verstärkt sich nichts, es ändert sich nichts, nur es bleibt ein angekratztes Selbst sitzen, und blickt fragend in sich.
18+17 – Auf dem Balkon
9 – 10:56 Uhr
Ausgedehntes Frühstück. Schöne Stimmung, die Zigaretten haben diese weder verbessert, noch stark getrübt. Sie waren nicht notwendig, nicht für Körper, nicht für den Geist. Ein unsinniges Tun.
Alcatraz ist ein Geländer. Ich gehe hoch oben auf einem schmalen Grad von einem Gipfel zum nächsten. Die Tiefe rechts und links von mir zieht mich magisch an, mir ist schwindelig und jeder Schritt ist ein Kampf gegen die eigenen Ängste. Meine Bildersprache hält mich in Waage. Sie gibt mir Halt, wie ein Geländer. So funktioniert die Drei-Punkte- Regel des Kletterns. Zwei Hände und ein Fuß – zwei Füße und eine Hand – Schritt für Schritt. Die Gefahr ausblendend, überspielen mit Gedankenbildern die ablenken von der eigentlichen Absurdität.
Das Hilfsmittel geht aber nur über den halben Kamm, danach muß ich ohne Stütze weiter. Morgen werde ich den Punkt erreichen. Das Lösen der letzten Hand, und dann freier Stand. Ausbalancieren. Festigen. Dann das schwierigste: einen Fuß heben (das Gegenteil der Drei-Punkte-Regel), und ihn langsam vor den Körper bringen, um einen Schritt zu vollziehen. Laufen lernen. Die Tiefe ausblenden!!! Sie existiert nicht, spielt keine Rolle.
Hallo Anton,
ich wünsche dir viel Kraft für morgen. Halte durch, es wird von Tag zu Tag besser!
Liebe Grüße
Petra
Jedesmal ein stures NEIN zu
Lieber Anton,
der Tag neigt sich, die Sonne geht unter, die Nacht kommt. Rauche 18 - 0, suche Bilder, finde Bilder, halte sie fest ...
Habe am letzten Tag geraucht bis mir schlecht wurde und darüber hinaus. Habe fast gebrochen. Broken ... morning has broken ... Morgen kommt und begrüßt den befreiten Anton - Du bist nicht allein :-)
Hugs, Maroditis
Wenn ich das bis jetzt geschafft habe dann du auch!!!!!!
Viel Erfolg für den Start!!!! GoGoGo!
Anika
Hallo Anton,
wollte mal nachhören, ob du den Ausbruch unerkannt geschafft hast.
Schicke dir mal ganz viel zum durch halten, es lohnt sich ;-)
lg
Tanja
Hallo ihr lieben Fluchthelfer,
Das war gar nicht mal so leicht. Meine Tochter war ja zu Besuch, in der Nacht vom Sonntag zum Montag hatte sie mit ihrem Freund einen Auftritt in einem Club. Electrojazz. Ich habe sie vorher noch nie live erleben können. Der Gig lag von Eins bis Zwei, also genau in der Startphase meines Ausbruchs. 23:50 habe ich die letzte aus der Schachtel genommen, habe ganz klar und bewusst Abschied genommen, habe mich danach ganz auf die Musik eingelassen, und habe die Nacht bis um Fünf gut überstanden. Es hat mich stolz gemacht, mein Töchterchen singen zu hören, das ging tief unter die Haut. Und ich habe mir gesagt, besser könnte es eine Kippe auch nicht machen, dieser Moment ist so perfekt, so perfekt.
Auch nach dem Aufstehen, so gegen 10, hatte ich keine nennenswerten Probleme, mich zu überzeugen, dass es sinnfrei ist zu rauchen. Ich atme tief das Glück ein. Lenke meine Gedanken zu positiven Dingen, und bin glücklich.
Wir haben den Tag heute noch zusammen erlebt, bis ich sie so um halb sechs an den Fernbus brachte. Meine Tochter hat nach dem Aufstehen auch nicht geraucht, vielleicht konnte ich ihr ja ein klein wenig ein Vorbild sein.
Ich danke euch allen hier für die großartige Unterstützung. Ohne diese Vorbereitung, wäre ich wohl nicht vom Geländer los gekommen. Nun habe ich gleich den ersten Schritt in luftiger Höhe getan, und ich bin frohen Mutes.
Rauchfreie Grüße Anton