Die letzte Sucht

Verfasst am: 12.03.2016, 00:52
LichtdesNordens
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Hallo allerseits,

da mein Entschluss feststeht, mich auch meiner letzten Abhängigkeit zu stellen und diese zu stoppen, habe ich mich mal ein bißchen konkreter "schlau" gemacht und bin über die BZgA auf diese website und das Forum gestoßen. Kurz ein paar Dinge zu mir: bin 44, ehemaliger Langzeitstudent der Geisteswissenschaften (ohne Abschluß), frischgebackener Veranstaltungskaufmann (also diesesmal mit Abschluß;-). Lebe in Berlin und arbeite in einem Tagungszentrum.

Als ich 18 oder 19 war, habe ich angefangen zu rauchen. Ein paar Jahre später hatte ich aufgehört (1994), mehr durch Zufall. Es war überhaupt nicht geplant oder angedacht. War im Urlaub. Knapp 3 Jahre später habe ich wieder angefangen (Streß in der Beziehung, Streß beim Praktikum) und seitdem auch nicht mehr losgekommen. Weil ich auch gar nicht wollte. Schmeckte mir (sagte ich mir jedenfalls), entspannte mich (sagte ich mir ebenfalls), Kaffee und Kippe, Bier und Kippe - naja, das übliche halt.

Wie ich jetzt dazu komme, das Nikotin zu stoppen? Nun - dazu muß ich etwas ausholen. Mitte August 2014 veränderte ein Erlebnis, welches mein persönlicher Tiefpunkt war, mein Leben. Ich erkannte und gestand mir ein, daß ich alkoholabhängig bin. Ich brauchte Hilfe - und ich wollte auch Hilfe in Anspruch nehmen. Zunächst Suchtberatung, dann SHG (habe eine gute Gruppe gefunden, zu der ich seitdem immer gehe) und seit Anfang November 2014 mache ich eine Ambulante Suchttherapie (kognitive Verhaltenstherapie), die demnächst endet. Seit anderthalb Jahren lebe ich nüchtern.

In den ersten Wochen meiner Nüchternheit fielen mir schon die "klassischen" Suchtverlagerungen bei mir auf, die viele AlkoholikerInnen an sich beobachten: mehr Kippen, mehr Süßigkeiten, mehr Sport (oder zumindest bekam dieser eine größere Bedeutung bei mir). Peu a peu habe ich verstanden, begriffen, gefühlt, daß das Rauchen, das Nikotin, eine Sucht ist. Vorher habe ich es zwar zur Kenntnis genommen und vernommen - aber mein Verstand hat es glaube ich nicht wirklich begriffen. Hmm, ich hoffe das ist jetzt nicht zu unverständlich...
Nun aber durch die Nüchternheit, die mein Selbst völlig neu zusammensetzt (aufregend! Spannend! Und ja - auch anstrengend!), habe ich mehr und mehr gespürt, gefühlt, daß ich eigentlich nur noch aus einem (wirklichen) Grund rauche: weil ich süchtig bin! Dies ist mir schon eine geraume Zeit klar. Der Wunsch, der Entschluss, die Nikotinvergiftungen aufzuhören, reifte in mir. Aber letztes Jahr war einfach noch nicht die Zeit für mich, denn ich brauchte auch diese Suchtverlagerung. 2015 war nicht nur durch meine Alkoholentwöhnung, sondern auch durch andere Faktoren das stressigste Jahr in meinem bisherigen Leben. Ohne Nikotin wäre der Rückfall in mancherlei Situation wahrscheinlicher gewesen.

Nun aber hat sich sehr, sehr viel entspannt in meinem Leben. Nun ist wirklich die Zeit gekommen, meine letzte Sucht zu stoppen. Ich rauche, noch. Ich habe mir jetzt mal das Starterpaket bestellt. Die Idee, genau Tagebuch zu führen über die einzelnen Zigaretten und die Situationen dazu, finde ich sehr gut. Dieses werde ich mal praktizieren und mir Gedanken machen, wie ich diese Gewohnheiten durch neue Gewohnheiten überschreiben kann. Meinen Schlußpunkttag habe ich noch nicht genau im Kopf, die Pläne entstehen alle gerade. Vielleicht der 14/08 (=genau 2 Jahre trocken. Hm, wie sagt man dazu eigentlich bei Nikotinsüchtigen?). Vielleicht Anfang Juni (dann wollte ich eine Wandertour durch Nordengland machen - wenn alles klappt, mal schauen). Vielleicht auch früher. Das muß ich noch entscheiden.

