Ich brauch‘ es nicht!

Verfasst am: 16.12.2019, 21:16
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N2un denn, dann will ich auch einmal meine Geschichte erzählen.

Ich habe es am 3.10. gelassen - und nie ernsthaft zurückgeblickt. Aber der Weg dorthin war ein langer…
Weil ich froh bin, dass ich aus diesem Hamsterrad draussen bin, dass ich meinen Tag nicht mehr um die Zigaretten herum organisiere, dass ich nicht mehr planen muss, wie lange die Schachtel reicht, wann ich raus kann eine rauchen, dass ich vor meinen Kindern nicht mehr heimlich tun muss und so vieles mehr - darum will ich hier eine Übersicht bieten, wie es bei mir lief. Eventuell erkennt sich der eine oder andere wieder oder kann für sich etwas Hilfreiches rausziehen…

Meine Historie ist folgende:
Ich habe nicht in der Jungend begonnen wie so viele, sondern erst während dem Zivildienst - schön blöd. Freiheit und so, echte Gründe gibt es keine.
Erst war ich Partyraucher, dann kam die Langeweile-Raucherei im Zivi-Nachtdienst dazu und dann habe ich einfach immer weiter geraucht.
Studium, Praktika, Diplomarbeit, „echtes“ Arbeiten, auch dann als die Kinder unterwegs waren und meine Frau aufhörte zu rauchen - ich hab ab ca. 2001 eigentlich immer geraucht.
Letztendlich wurden es über die kommenden 18 Jahre dann circa 1 Schachtel am Tag, unter Stress oder beim Feiern auch mal mehr.

Und ich war einer von denen, die gerne geraucht haben.
„Gerne rauchen“ klingt ja auch viel kontrollierter und freiwilliger als „Süchtiger“.

Man weiß ja, dass es ungesund ist - man macht aus diesem Wissen aber nichts. Ich jedenfalls lange genug nicht. Ich hab’s verdrängt, ignoriert, aufgeschoben.
Außerdem habe ich meine gesamte Raucherkarriere hindurch intensiv Sport getrieben, bis hin zu Marathons und längerem - und keine Einschränkungen gemerkt. Klar, ohne Rauchen hätte ich vielleicht besser sein können, aber man macht’s ja eh nur zum Spaß, also geht es auch so.

Aufhören wollte ich trotzdem immer wieder:
„Nach der Abgabe der Diplomarbeit hör ich auf. OK, nach der Note. OK, nach der Feier.“
„Ah, das Projekt wird stressig, da macht’s kein Sinn, jetzt aufzuhören. Aber danach!“
„Ach, im Sommer, im Urlaub, da ist so ne Kippe der Inbegriff der Freiheit. Aber danach!“
„An Silvester/Geburtstag/Hochzeitstag/TerminFreierWahlEinsetzen lass ich’s dann endgültig.“
…hat immer super funktioniert. Für durchschnittlich 24 Stunden halt nur.

Immerhin hatte ich nie vor den Kindern geraucht, und nie im Haus. Dafür ging ich halt übertrieben oft mit dem Hund Gassi oder hab den Müll toootal freiwillig rausgebracht oder überraschend oft etwas im Auto vergessen oder voll gerne auf dem Balkon vom Büro telefoniert, natürlich nur um die anderen nicht mit meinem Gespräch zu belästigen. Ich musste auch untypisch oft aufs Klo, wenn ich lange Autofahrten zu absolvieren hatte. Und die liebste Zigarette von allen war die „Gipfelzigarette“ auf dem Berg.

Letztendlich war ein Flyer im Warteraum meines Hausarztes der Auslöser für meinen Rauchstopp.
Rauchfrei durch Hypnose.

Mhmmm, so ein Blödsinn. Mal wieder was um Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Mit diesem Gedanken machte ich mich auf die Suche nach anderen Lösungen zur Raucherentwöhnung und fand das Seminar, das die Gebietskrankenkasse hier anbietet.

Hypnose kommt nicht in Frage, weil ich weiß, dass etwas an das ich von vornherein nicht glaube, nichts bringen wird bei mir.

