Das Monster in mir

Verfasst am: 14.03.2014, 11:30
delia0304
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Lieber Meikel,

ich freue mich, dass du in der nächsten Woche wieder nach Hause darfst und vor allem, dass es dir wieder besser geht.

Ich freue mich ebenso, dass du für Menschen in den pfelgenden Berufen Verständnis hast und verstehst, dass es genau bei diesen Menschen gruselige Arbeitsbedingungen gibt. Das bekommen wir dann alle mal zu spüren, wenn wir mal so krank sind, dass wir auf die Hilfe der Menschen angewiesen sind.

Das Thema betrifft uns alle und doch beschweren sich immer wieder Menschen, wenn für die Arbeitsbedingungen und auch für die Bezahlungen dieser Menschen gekämpft/gestreikt wird. Erlebe ich garade wieder am eigenen Leib (nächste Woche gibt es Warnstreiks in NRW - auch in städtischen Kliniken).

Aber so sind die Menschen halt ... was sie nicht persönlich betrifft ...!

Ich wünsche dir weiterhin gute Besserung und deine Berichte sind wirklich klasse.

Liebe Grüße,

Delia

Verfasst am: 14.03.2014, 10:21
Mabelle
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Lieber Meikel,

es freut mich, dass es dir besser geht und die Behandlung anschlägt! Ich wünsche dir für die kommenden Tage weiterhin viel Kraft und deinen humorvollen Frohsinn trotz allem. Da ich im letzten Jahr auch 2 Wochen im Krankenhaus war ist mir das alles noch sehr nah - daher kann ich an dieser Stelle "nur" nochmal kurz aber herzlich gemeinte Grüße senden, ohne allzu viele Worte! Aber es ist sicher tröstlich zu sehen, wie viele Menschen hier im Forum "bei" dir sind, nicht wahr?

Alles Gute weiterhin!
Mabelle

Verfasst am: 14.03.2014, 10:07
rauchfrei-lotsin-andrea
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Lieber Meikel, ich schaff´s einfach nicht, dir lange zu antworten, daher nur ein Gedanke und ein Schmunzler:

Wie du bin ich auch dem Tod schon mal mit quietschenden Socken von der Schippe gesprungen und habe einen lieben Menschen verloren, für den es noch viel zu früh war. Ich glaube das prägt für´s Leben: Menschen wie du und ich sind besonders dankbar für die verbleibende Zeit und können mit "NIX" glücklich sein, wo andere nur das Alltägliche, Banale, selbstverständliche sehen. Mit deswegen mag ich dich so, Meikel. Und so wie du dankbar bist für die Beziehung zu deiner Frau, so bin ich es für die Beziehung zu meiner Freundin (die jetzt die Lungenentzündung hat), mit der ich meinen Alltag teile.

Lächeln musste ich. als du mir schriebst, dass du im Bett abends an Vieles denkst, nur nicht an die Andrea! Ich glaube, unsere Gedankengänge sind da etwas verschieden (feix, grins). Bevor ich einschlafe, gehe ich nochmals meinen Tag durch in Gedanken. Und Menschen, die mir nahe sind und/oder die es gerade sehr schwer haben, werden von mir mit guten Wünschen bedacht. Das können Bürgerkriegsflüchtlinge in Syrien, ein krankes Nachbarskind oder eben du, Meikel, sein.

Freue mich sehr, dass du nächste Woche heim darfst und finde es klasse, dass du auch die Situation des Pflegepersonals siehst (da sind wir uns wieder sehr ähnlich).

Muss jetzt wieder los, herzlichste Umarmung
Andrea

Verfasst am: 13.03.2014, 22:55
Paladin
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Jetzt lass mal die Sorgen, Sorgen sein und erhole Dich etwas.
Gute Nacht Meikel.

(Ich hoffe Heinz schnarcht nicht!)

Verfasst am: 13.03.2014, 22:29
ichwilles
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Lieber Meikel,

ich bin beeindruckt von Deinem Humor, Deiner sprachlichen Phantasie, Deiner Emphatie für die anderen und von Deinem festen starken Willen, der besch**** Situation noch einen herzhaften Lacher rauszu pressen.

Ansonsten fehlen mir die Worte....................also bleibt mir nur: Alles wird gut, ich schicke Dir viel positive Gedanken und Energie.
Bier und alles sonstige hast Du ja.

Alles Liebe ,Sara

Verfasst am: 13.03.2014, 22:22
rauchfrei-lotse-meikel
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Liebe Angelika,

Mein Tag ist beendet. Schon wieder liege ich in der Horizontalen, in meinem per Knopfdruck bedienbaren Bett. Schließe ich kurz die Augen, spüre ich die Wärme einer Kerze. Danke dafür...