Habe mal in einigen Threads hier quer gelesen. Viele Gedanken und Gefühle, die hier von Mitbetroffenen aufgeschrieben sind, kenne ich von meiner Alkoholabhängigkeit und meiner Suchttherapie. Nikotin ist zwar keine psychotrope Droge, die die Persönlichkeit so grundlegend ändert wie Alkohol, aber die Süchte scheinen doch sehr ähnlich zu sein. Hat halt alles mit den Botenstoffen im Hirn und dem falschen Lernen zu tun...

Verfasst am: 12.03.2016, 13:31
daufi
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..... ziehe einfach mal den HUT vor euch!!!

lg daufi

Verfasst am: 19.03.2016, 16:33
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Hallo LichtdesNordens, darf man fragen, wie es Dir geht? Gerne würde ich wissen, wie der aktuelle Stand der Dinge bei Dir ist usw. Hast Du dir schon einen Termin ausgesucht, oder wartest Du noch etwas ab?

Wäre schön, man wieder etwas von Dir zu hören.

Viele Grüße

Andreas

Verfasst am: 29.03.2016, 21:42
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Hallo und vielen Dank für die Anregungen und Tipps, vor allem von Dir Markus (es waren nicht zuviele;-) - und Glückwunsch&Respekt zum nüchternen Leben!). Die Idee mit den Gläsern finde ich charmant - ich glaube, etwas in diese Richtung werde ich auch für mich übernehmen. Und Du hast gut zwischen den Zeilen gelesen...

Bei meinem sozialen Umfeld beginne ich gerade peu a peu, mein Vorhaben sozusagen öffentlich zu machen. Die Broschüre vom BzgA habe ich mir sorgfältig durchgelesen. Das Rauch-Protokoll habe ich für einige Tage (Werktag und Wochenendtag) gemacht. Es ist schon interessant, sich selbst dabei zu beobachten. Bei mir sind z.B. echt viele Zigaretten zu sehr festgelegten Zeiten. Vor allem bei einem normalen Arbeitstag. Naja - vielleicht auch wiederum nicht so ungewöhnlich. Feste Struktur führt zu festen Rauch-Zeiten. Laut dem Fagerström-Test habe ich eine "mittlere Abhängigkeit". Diese Einteilung ist schon anders, als die verschiedenen Phasen der Alkoholabhängigkeit, wie dem auch sei.

Mein Tag wird der 04. April 2016 sein. Ich habe viel in mich hineingefühlt, in den letzten Tagen, und ehrlich gesagt: es fühlt sich mit diesem nahen Datum, mit diesem "hier und jetzt", einfach richtiger an, als noch bis zum Juni oder bis zum 14. August zu warten. 4.4.16. Montag, Start in eine neue Woche, Start in die Entgiftung und den Entzug. Mich überkommt so eine gewisse Vorfreude und Abenteuerlust, gepaart mit Respekt vor der Sucht. Ich glaube, es wird schon echt spannend sein, mich selbst zu erleben und zu beobachten. Achtsamkeit üben.

Ein paar Gewohnheits- bzw. Verhaltensänderungen habe ich mir auch schon vorgenommen. Tee anstelle von Kaffee (zumindest für die ersten Wochen oder so), da bei mir vor allem bis nach dem Mittagessen die Zigaretten und der Kaffee doch stark verlinkt sind. [Markenname vom rauchfrei-Team entfernt] (Orange). Und frisches Gemüse zum Knabbern - das wahrscheinlich vor allem Abends, denke ich. Und Sport, viel Bewegung - ich glaube, meinen Rauchstopp könnte ich zum Anlass nehmen, endlich mal mit dem Schwimmen (wieder) anzufangen. Ich laufe sehr gern und regelmäßig, aber vielleicht mache ich einfach mal was neues. Es schwirren noch so ein, zwei Ideen in meinem Kopf herum - aber dazu vielleicht später mehr.

@Markus: eine Frage speziell an Dich - hast/hattest Du auch schon einmal Suchtdruck oder Verlangen nach beiden Suchtstoffen gleichzeitig - oder prägt sich das bei Dir wie zwei verschiedene Paar Schuhe aus?

Viele Grüße Norbert

Verfasst am: 29.03.2016, 21:56
rauchfrei-lotse-meikel
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Lieber Norbert,

schön, dich hier im Forum begrüßen zu können.

Dein Fagerström-Test ist gemacht. Eines ist sicher: Du lernst dich, du lernst deine Abhängigkeit vom Suchtstoff Nikotin neu kennen. Und du wirst an die Abgründe deiner Belastbarkeit geführt.

