Künstler, Berliner, Lebenskrise, ein Klischee bedienen ..:)

Verfasst am: 29.07.2016, 21:51
rosaluxemburg
rosaluxemburg
Themenersteller/in
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Rauchfrei seit:
Beiträge: 1 Beiträge

Liebes Forum,

es hilft mir schon, mich erstmals Menschen zu öffnen, die ein ähnliches Ziel verfolgen.

Vor einem halben Jahr habe ich versucht mit dem Rauchen aufzuhören und anderthalb Monate durchgehalten. Dann sind viele Niederschläge in mein Leben getreten, kurz nacheinander. Als mein Freund die Beziehung beendete, rauchte ich zunächst viel und hörte dann ein weiteres Mal auf. Ich begann zu meditieren, schrieb Bewerbungen, wollte, dass sich etwas Grundlegendes verändert. Nach anderthalb Monaten verstarb ein geliebter Mensch und eine Welt zerbrach für mich. Kurz darauf erhielt ich Absagen für weiterführende Studiengänge. Trauer und Zukunftsangst ließen mich schwach werden, ich rauchte. Aber ich versuchte nochmals aufzuhören und hielt es ca. einen Monat durch. Die Versuchung wurde zu groß als ich aus finanzieller Not zu meiner Familie ziehen musste, meine Mutter raucht sehr viel und so gönnte ich mir zu meinem Geburtstag wieder eine Zigarette... einfach um zu feiern anstatt Trübsal zu blasen.

Da ich dringend eine Weiterbildung und/oder Arbeit suche nach meinem Studium, bin ich oft verzweifelt und müde. Ich weiß, dass diese Müdigkeit eng mit dem Rauchen zusammenhängt, das ist der Hauptgrund, warum ich aufhören möchte, um endlich um 7 Uhr morgens wach zu werden und voller Kraft in den Tag zu starten! Leider macht mich auch der Entzug müde und sorgt für starke Verstimmungen. Was soll ich tun? Das Rauchen ist in meiner Stadt, meinen Kreisen und selbst zuhause präsent. Wenn man wirklich in allen Lebensbereichen eine Krise hat - von Liebe bis zum Geld, zum Erfolg, zur Wohnsituation - sollte man gerade dann aufhören, oder sich den Entzug für eine stabiliere Zeit aufheben? Habt ihr Erfahrungen? Lieben Dank schon einmal, dass ich das mal loswerden konnte. : )

Liebe Grüße
Rosa (26)

Verfasst am: 30.07.2016, 06:17
Rin
Rin
Dabei seit: 18. 02. 2016
Rauchfrei seit: 2794 Tagen
Beiträge: 19 Beiträge

Hallo Rosa,

ich kämpfe auch mit mir und einer ähnlichen Situation. Ich hatte meine Krise letztes Jahr. Bei mir ging es allerdings noch ein paar Ecken weiter. Musste mich von einigen Menschen trennen, die mir das Leben schwer oder gar zur Hölle gemacht haben und erstmal zurück zu mir finden. Genau wie ich scheinst du den Rauchstopp als Verlust zu sehen und zu empfinden. Ich scheiter(t)e auch immer wieder an dem Druck, den ich mir selbst gemacht habe. Dass du müde und abgeschlagen bist, wundert mich auch nicht. Auch das kenne ich. Man kann nicht an allen Baustellen gleichzeitig kämpfen. Allerdings bin ich ein Gegner von guten Vorsätzen wie: "auf bessere Zeiten warten". Diese besseren Zeiten wird es mit Sicherheit geben, aber dann kommt auch mal wieder eine bescheidene Phase. Und das meist, bevor man den psychischen Entzug durch hat. Diese Erfahrungen habe ich in den letzten Jahren (mit 3 Jahren totaler Nikotinabstinenz) mehr als einmal gemacht.

Aus meiner Therapie und Erfahrung damit im letzten Jahr kann ich mein 1-Satz-Resümee hervorbringen:

Alles, was in du fühlst und tust entsteht aus Gedanken.

Ich beschäftige mich im Moment, wie ich meine Gefühle während des Entzugs (vor allem Ärger und Wut) in die Bahnen lenke, in denen sie mir helfen, rauchfrei zu bleiben. Ich hab dazu allerdings eine andere Geschichte. Und so langsam schöpfe ich wieder Hoffnung, dass ich es doch noch schaffen kann. Weil der Wille und der Leidensdruck sind definitiv da.

