Emotionales Umlernen in typischen Rauchersituationen

Verfasst am: 14.10.2014, 10:06
CaptainMu
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Ex-Raucher kennen es: Man raucht schon seit langer Zeit nicht mehr, ja, denkt nicht einmal mehr an Zigaretten. Man hat sich gemütlich und routiniert in einem Alltag ohne Zigaretten eingelebt.

Und dann plötzlich und aus heiterem Himmel: Schmacht!

Fies daran ist, dass man ja so gar nicht darauf vorbereitet war. All die (psychischen) Schutzmechanismen aus der Entzugsphase hat man schrittweise inzwischen wieder abgebaut, da das Rauchen ja gar kein Thema mehr ist. Und dann BÄNG! ;)

Ist mir gerade vor ein paar Tagen passiert. Ich habe Urlaub und wollte endlich nach einigen Jahren in unserem Haus den Flur unten mit schönen Farben renovieren und einrichten. Draußen wird es dunkel und kalt. Der Geruch von Farben und frischem Holz. Mmmmh! Genau wie damals vor einigen Jahren, als wir das frisch gebaute Haus in langen Abendschichten grundierten, strichen, tapezierten. Fehlt nur noch die Zigarettenpause im Dunkeln vorm Haus, in der ich diese "Pionierstimmung" so richtig genieße!

Äh, moment mal. Ich rauche gar nicht mehr. MIST! Da fehlt mir jetzt aber was. Das hat sich doch früher immer anders, irgendwie "vollständiger" angefühlt mit den Zigarettenpausen. Wäre es schön, diese Stimmung von damals durch eine Zigarette noch einmal aufleben zu lassen...

Zum Glück habe ich durch meinen endgültigen Rauchstopp vor einem Jahr und zahlreiche frühere Versuche verstanden, was da in meinem Gehirn gerade passiert. Eine bestimmte Lebenssituation kannte ich nur als Raucher. Wenn ich dann noch mit ausreichendem zeitlichen Abstand diese Situation rückblickend melancholisch als "so schön" empfinde und sie vermisse, gaukeln mir meine Emotionen vor, ich müsse eine rauchen, um mich je wieder so glücklich fühlen zu können.

Aber die wichtigste Erkenntnis vielleicht: Diese Phase geht vorbei. Und nach 2-3 Tagen Renovierung [u]ohne[/u] Rauchpausen habe ich gelernt, diese neue Gegebenheit (ohne Zigaretten) nun ebenfalls als emotional befriedigend zu empfinden. Ich habe die Situation also mit neuen positiven Assoziationen verknüpft.

Puh, wieder eine alte Rauchersituation umkonditioniert!

Ich glaube immer mehr, dass gerade die Kenntnis dieser Zusammenhänge PLUS die ABSOLUT SICHERE Entscheidung GEGEN das Rauchen vor einem Jahr wichtig waren/sind, um nicht wieder in die Raucherfalle zu tappen. Mir ist jetzt klar, dass ich theoretisch noch nach vielen Jahren einer Situation begegnen könnte, die ich nur als Raucher kannte und in der plötzlich wieder großer Schmacht aufkommen kann.

Diese Erfahrung wollte ich mit euch teilen.

Ich fände es auch spannend zu lesen, was ihr so darüber denkt oder welche Erfahrungen ihr dazu so gemacht habt...

LG Chris

Verfasst am: 14.10.2014, 10:14
adelelistig
adelelistig
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Danke,

ich durchschreite zwar heute erst meinen 10. Tag .... :-)
- mit dem Blick auf Langfristigkeit habe ich Deinen Text gern gelesen! Klingt sehr einleuchtend; darüber denke ich jetzt mal genauer beim Arbeiten nach .....

liebe Grüsse!

Verfasst am: 14.10.2014, 11:48
ManyLu
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Einfach toll, Chris!