Keine Sorge, das hat meines Wissens nach bisher jeder überlebt. Dennoch, es ist eine Herausforderung, anzuerkennen, wie sehr du dein Leben nach der Zigarette ausgerichtet hattest. Wie abhängig dein Wohlbefinden vom Glimmstängel war.

Ich, mit meinem Tageszähler, kann dumm daherschwätzen. Auch ich musste erstmal da durch-gerade in den ersten Tagen war es manchmal sehr schwer, standhaft zu bleiben. Aber die Quälerei lohnt sich so sehr!

Ich wünsche dir Mut. Und Kraft.

Dein Meikel

Verfasst am: 29.03.2016, 22:07
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Hallo Licht des Nordens!

Ich wünsche Dir ganz viel Kraft für diesen Entschluss!
Pass auf Dich auf und schau auf Dich!

Keine Sucht macht irgendetwas gut, löst Probleme oder entspannt. Keine.

Halt uns auf dem Laufenden!

LG Sonja

Verfasst am: 29.03.2016, 22:36
Wilma
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Hallo und guten Abend Licht des Nordens,

Herzlichen Glückwunsch zu deinem Entschluss. Gleichzeitig Herzlich Willkommen hier in dieser wunderbaren
Ich wünsche dir viel Glück und Kraft bei deinem Vorhaben.

Liebe Grüße

Wilma

Verfasst am: 30.03.2016, 05:40
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Hallo Norbert, schön das wir wieder was von Dir gehört haben und Du Dir den kommenden Montag als Termin gesetzt hast. Toll, dass Du den Ausstieg so gut vorbereitest, das wird es um ein vielfaches erleichtern. Wichtig ist, sich Alternativen zu überlegen, für die Momente wo man sonst immer geraucht hat. Du hast es ja selber gesehen, viele Situationen sind fest mit einer Zigarette verbunden - hier ist Ablenkung enorm wichtig.

Die erste Zeit kann wirklich schwierig werden, aber es lohnt sich wirklich, weil man deutlich mehr Lebensqualität bekommt.

Viele Grüße

Andreas

Verfasst am: 30.03.2016, 09:49
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Hallo Norbert,

vielen dank für Deine Wünsche in meinem Beitrag. Ich wünsche Dir auch viel Kraft für Deinen Entschluss und ziehe respektvoll den Hut vor Dir, was Du in Sachen Sucht schon erlebt und bewältigt hast.

zusammen schaffen wir das in ein rauchfreies Leben.

Herzliche Grüße Martha

Verfasst am: 01.04.2016, 20:20
LichtdesNordens
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Hi Markus,

danke für Deine ausführliche Antwort, die doch sehr schnell kam (finde ich). Habe mal das als Zitat etwas eingeschmolzen, um darauf genauer antworten zu können...

[quote="Rumo"]
Ich kann Dir zwar keine fundierten Fakten dazu nennen, sondern habe nur meine persönliche Erfahrung.
Doch kam es mir so vor, als wäre die Nikotinsucht in vielen Aspekten anders als die Alkoholabhängigkeit.

Ich bin im Laufe der Jahre einige male beim Rauchausstieg gescheitert, weil ich glaubte meine Erfahrungen 1:1 umsetzen zu können.

Für mich war es sehr hilfreich mit dem "Kopf zu arbeiten".
Nachzuhacken warum ist es jetzt so.
Mich viel mit dem Erlebten zu beschäftigen.
Für jemand anderen mag es richtig sein sich möglichst viel abzulenken.
Beides hat seine Berechtigung.

Es kann sein dass Du für eine Weile "emotionaler" reagieren wirst.
Mir standen z. B. bei ganz schlimmen "Schmonzetten" im Fernsehen die Tränen in den Augen.
Mach Dir darüber keine all zu großen Gedanken.
Das wird auch wieder vergehen.

Im übrigen ist Geduld so wie so die goldene Regel.
Alles wird sich verändern, alles wird wieder besser.
Du mußt nur warten können.
[/quote]

Ich finde Deine persönlichen Erfahrungen mit beiden Süchten sehr interessant! Die verschiedenen Aspekte und das es bei Dir nicht 1:1 umzusetzen ging. Ich glaube, daß ich mir das mal tief merken sollte. Könnte auch mir passieren, daß ich zu sehr auf dem "1:1" beharre.