Ich hab mir gestern weitere kleine Karteikarten geschrieben und sie unterteilt in Ablenkung und Motivation. Geld ist auch eines meiner Themen. Geld, dass ich eben nicht habe und auch nicht mehr fürs rauchen verschwenden möchte.

Sehr motivierend finde ich auch immer Nie wieder einen einzigen Zug von Joel Spitzer. Ein kostenloses Buch im pdf Format, das man googlen kann (NWEEZ). Eine andere Alternative ist Dr. Steffen Frähdrich mit Nichtraucher in 90 Minuten. Das ist ein youtube Video. Ich schaue und lese wann immer ich Zeit habe und versuche, durch Konstante Wiederholungen meiner erarbeiteten Leitsätze den rauchstopp wieder als etwas Positives, Gewinnbringendes zu sehen. Einer meiner Sätze, der ganz viel in mir auslöst ist z. B. "Ich habe bis jetzt alles in meinem Leben erreicht, egal was es kostete. Wenn ich es nur wollte..." Dieser Satz hat mich z. B. schon durch Mega harte Zeiten getragen. Und ich denke, solche Erfahrungen hat jeder von uns. Ich denke aber, dass die besten Motive nicht die sind, die jeder kennt und am besten noch in der negativ Formulierung ala:

Rauchen macht krank. Rauchen kostet Geld. Rauchen ist gesellschaftlich inakzeptabel...

Das wissen wir Raucher alles. Wir sind Meister unserer Sucht.

Motivation funktioniert aber anders. Positiv. Zielführend. Und vor allem mit Belohnungen.

Für mich also:
Ich möchte wieder frei sein.
Ich möchte wieder über meine Zeiteinteilung entscheiden.
Ich möchte wieder Geld haben.
Ich möchte wieder tief durchatmen und leistungsfähiger sein.

Nicht ich muss. Weil ein "Muss" in den legalen Handlungsspielräumen eines Erwachsenen eigentlich gar nicht existent ist. Der Spruch "Ich muss gar nichts (außer irgendwann sterben)" ist gar nicht so verkehrt. Aber wir können zumindest aufhören, aktive Sterbehilfe an uns selbst zu betreiben. Klar. Ich kann ja viel erzählen, hab ja selbst noch den Glimmstängel in der Hand. Aber im Gegensatz zu Millionen anderen Rauchern sind wir alle aus ein und demselben Grund hier. Egal, wie weit wir gekommen sind. Jetzt gilt es, den persönlichen Schalter zu finden. Die eigene Triebkraft, die die Maschinerie in den härtesten Momenten in Gang setzt. Ich hatte sie damals gefunden. Damals hieß mein Leitsatz: "Ich werde mich niemals wieder für irgendetwas oder für irgendwen umbringen." Insofern hatte ich das Rauchen mit Suizid auf Raten gleichgesetzt. Aber damals waren meine Umstände auch noch anders und in den letzten 4 Jahren ist sehr viel passiert. Also muss ich in mich gehen, meinen Weg suchen. Und selbst wenn ich im Moment noch im Dunkeln tappe, immer wieder aufstehen, wenn ich hinfalle. Ich weigere mich einfach, aufzugeben und vertraue darauf, dass ich es schaffe, wenn ich kontinuierlich meinen Weg suche.

Ich wünsche uns allen viel Erfolg.

Liebe Grüße
Rin

Verfasst am: 30.07.2016, 10:28
Rin
Rin
Dabei seit: 18. 02. 2016
Rauchfrei seit: 2794 Tagen
Beiträge: 19 Beiträge

[quote="faustino"]
Hallo Rosa,

erstmal hallo. Eine gute differenzierte Zustandsbeschreibung hast Du gemacht. Ich bin kein Lotse und möchte mich nicht in die Lotsenarbeit einmischen.
[/quote]

Wollte keinem zu nahe treten, falls mein Beitrag übers Ziel hinaus geht.