Genauso habe ich das auch erlebt und bin öfter gescheitert. Nun in der dritten Woche meines aktuellen Versuchs, von der Sucht loszukommen, habe ich schon einige Situationen umprogrammiert. Aber ich weiß, in 25 Jahren gab es viel mehr prägende Momente und ihre Wiederholung wird noch lange auf mich einwirken! Und dann muss sich jedesmal aufs neue zeigen, wie ich solche Momente anders erleben kann.

Ich glaube auch, dass es bei mir ganz entscheidend ist, die Dinge endlich zu begreifen. Danke für Deinen Bericht, er hilft mir sehr dabei. Als Lehrerin weiß ich, was zum Lernen neben Freude noch dazu gehört: Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung...

Schon sehr alte Philosophien behandeln dieses Thema... im Yoga geht man zum Beispiel davon aus, dass unser Denken unser Handeln bestimmt und dass wiederholtes Handeln Gewohnheiten erzeugt. Das gilt im Guten wie im Schlechten. Und das heißt, dass man über sein Denken sein Handeln und seine Gewohnheiten verändern kann (und damit spirituell gedacht: sein Schicksal). Gar nicht so dumm, diese Überlegungen.

Ich wünsche Dir alles Gute und folge Dir auf Deinem Weg

ManyLu

Verfasst am: 14.10.2014, 12:09
CaptainMu
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Hallo ManyLu,

ich bin ja auch Lehrer - jetzt ist es raus. ;)

Und ich habe viele deiner Beiträge in deinem Thread gelesen. Fand ich sehr spannend, da du es offenbar auch magst, deine Gedankengänge und Emotionen aufzuschreiben und mit anderen zu teilen, um sie dann in der Diskussion reflektieren und bei sich selbst festigen zu können. (OK, Analysemodus wieder aus! ;) )

Ich halte auch viel von Spiritualität. Wobei es mich eher in Richtung China, Laotse, Wu Wei und Tao Te King geführt hat. Aber am Ende merke ich immer mehr, dass die grundlegenden Wahrheiten unseres Lebens sich in allen spirituellen Denkrichtungen wiederfinden lassen. Nur zeigt evtl. jede eine andere Perspektive auf.

Das "Wu Wei" z.B. ist im Wesentlichen die Lebenseinstellung, keine Ergebnisse erzwingen zu wollen, sondern auf den richtigen Augenblick zu warten, in dem der entsprechende Entwicklungsschritt mit Leichtigkeit gelingen kann. Sozusagen mit statt gegen den Wind segeln. ;)

Aber das ist dir vielleicht nicht neu.

Ja, wiederholen, wiederholen, wiederholen. Habe erst vor Kurzem wieder gelesen, dass man einen neuen Aspekt durchschnittlich ca. 7 Mal wiederholt bzw. aus einer neuen Perspektive begriffen haben muss, bis man es dauerhaft gelernt hat. Vielleicht geht es mit wachsender Erfahrung ja auch etwas schneller. Wäre zu wünschen...

Witzigerweise, so fällt mir gerade auf, deckt sich das aber in etwa auch mit den ersten ca. 7 schlimmen Tagen des Rauchentzugs, bis es allmählich besser wird. Natürlich nur, wenn man an diesen 7 Tagen auch immer wieder zu dem festen Entschluss kommt, nie wieder auch nur eine einzige Zigarette zu rauchen.

Vielleicht bedarf es 7 Morgende mit Kaffee ohne Fluppe, 7 Mal einschlafen ohne den "tröstenden" Nikotinschub, 7 Mal Mittagessen verdauen ohne Verdauungszigarette und so weiter... Nur so eine Überlegung mit Augenzwinkern für die, die dies Lesen und noch am Anfang der Reise sind...

LG Chris

Verfasst am: 14.10.2014, 12:15
CaptainMu
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Hallo sslivia,

dankeschön!

Wie heißt es so schön: "Zuhause ist da, wo ich verstanden werde." In dem Sinne schaue ich mal wieder zuhause vorbei und freue mich, einige bekannte Leute wiederzulesen.