Gewisse Ablenkungen werde ich schon auch anwenden/praktizieren - aber mir geht es doch eher wie Dir. Ich "arbeite" auch viel mit dem Kopf bzw. vor allem auch mit meiner Intuition, mit meinen Gefühlen, mit dem wie ich etwas erlebe. Nach ein paar Monaten Nüchternheit habe ich (zum ersten Mal in meinem Leben) ein Tagebuch angefangen, um meinen Weg, meine Gedanken, Gefühle, die verschiedenen Situationen mit Suchtdruck und mit Verlangen aufschreibe. Ich werde das mit der Tabaksucht etwas anders machen. Wird zwar am Rande auch Thema für mein Tagebuch, aber eigentlich will ich es diesesmal eher so machen, daß ich vor allem hier im Forum mein spezielles Tagebuch für den Tabakentzug und die Tabakentwöhnung schreibe.

Was das "emotionaler" reagieren anbelangt: da mußte ich stark schmunzeln;-) Da habe ich sehr viele Erfahrungen von der Alkoholentwöhnung!!! Meine Stimmungsschwankungen gingen von glückseligster Euphorie und tiefster Zufriedenheit bis hin zu depressiven Schüben, die pure Verzweiflung und schrecklichste Hoffnungslosigkeit waren. Das ging viele Monate so. Dann wurde es gaaanz langsam besser. Dann wurde es wieder etwas krasser, bedingt durch Arbeits- und Prüfungsstreß - inklusive kleinem Nervenzusammenbruch Ende Oktober. Seit Mitte Januar 2016 und dem Ende der Ausbildung wurde es wieder seeehr vieeel besser(!). Noch viel besser wurde es, als meine (Ex-)Ausbilderin im März aus der Elternzeit wiederkam. Es gab keine Schwangerschaftsvertretung, deswegen hatte ich abgesehen vom sich-selber-ausbilden ca. 80% von Ihrer Arbeit mit gemacht.
Die Stimmungsschwankungen gingen auch wieder weg. Was aber bleibt bei mir, ist daß ich an sich auch einfach ein sehr emphatischer und gefühlsintensiver Mensch bin. Also ob bei Freude oder bei Leid anderer Menschen - ich fühle immer intensiv mit. Das geht bei mir mit Filmen oder sogar Büchern/Geschichten schon wunderbar - also mit dem Losheulen habe ich absolut keine Probleme;-)

Und zuguter letzt: Yo - Geduld haben, das ist wirklich eine goldene Regel. One day at a time! Die AA haben absolut Recht! Dies und auch andere Regeln/Tipps/Weisheiten, die ich hier im Forum bei diversen Leuten bzw. auch auf der Hauptseite und so gelesen habe, kenne ich letztlich bereits von den AA. Ich bin selbst zwar in einer anderen Gruppe, aber naja, bin eben auch ein analytischer und wissbegieriger Mensch und habe viel hier und da gelesen.

Gott - so lang sollte die Antwort eigentlich gar nicht werden, also vielen lieben Dank nochmal für das Teilen Deiner Erfahrungen!

So - nun kurz der Stand der Dinge bei mir: gestern und heute habe ich meine KollegInnen, meinen Friseur, meine Einzeltherapeutin, einige FreundInnen in mein Vorhaben eingeweiht. Bei den KollegInnen auch eben mit dem Hinweis, daß es in den nächsten Wochen oder so mit mir auch mal etwas anstrengender werden könnte (nicht muß). Die kennen das aber schon vom Alkohol von mir, wird also nichts vollkommen neues für die;-) Heute nach Feierabend habe ich mir ein niedliches Sparschwein gekauft, welches fortan den Platz meines Aschenbechers, den ich immer neben meinem PC hier an meinem Schreibtisch hatte, okkupiert. Da kommt dann das gesparte Geld hinein. Alle Aschenbecher und Notkippen in diversen "Verstecken" sind entsorgt. Ein altes Puddingglas ersetzt den Aschenbecher für die jetzt noch gerauchten Zigaretten. Zunächst hatte ich das nicht vor, weil ich den Sinn dessen nicht verstand. Aber irgendwo in einem anderen Thread hatte ich gelesen, daß es hilfreich sein kann bei Suchtdruck bzw. Verlangen einen Atemzug zu nehmen. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen - klar, kalte Asche riecht ekelhaft! Naja - denke, daß das eines der vielen kleinen (aber manchmal verdammt wichtig werdenden) Hilfsmittel sein kann, die ich auch anwenden könnte. Soweit erstmal. Danke euch allen für die aufmunternden Worte - ich wünsche von Herzen allen schöne, rauchfreie Tage! Ich freue mich auf das Wochenende, denn endlich kommt der Frühling nun auch in Berlin so richtig an!