Das 6 wöchige Seminar mit psychologischer Begleitung und Therapeuten in Gruppensitzungen war da deutlich stimmiger für mich und ich meldete mich an. Termin 1-3 war vorbereitend, nach dem 3. wäre (spätestens) für alle Schluss, die 3 Folgetermine sind zur Stabilisierung und gegenseitiger Unterstützung.
Noch vor dem dritten Termin und somit dem „offiziellen gemeinschaftlichen“ Stopp hat’s mir am 3.10. Abends gereicht.
Schachtel leer, letzte um 21.00 geraucht, keine neue mehr gekauft, Feuerzeuge aus Jacken und Hosen, alles was nach Rauch stinkt in die Waschmaschine geschmissen.
Jetzt sinds fast 11 Wochen seit der letzten, über 7 Stangen, die ich nicht geraucht habe. Und es wird mit jedem Tag leichter, besser, freier.

Ich hatte zur Vorbereitung die erste Woche ein Rauchprotokoll geführt, dass u a auch abfragt, ob die Zigarette nötig war, Genuss war usw - und ehrlicherweise war es keine einzige: es ist Sucht, es ist Ritual, es ist gelernt, es ist bescheuert. Ich hatte keinerlei Lebensqualität oder Entspannung gewonnen dadurch. Es ist eine Fremdbestimmung, die ich sonst in keiner Lebenssituation je hatte. Nie wieder - hoffentlich. Ich bin unglaublich froh, dass ich’s los habe und kann’s jedem dem aufhören will nur empfehlen, es zu tun - es klappt irgendwann - und es ist es wert!

Fragen? Gerne.

Verfasst am: 16.12.2019, 21:59
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[quote="Guy79"]
War es nicht wahnsinnig schwierig sich einzureden, man raucht gerne, wenn man sich bei langer Autofahrt vor den Kindern im Wagen hinter dem Klohäuschen versteckt? Oder zum x-ten Mal den inzwischen unwilligen Hund rauszerrt?
[/quote]

Ach, klappt alles, solange man sich a) einredet, dass man doch kein schlechter Einfluss sein will, die Kids sind ja noch jung und b) so ein Jagdhund eh nicht genug bewegt werden kann.

Klappt halt nur bis zu dem Punkt an dem man das alles hinterfragt und feststellt, dass die Raucherei nix gutes bringt und solche Heimlichtuerei echt bescheuert ist.

Verfasst am: 16.12.2019, 21:59
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[quote="Mitgard"]
Nein, es ist ganz bestimmt kein Patentrezept, das wär ja zu schön um wahr zu sein... Für mich war es das, für einige andere auch... Für viele andere natürlich nicht... Hab ich auch nie behauptet... Im Gegenteil... Der Weg ist das Ziel...

Viel Glück bei Deinem weiteren...
[/quote]

Danke Dir! Und ebenso.

Verfasst am: 16.12.2019, 22:08
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Moin,

ist schon interessant, wie weit der Selbstbetrug gehen kann - oder.... ich meine, wenn Du hinter'm Klohäuschen oder "vom Auto" oder wo auch immer her gekommen bist und nach Qualm gestunken hast, haben es Deine Kinder ja doch gerafft - spätestens, als sie die ersten Male in der Öffentlichkeit einen rauchenden Raucher gesehen und gerochen und den Bezug zu Deinem Geruch hergestellt haben

Ich wünsche Dir, daß Du Deinen Weg nun erfolgreich fortsetzen kannst - Deine Frau findet es ja bestimmt auch klasse und unterstützt Dich

Und - was Uwe/Mitgard angeht - ja, in dem einen Beitrag hat er teilweise wirklich ins Klo gegriffen mit seinen Formulierungen - wurde ja auch vom rf-Team ermahnt - von der Sache her betreibt er aber einfach 'ne Art Schocktherapie, die selbstverständlich für viele nicht die geeignete ist.... für manche aber schon, wie in seinem WoZi zu lesen ist.... und ich denke, er ist kompromißlos ehrlich und will trotz allem, die einzelnen Personen nur aufrütteln/durchschütteln....

