vierter Tag
Hallo,
Wo fängt man an. Wie fasse ich das Gewicht meines Entzugs in Worte. In der Hoffnung, dass die Worte erleichtern. Tag vier ist geschafft. Mit Müh und Not. Ab Mittag schlichen sich wieder die Bilder ein: Ich, rauchend das Wochenende begrüßen, die Arbeitswoche im Nebel des Rauchs zurücklassen ...
Nach nebulösen Bildern nun Fakten: Der erste Zug mit 10 Jahren. Die Zigarette meines Vaters aus dem Aschenbecher, in welchem er sie abgelegt hat, genommen. Es war Sommer, Grillzeit ... Aber nur ein Bild, dass es so war. Sonst keine Erinnerung. Vielleicht hielt ich sie auch nur in der Hand, da ich mir schwer vorstellen kann, dass die Erinnerung an den „guten“ Geschmack sich nicht in mein Hirn eingebrannt hat. Richtig begonnen so mit 16, 17 oder 18 Jahren. Seit 32 Jahren. Lange Zeit. Bei 20 Zigaretten pro Tag waren das dann 2.336.000 Dosen Nikotin. Fast zweieinhalb Millionen mal die Kippe zu den Lippen geführt und einen Zug genommen. Da wundert es mich gerade nicht, wie ich gerade Achterbahn fahre.
Der erste Tag tat gleichmäßig weh, aber das war ok. Das ließ dann schon am zweiten Tag nach, dafür kamen diese schmerzensreichen Attacken. Aber die waren kurz und halb so wild. Sie werden seltener, dafür länger und heftiger. Aber was ja wirklich erstaunlich ist, dass sich diese Attacken jeder Beschreibung entziehen. Wenn etwas weh tut, kann ich sagen da oder dort tut es weh. Aber bei diesen Attacken ... sie sind in diesen Momenten kaum zu ertragen ... und in diesen Sekunden und Minuten kann ich verstehen, wenn sich jemand selbst verletzt, nur um dieser Pein einen konkreten Schmerz zu geben. Der Impuls meinen Kopf gegen die Wand zu schlagen ...
Meine Form der Selbstverausgabung ist dagegen Sport. Nur so lange bis ich nicht mehr kann. Mein Körper ist müde und tut auch weh, mein Kopf ist müde, die Gedanken schlafen und diese unangenehmen Empfindungen schweigen.
Dies ist nun mein 73 Versuch aufzuhören. Meistens hielt ich einen Tag durch, manchmal eine oder zwei Wochen, einmal 2 Monate. 72 mal bin ich gescheitert und ich will kein 73tes mal scheitern. Auch wenn hier immer wieder betont wird, dass es kein scheitern gibt ... für mich ist es das. Es ist ein Wettkampf. Entweder man gewinnt oder man verliert. Ich habe 72 mal verloren. Jetzt ist Runde 73 dran. Und ich will nicht noch mal scheitern. Ich will diesmal gewinnen.
- Schöner Schlusssatz für heute -
Hallo Uli,
Vielen Dank für die nette Begrüßung, die Tipps und die unterstützenden Worte. Ja, gehen wir gemeinsam weiter. Jetzt kurz bevor die Sonne aufgeht, bin ich wieder voller Optimismus und der wird mich dann auch wieder durch die stürmischeren Zeiten tragen. - Ein Startpaket habe ich schon vor zwei Jahren verbraucht. Ein zweites zu bestellen fühlt sich nicht richtig an und außerdem ist der Überraschungseffekt weg. Geht auch ohne.
Dir alles Gute für den weiteren Weg als Nichtraucher.
lg
Uwe
Hallo Uwe,
auch von mir herzlich willkommen! Wie ging/geht es Dir heute? Das klingt ja brutal, was Du über Deine Entzugserscheinungen schreibst. Umso mehr Respekt, dass Du bei Deiner Entscheidung bleiben willst.
Es kann nur besser werden! Und das tut es auch, jeden Tag!
Laß mal was von Dir hören
LG
Cankaya
Guten Tag Uwe,
ich beglückwünsche Dich herzlich zu Deiner Entscheidung, dem Rauchen zu entsagen, egal ob diese erst jüngst oder schon vor längerem gefallen ist! Und ich heiße Dich hier bei uns Aufhörern herzlich willkommen, schön daß Du Deinen Weg zu uns gefunden hast.