Verfasst am: 14.10.2014, 12:33
ManyLu
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Schön, die Idee vom "richtigen Augenblick". Habe ich mehrmals in meinem Leben schon sehr stark erfahren dürfen.

Auch wichtig: die Beachtung der Gefühle beim Umlernen. Die Freude (oder auch das Leid) ist so ein starker Wegweiser in unserem Leben.

Meine stärkste emotionale Umlernsituation:

Ich stehe morgens und abends auf meinem "Raucherbalkon" am offenen Fenster mit der Teetasse in der Hand und lausche in die Dunkelheit. Dabei rieche ich die Nacht oder den Morgen, den Regen, das Laub... Und das war so viele Jahre lang mein Platz mit Kippe und der wichtigste Moment mir ihr. Nun empfinde ich einfach nur Glück und tiefe ruhige Freude, ohne Kippe hier stehen zu können.
Und mein Sohn stellt sich neben mich und plappert fröhlich drauf los. Immer habe ich ihn verscheucht... ich wollte ihn doch nicht vollrauchen! Habe mich so geschämt dabei! Und nun plappern wir beide in die Nachtluft... und es erinnert mich an meine Kindheit vor dem Rauchen auf dem Land... einfach nur wunderschön. Dieses Gefühl möchte ich nie mehr missen.

Wenn wir wirklich auf unsere Gefühle hören, dann werden wir viel mehr negative Gefühle finden, die mit dem Rauchen verbunden sind, als positive. Und wir werden viel mehr positive Gefühle entdecken, die mit dem Aufhören verbunden sind, als negative. Dabei hat mir sehr viel Nachdenken über die Sucht geholfen

ManyLu

Verfasst am: 15.10.2014, 12:32
CaptainMu
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Ich finde das Beispiel des "Raucherbalkons" von dir sehr schön - vor allem in Zusammenhang mit kleinen Kindern.

Bei mir war es die Raucherterrasse. Als unser Kleiner alt genug wurde, sagte ich ihm immer wie "BAH" das ist, was ich da in den Fingern halte und was ich da tue. Wie "schizophren" ist DAS denn bitte? ;)

Das Nachdenken über die Sucht ist sicherlich eine wichtige Sache. Vermutlich wirst du aber auch wie ich an den Punkt kommen, an dem du spürst, dass es irgendwann auch einmal gut damit sein muss - dass das Nachdenken über das Rauchen allmählich zu einer Belastung wird. Aber den Zeitpunkt wirst du sicherlich erkennen.

Im Grunde Bedarf es ja eigentlich nur einer einzigen absoluten, endgültigen Entscheidung, nie wieder eine einzige Zigarette zu rauchen! Punkt! Ende! Aus! KLICK! Wenn das einmal sitzt, ist das ganze drüber Nachdenken nicht Bedingung für den Rauchstopp sondern lediglich Folge des Rauchstopps bzw. des Verarbeitens.

Ok, Nachdenken hilft natürlich auch dabei, überhaupt erst zu diesem Klick zu kommen. Man überlegt sich einen geeigneten Zeitpunkt, eine Strategie, etc. Aber sobald es soweit ist und man aufgehört hat, sollte man nicht ZU viel darüber nachdenken.

Das schlimmste, was man als Ex-Raucher machen kann (meiner bescheidenen Meinung nach), ist es, die Entscheidung gegen das Rauchen irgendwann einmal ernsthaft in Frage zu stellen - oder noch einmal darüber nachdenken zu wollen. Das öffnet ein klitzekleines Törchen für den - und dieses Törchen könnte nach und nach wieder größer werden.

Ein wirklich psychischer und emotionaler Kampf beim Rauchentzug wird es nur dann, meiner Meinung nach, wenn man diese endgültige Entscheidung tief drinnen noch nicht hat treffen können - es noch nicht KLICK im Kopf gemacht hat, wie ich es gerne nenne.