Schöne rauchfreie - außer von Kerzen : - Weihnachtsfeiertage
wünscht
de Nomade

Verfasst am: 17.12.2019, 05:19
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@Guy79 - ist ja kein Zumüllen.

Und danke für deine Ausführungen, bringt mich zum Nachdenken bzw. lässt es mich mein Verhalten „damals“ reflektieren.
Habe ich wirklich gerne geraucht? Oder mir das nur oft genug eingeredet, um mich der Sucht nicht final stellen zu müssen? Habe ich dazu „gestanden“, dass ich Raucher bin?

Rückblickend gab es da nämlich genug Situationen, in denen ich nicht oder nie der „stolze“ Raucher war.
Vor einigen nichtrauchenden Sportfreunden habe ich nie geraucht oder den Umfang meines Rauchverhaltens nie eingestanden. („Nur am Wochenende.“)
Vor den Kindern wie erwähnt nie.
Meine Eltern wussten es zumindest offiziell nicht, habe nie bei / vor ihnen geraucht, nie darüber gesprochen. Man stammt ja aus einer gesunden Pädagogen-Familie...

Schon krass, was für Verhaltensweisen man sich für die Dinger zulegt - um sie „genießen“ zu können. Yeah, right: Genuss...

Verfasst am: 17.12.2019, 07:56
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[quote="Fantasy"]
Krass, 6 Wochen Seminar.
Ich war nach einem Tag durch, allerdings mit Hilfe der von dir abgelehnten bzw. nicht für wirksam geglaubte Hypnose.
[/quote]

Also nicht 6 Wochen täglich - 6 mal 90min Gruppensitzungen, zusätzlich noch 2 Telefonate mit der Psychologin.
Für mich eine ziemlich sehr gute Methode - wobei ich die Hypnose nur für mich ablehne, nicht grundlegend.
Es gibt viele Wege zum Rauchstopp.
Mir haben die Gruppensitzungen hinleitend zur Schlusspunktmethode am besten geholfen.
Andere machen's über eine schrittweise Reduktion, mit Pflastern oder Snus, mit Spray oder Dampfer...
Im Ende zählt der Erfolg, wenn man's schafft von dem Mist wegzukommen.

Verfasst am: 17.12.2019, 18:14
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Hey Trine, der Umerziehung ist tatsächlicher schwerer und langwieriger als der körperliche Entzug...
Aber schiffbar, da bin ich mir sicher.

Verfasst am: 17.12.2019, 22:43
PrinzRalf
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Hi,

bist ja schon auf einem guten Weg, 75 Tage ist schon was.

Habe dich ja eben schon kurz im Chat gesehen, wünsche dir eine schöne Restwoche :-)

LG Ralf

Verfasst am: 19.12.2019, 07:14
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Danke, Guy79.
Du scheinst dich aber selbst auch sehr detailliert und klar mit dem eigenen Sucht/Entzugs-Verhalten auseinanderzusetzen- was mMn am meisten hilft. Mehr als Jammern allemal, immerhin hat man sich das alles sehenden Auges selbst eingebrockt...

Zwischenbilanz:
11 Wochen liegen hinter mir, über 1500 Kippen tun es nicht.
Ich denke nach wie vor über das Rauchen nach, aber die Wehmut ist weg. Ich bin da immer nüchterner geworden, zusehends (endlich) ist die emotionale Bindung immer schwächer geworden. So etwa wie bei der Ex, die eigentlich nie zu einem gepasst hat, der man aus falscher Nostalgie aber trotzdem ewig nachjammert. Bis mans einsieht, wie sch... die Beziehung ehrlich betrachtet war.

2 Tage noch ins Büro, dann wird’s endlich mal über 2 Wochen ruhiger bei mir...

Verfasst am: 19.12.2019, 16:27
Midgard
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Du hast recht, die Mimosennummer steht mir nicht gut zu Angesicht... Von daher müßt ihr mich noch ne Weile aushalten...

HGW zur 77, super Hausnummer!!! Weiter, immer weiter!!!

Gruß Uwe