Meiner Rechnung nach sollte heute Tag 6 sein, richtig? Wie geht es Dir heute, haben sich Deine Gelüste erneut verändert? Laß es eine Finte der Sucht sein, daß sie Dir nichts gibt, worauf Du Dich einrichten kannst. Immer wieder wartet sie mit neuen Schmachtformen auf, in der Hoffnung Dich zu zermürben. Schmachtwellen- und Gefühlsachterbahn sind hier keine unbekannten, viele von uns erleben den Entzug so, besonders am Anfang. Es tut mir wirklich leid, daß Du gerade so am Knabbern bist. Aber ich verrate Dir was: Du kannst stärker sein als das!
Du sprichst von 72 Anläufen, 72 mal Scheitern, 72 mal Verlieren (mitgezählt?). So sehe ich es nicht. Ich sehe 72 mutige Schritte, 72 Erfahrungen, 72 mal was dazu gelernt, nämlich: in welchen Gefühlslagen, Situationen oder Tagesformen kann Dich die Sucht wieder einfangen? Was waren die Auslöser für Dich, wieder zu rauchen? Und da Du das jetzt weißt, kannst Du Dir jetzt Strategien überlegen, wie Du künftig diese Ausläser, Gefühlslagen, Situationen bewältigen kannst, ohne dazu rauchen zu "müssen". Statt dessen auf den Boden und Liegestützen machen? Fenster aufreißen, zehnmal tief atmen? Eine Runde um den Block joggen? Reflektiere doch mal die Gründe, die Dich taumeln ließen, und überlege Dir, wie Du künftig reagieren willst, das ist schon hilfreich. Jeder dieser Schritte ist ein Baustein auf Deinem Weg in die dauerhafte Rauchfreiheit - das sehe ich. Und nicht scheitern.
Zu der Zahl habe ich eine Frage: Waren es wirklich alles ernste Aufhöranläufe, sicher daß da nicht auch ein paar halbherzige dabei waren, die Dir nicht so viel bedeutet haben? Bei mir gab es solche auch (wie bei vielen von uns). Doch diese sehe ich nicht als wirkliche Aufhörversuche an, ernsthaft versucht habe ich es dabei nämlich nicht. Das war mehr so "ich kann jederzeit aufhören - ich mag aber nicht"... Kennst Du diese Irrmeinung auch? Wenn ja, dann bin ich eigentlich überzeugt, Du bist nicht 72 mal "gescheitert" wie Du es sagst (und ich es bestreite, s. o.). Gelernt, Erfahrungen gewonnen hast Du trotzdem!
Du sagst auch, Du hast auch früher schon erfolgreich aufgehört: waren denn da Strategien dabei, die Dir jetzt wieder helfen könnten? Was hat Dir damals gutgetan und zum Durchhalten beigetragen?
Bewegung ist ein absolut geeignetes Mittel zur Bewältigung von Entzug und Entwöhnung. Wenn es Dir gut tut, Dich zu verausgaben, dann will ich Dich nicht bremsen in Deinem Bewegungsdrang: Aber bitte sei gleichzeitig gut zu Dir. Gib Dir nicht das Gefühl, Du müßtest Dich kasteien oder bestrafen, daß Du das Rauchen aufhörst. Hör auf Dein Gefühl: Sagt der Körper, jetzt ist aber mal gut, dann höre auf ihn. Und sagt Dir etwas, Du könntest jetzt mal eine Belohnung vertragen, dann mach! Und belohne Dich bitte auch, wenn Dich nichts in Dir dazu auffordert. Gönne Dir trotzdem was, das Dir angenehm ist oder Freude macht, denn es hält die Motivation oben und vermittelt Dir das Gefühl, daß beim Nichtmehrrauchen was für Dich rausspringt (was ja auch, wie Du selber weißt, so ist!), noch bevor Du die positiven Folgen davon schmachtfrei auskosten kannst.
Und ja, so ein Entzug mag wie ein Gewicht empfunden sein, wie eine unüberschaubare Last. Muss es aber nicht, denn: Versuche doch, diese Last nicht auf einmal abzutragen. Trage sie Tag für Tag ab, stehe jeden Tag mit dem Vorsatz auf "heute rauche ich nicht". Das ist eine überschaubare Einheit, das schaffst Du doch, oder? Und morgen machst Du es wieder so und übermorgen... Du mußt nicht jetzt schon den Weg zu Ende denken, denk doch erstmal an den nächsten Schritt. Den kannst Du doch, richtig? Außerdem bist Du hier, vielleicht kann Dir die Community oder schon allein das Schreiben ja auch ein wenig beim Sortieren des Wustes helfen... Teile Dich jederzeit mit, Du siehst ja, es ist immer jemand da, der was dazu sagen kann.