Gerade ist Übergabe. Von Spät- auf N8-Schicht. In der letzten Nacht, gestern, war eine einzige Schwester im Dienst, hier auf der Station. 40 Zimmer. Alle mit 2-3 Menschen voll belegt. Im Bergmannsheil-Bochum.

Da, wo es- neben Zwei- Euro -Bier, rund 20 Sorten Zigaretten zu kaufen gibt...

Nein, es ist nicht schlimm.

Es ist Schlimmer.

Unverantwortlich. Unwürdig. Un-Beschreiblich!

Und nicht unbedingt zum Lachen. Meine Form der Verarbeitung, irgendwie...

Alle Pflegekräfte sind am Limit und darüber. Tag, für Tag, für Tag...Ich gehe nächste Woche heim. Alle diese Helden des Alltages bleiben. Weil sie Miete zahlen müssen, Strom und den Kühlschrank füllen wollen. Ein Auto? Manche. Wenn es einen verdienenden Partner gibt, vielleicht.

Junge Frauen, z. T. alleinerziehende junge Mütter, die sich und ihre Kleinen durchbringen. Jeden gottverdammten Tag. Was kriegen Frisch-Examinierte? 1200 Euro? Es ist der schiere Alptraum...

Nein, zum Lachen ist das nicht, längst nicht mehr.

Ich kriege Gänsehaut, deine Kerze wärmt. Innen...

From the bottom of my heart eine Gute Nacht Dir und allen Anderen.

Meikel

Verfasst am: 13.03.2014, 20:47
ichbins
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Moin, moin,

gerade erst habe ich diesen thread entdeckt - wähnte Dich, lieber Meikel, auch wohlauf, da Du mir ja heute Morgen noch in den Hintern getreten hattest. Allerdings habe ich auch nicht darauf geachtet, zu welcher Uhrzeit Du geschrieben hattest.

Ach übrigens Danke für den Arschtritt - mein Silber im Portemoinaie habe ich heute beim Einkaufen ausgegeben - früher habe ich nie passend bezahlt, um Wechselgeld zu horten.

Über Deine Realsatire konnte ich gar nicht lachen - diese Arbeitsbedingungen in Kliniken sind mir nämlich wohlvertraut. Scheint schlimmer geworden zu sein mit dem Personalmangel - früher haben wir unbezahlte Überstunden gemacht, damit alle Patienten wenigstens halbwegs versorgt sind. Heute kehrt man zu den alten Ritualen der 70iger Jahre zurück - 5 mal täglich werden die Patienten getopft - und wer ins Bett macht, hat eben Pech gehabt.
Und glaub mir, es ist ein Sche...gefühl, nicht mehr als zwei Hände zu haben. Irgendwann habe ich das nicht mehr ausgehalten und habe den Beruf gewechselt.

Also - bleib am Ball und sieh zu, dass Du nicht von den weissen und blau-weiss gestreiften Engeln abhängig wirst.
Während ich hier schreibe, steht neben dem Lap die Kerze, die für Dich brennt. Hoffentlich nützt sie was.

Grüße in meine Heimat
Ex-Dortmunderin
Angelika
Oleoleoleole - hier kommt der BVB

Verfasst am: 13.03.2014, 17:48
chrismowgli
chrismowgli
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Hi, Meikel, bestell Heinz mal einen schönen Gruß, ich habe am 20.4. Geburtstag! Allerdings bin ich anderer Gesinnung als mein berühmter Geburtstagszwilling!!! Hat der eigentlich geraucht? Egal, krank war er auf jeden Fall!
Es freut mich, dass es Dir besser geht und Du die Klinik bald verlassen kannst!!!!! Hab eine erträgliche Nacht !

Verfasst am: 13.03.2014, 17:48
Paladin
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Oh je, an welcher Uni warst du da?
Ich denke mal das googlen ist eigentlich nicht nötig Meikel. Und das es Zigaretten in an der Uniklinik gibt ist eigentlich ungewöhnlich. Soweit mir bekannt ist, gibt es beispielsweise an der Uni in München nirgends Zigaretten zu kaufen. Ich drücke Dir die Daumen, wünsche Dir alles Gute und hoffe Dir geht es bald wieder besser.

Verfasst am: 13.03.2014, 17:34
rauchfrei-lotse-meikel
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Ein Universitätsklinikum ist schon ein Faszinosum-irgendwie. Gigantisch!