Ohne diese dauerhafte Entscheidung kann dann so eine von mir beschriebene Schmachtattacke auch nach Jahren einen womöglich wieder aus dem Gleichgewicht bringen. Auch kann es offenbar so sein, dass diese einstmals "endgültige Entscheidung" mit den Jahren etwas verblassen kann. War mir so geschehen. Ich hatte auch mit großem Klick aufgehört und sieben Jahre nicht geraucht. Und dann eine Schmachtattacke in einem schwachen Moment... Vielleicht hatte ich damals noch nicht hinreichend verstanden, was es mit den Schmachtattacken auf sich hatte. Deshalb mache ich es mir ja jetzt in diesem Thread klar! ;)

Captain MU

Verfasst am: 15.10.2014, 14:46
Julia2
Julia2
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Oh Chris,

Das du noch mal da bist, habe ich ja erst gerade gesehen. Das ist ja schön! *Freu*

lass dich drücken Hoffe dir geht es Gut nach fast einem Jahr in der Rauchfreiheit!

LG Julia

Verfasst am: 20.10.2014, 13:00
dirk67
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Als ich die Überschrift gelesen habe, war das für mich wieder eine Bestätigung erst mal weiter zu rauchen
und die die Rauchersituationen zu entkoppeln. Der Raucher geht halt leider immer nur den einfachsten
Weg. Habe gestern mal wieder versucht und nach 4 Stunden dann doch wieder eine Packung gekauft.

Ich kann irgendwie mit diesem Stress nicht umgehen und kann nicht mal wirklich beschreiben wovor
ich eine solche Angst habe.

Dieser Entschluss nie wieder zu rauchen erzeugt schon einen solchen Stress das ich je mehr
ich darüber nachdenke mehr rauche. Und schon schließt sich dieser Teufelskreis wieder. Ich rauche
mehr und denke wieder ständig darüber nach das mich der ganze Mist krank macht und mein Selbstbewusstsein.
noch mehr in den Keller zieht.

Dann ist mal wieder ein paar Wochen Funkstille und dann beginnt das ganze wieder von vorne.

Verfasst am: 20.10.2014, 17:31
CaptainMu
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Hallo Dirk,

ich habe mir alle deine Posts mal kurz angeschaut und dabei gemerkt, dass dich der Wunsch nach einem rauchfreien Leben offenbar schon lange beschäftigt, du aber in einer negativen "Gedankenspirale" gefangen bist. Du lässt aber nicht locker und teilst uns immer wieder mit, wie sehr du dir diesen wichtigen Schritt in deinem Leben wünschst. Das ist gut.

Spontan habe ich den Eindruck, dass du eher ein "KLICK-Typ" bist - d.h. dass du auf eine zündende Eingabe oder den richtigen Moment wartest. Das wird natürlich nur passieren, wenn du immer wieder auch einmal neue Perspektiven ausprobierst:

- Hast du es schon einmal mit Hilfsmitteln wie z.B. Nikotinpflastern und/oder Lutschtabletten/Kaugummis versucht? (s. dazu meinen Thread) Die haben mir einen großen Teil der Angst vor der eigenen Courage genommen.

- Hast du dem Rauchstopp auch wirklich die HÖCHSTE Priorität in deinem Leben gegeben?

- Wann und unter welchen Umständen KANNST du deinem Rauchstopp für einige Zeit die höchste Priorität einräumen?

- Hast du schon einmal eine Psychotherapie zu diesem Thema als begleitende oder vorbereitende Maßnahme versucht? Die könnte dir vllt dabei helfen, eine positivere Einstellung zu erlangen.

Wenn du die Perspektive nicht veränderst, wird sich auch dein Verhaltens- und Denkmuster nicht so ohne weiteres ändern.

In dem Sinne wünsche ich dir viel Mut zu wirklichen Veränderungen!

Captain Mu