In diesem Sinne wünsche ich Dir weiterhin Biss und Optimismus! Hoffe bald wieder von Dir zu lesen,
Lydia
Hallo,
Vielen Dank für die unterstützenden und aufmunternden Worte. Manchmal formuliere ich dramatisch. Das weiß ich. Aber dadurch reagiere ich mich zum einen ab und zum anderen empfinde ich es dann auch wirklich so. Ein paar Anmerkungen: Ein Niederlage bleibt eine Niederlage. Und einen Rückfall provoziert zu haben - das war jetzt ein freudscher Ausrutscher - , bleibt für mich eine Niederlage. Was ist so schlimm daran, es auch so zu nennen. Natürlich lerne ich daraus und ziehe nicht den Schluss, dass ich es nie schaffen werde. Sonst hätte ich es ja nicht noch mal probiert. Es ist für mich wie mit der Selbstständigkeit: Scheitert man in Amerika, dann sind die anderen stolz, dass man es probiert hat, scheitert man bei uns, dann wissen alle warum es nicht geklappt hat. Aber lassen wir das, sonst schreibe ich hier noch Romane ...
Jeder Versuch war ernst gemeint, sonst hätte ich es ja nicht probiert. Dass viele schlecht vorbereitet oder der Zeitpunkt schlcht gewählt war, habe ich hinterher dann auch gemerkt. Aber ernst waren sie schon. Um meine Statistik zu verbessern, könnte ich als Datenbasis nur all die Versuche zähle, die mindestens 3 Tage gedauert haben und die anderen als nicht ernst abtun ... Dann sind es vielleicht 15 oder 12 oder 17 ...
Zu meinen Entzugserscheinung zähle ich ab heute auch eine gewissen Widerspruchsgeist und Bissigkeit. Auch nicht schlecht ...
Aber es macht mir nicht nur Spaß mich mit Eueren Meinungen auseinanderzusetzen, sondern hilft mir wirklich meinen Nichtraucherweg weiter zu gehen.
Am Wochenende fällt es mir leichter, da der berufliche Eu-Stress wegfällt und ich viel Zeit habe mein Übergewicht durch die Gegend zu tragen. Ich mache so viel Sport - Langlauf - dass die Extraportionen, die ich esse sich Gott-sei-Dank nicht auf der Waage niederschlagen. Und ich den restlichen Tag so müde bin, dass nur noch Mentalsport bei [Markenname vom rauchfrei-Team entfernt] möglich ist. Kein Schritt aus dem Haus führt auch zu keinem Dealer.
Bin auf die nächsten Tage und die nächste Arbeitswoche gespannt.
Also noch mal vielen Dank und einen schönen Abend
Uwe
Frage: Kann ich auch- wenn ich auf den Button antworten klicke - auf einzelne Beiträge öffentlich antworten oder werden die dann nur der Schreiber des Kommentar gesendet?
Hallo Uwe,
Du setzt Dich ja spannend mit Deiner Raucherkarriere und Deiner Sucht auseinander. Ist immer interessant zu lesen, wie sich jeder einzelne motiviert und welche Strategien er nutzt, um dabeizubleiben. Danke für Deine Überlegungen! Das Forum lebt ja auch von verschiedenen Meinungen und Impulsen.
Wie hat sich die neue Arbeitswoche jetzt angelassen, die Du so mit Spannung erwartet hast? Wie entwickeln sich die Attacken?
Wenn Du den "Antworten"-Button benützt und Deine in die sich dann öffnende Maske mit "Senden" abschickst, ist Dein Beitrag für alle sichtbar. Wenn Du einzelnen Teilnehmer antworten möchtest, so kannst Du private Nachrichten schicken. Einen Link hierzu findest Du unterhalb eines Beitrages des Teilnehmers, den Du erreichen möchtest: Hier liest Du, wenn Du angemeldet bist, blau unterlegt "Zitieren Profil Private Nachricht" Letzteres klickst Du an, dann gelangst Du in die entsprechende Maske. Der Benutzername sollte dann bereits in der Adresszeile stehen, ein Betreff ist zwingend nötig. Wenn Du das dann sendest, erhält es nur der Angeschriebene in seiner persönlichen Mailbox auf dem Rauchfrei-Server. Helfen Dir diese Angaben weiter?
Ich freu mich wieder von Dir zu lesen. Bis dahin grüßt
Lydia