Es ist wie eine Stadt in der Stadt. Von der Größe her irgendwas zwischen Castrop-Rauxel und Wanne-Eickel. Als Fremder biste hier ohne Navi verloren.

Im Foyer gibt es'nen Friseur und sogar einen kleinen Supermarkt. Wer es will, oder braucht, kann hier zum Beispiel eine Dose Bier kaufen, Stückpreis 2 €. Süßzeug und alle Zigarettenmarken.

Hier in dieser Welt wird die Bildungselite zur nächsten Ärztegeneration ausgebildet.

Wer das Abi mit Eins- Komma-und geschafft hat und dann -natürlich- Humanmedizin studiert, wer ungefähr ein Jahr lang halbwegs regelmäßig die Vorlesungen besucht hat, trifft irgendwann hier ein. An diesen Tagen ist Großkampftag für den hiesigen Zeugwart. Muss er doch auf einen Schlag Dutzende mit weißer Kleidung versorgen. All diese Milchbärte und die postpubertär-verpickelten Zahnspangenträgerinnen.

Jeder von ihnen bekommt sein Namensschild mit der Unterzeile: "Arzt im Praktikum".

Letzte Woche Mittwoch, in der Notaufnahme, lerne ich eine von ihnen kennen. Den Sauerstoff auf der Nase, liegend in der Notfall-Parzelle, atme ich um mein Leben und der Vorhang geht auf.

Eine junge, eine sehr junge Frau, ganz in weiß, stellt sich namentlich vor. Auf dem Schild an ihrer, nennen wir es "Brust", steht: "Arzt im Praktikum". Ich vermute, dass sie volljährig ist.

" Ich werde Ihnen jetzt Blut abnehmen," sagt sie. Ich bin kein einfacher Patient. Noch nie gewesen.

" Ist es für Sie das erste Mal?"-Frage ich. Dass ich diese Frage zuletzt an eine junge, sehr Frau gerichtet habe, ist mindestens 35 Jahre her. War auch in einem ganz anderen Zusammenhang.

Sie lächelt. Keine Zahnspange. "Das dritte Mal," antwortet sie. Los geht es.

Sie trifft mit der Hohlnadel sämtliche, nichtknöchernen Weichteile an meinem Unterarm. Eine meiner bleistiftdicken, blutführenden Venen war nicht dabei. Das Röhrchen bleibt leer.

"Last try", sage ich zu "Frau Doktor".

Dazu kommt es nicht mehr!

Ein weißgekleideter Mann, aus meiner Perspektive Zweimeter-Dreißig groß, schwebt durch den Vorhang. Ist das Gott?

"Mein Name ist Dr. xxx, Internist," sagt er. "Ich übernehme mal". Ich kenne diesen Mann nicht. Aber ich liebe ihn. Schon jetzt.

Mit der Lässigkeit eines Lucky Luke beendet er das Massaker und füllt die Röhrchen. Mit Blut. Meinem Blut.

"Rot und Blau gibt violett," denke ich, sauerstoffsaugend. Mit Blick auf meine Jeans. Es ist viel daneben gegangen bei "Frau Doktor". Egal. Gleich bekomme ich eh das Flügelhemdchen. Unisex. Was nicht mehr bedeutet, als daß Männer und Frauen darin alle gleichscheiße aussehen.

Und sonst?

8 Tage sind rum, mein Gegenüber (Heinz) durfte ich etwas kennen lernen. Heinz war der, der zu Hause mit dem 10-Meter Sauerstoff-Schlauch bis zum Balkon kommt, um dort zu rauchen. Damit die Tapete nicht gelb wird, sagte er.

Heinz ist weltoffen, liest jeden Tag Zeitung. Kennt sich mit seinen Fast-Siebzig aus, im Leben. Er erklärt mir: "Das Rauchen ist das nicht, bei mir. Nicht nur. Am schlimmsten ist der Russe. Die ganze gute Luft verpesten die mit ihr'm Gaspromm."

Heinz freut sich schon. Auf den 20. April. Da trifft er sich mit Freunden. "Kameraden", nannte er sie. Da feiern die Herren einen Geburtstag, einen berühmten. Heinz wird morgen entlassen. Das Jahr 2015 wird er mutmaßlich nicht lebend beenden.

Nächste Woche werde auch ich hier mein Bündel schnüren. Nahezu vollständig wiederhergestellt.

Zwei Vorsätze nehme ich aus dieser Zeit mit: Ich google den 20.4. Und will täglich Zeitung lesen. Das bildet.

Herzliche Grüße
Meikel