Verfasst am: 30.07.2016, 20:32
miezhaus
miezhaus
Dabei seit: 23. 05. 2014
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Beiträge: 4214 Beiträge

Liebe Rosa,

auch von mir ein herzliches Willkommen. Schön daß Du hierher gefunden hast. Sinn dieses Forums ist es letztendlich auch, Bedenken im Vorfeld gemeinsam zu reflektieren und Entscheidungshilfe zu geben. Deshalb freue ich mich, daß Du hier bist und Deine Überlegungen mit uns teilst.

Es tut mir leid, daß Du Dir derzeit so viele Gedanken machen mußt über das Gleis, auf dem Du gerade fährst und wo es Dich wohl hinführen mag. Mal ganz abseits Deiner Lebenssituation möchte ich Dir hierzu jedoch auch eine Frage zur gedanklichen Diskussion stellen:

Welcher ist denn der perfekte Zeitpunkt?

Nutzt Deine Sucht vielleicht die Sinnkrise, die ich an dieser Stelle nicht mehr näher auszuführen gedenke (da bereits durch meine Vorredner, wie ich finde, sehr gelungen geschehen), für sich? Suggeriert sie Dir vielleicht, daß diese Dich daran hindern sollte, sie Dir vom Hals zuschaffen? Ganz bestimmt sogar.

Dabei: Was tut sie denn für Dich, die Sucht? Sie raubt Dir Energie, die Du Dir so dringend wünschst. Schon allein rein körperlich aufgrund geringerer Sauerstoff-Versorgung, doch auch die geistige Beweglichkeit ist nicht so gewährleistet, weil jeder Gedankenfluß irgendwann von dem Geplärr Deiner Sucht "Ich will jetzt eine Zigarette haben!" unterbrochen wird - und ständige Unterbrechungen der Gedanken heben das Streß-Level auch, wußtest Du das? Es ist, wie wenn Du konzentriert arbeitest und ständig klingelt das Telefon - der Effekt ist derselbe. Dann sprichst Du z. B. von Geld: auch das zieht die Sucht zusätzlich. Von der Wohnsituation: Dir stünden als Nichtraucher wahrscheinlich mehr Miet-Türen offen denn als Raucher, könnte ich mir denken (lies mal Mietgesuche in der Zeitung: Das Kürzel NR wird da teilweise schon als Argument verwendet...) Und egal, was Dich umtreibt: das Rauchen von Zigaretten wird dagegen nichts ausrichten, es Dir nicht leichter machen, Dein Leben nicht verbessern.

Nun überlegst Du, ob Du in stabileren Zeiten aufhören solltest. Doch denkst Du, die Sucht läßt Dich dann eher kampflos aufhören? Sicher nicht. Sie wird dann andere "Argumente" finden, Dich weiter zu binden. "Jetzt geht es mir doch gut, es ist mal Ruhe eingekehrt, warum sollte ich mich jetzt wieder anstrengen und aufhören?" Oder "Jetzt geht es mir doch gut, gesund bin ich auch, ich hab doch eigentlich keinen Grund aufzuhören!" Oder auch "Also wegen dem Geld muß ich jetzt nicht mehr aufhören: Warum also?" Deine Sucht wird immer, immer versuchen, Dich davon zu überzeugen, sie weiter zu füttern. Und Ausrutscher oder Rückfälle passieren auch Aufhörern in den stabilsten Lebensphasen, das ist eine Tatsache, die Du sehen kannst, wenn Du hier liest. Es ist auch kein Beinbruch und keine Schande, denn nur daraus kann man erlernen, wo liegen denn meine Schwachstellen, und was muß ich anders machen, damit es nicht mehr passiert?

Ich möchte Dich auf gar keinen Fall animieren, Hals über Kopf, überstürzt und unter Druck aufzuhören, ganz im Gegenteil, Du solltest frei für Dich entscheiden und ohne Druck den Absprung wagen. Doch ich persönlich glaube einfach daran, daß die Suche nach dem perfekten Zeitpunkt müßig ist. Deine Sucht wird es nie perfekt finden, wenn Du sie aus Deinem Leben verbannst, und versuchen, alles, aber auch wirklich alles, was um Dich herum passiert, gegen Dich zu verwenden. Sogar die stabilste Situation. Und dies ist auch ein Erfahrungswert von mir.

Welcher Zeitpunkt ist also schon perfekt...

Liebe Rosa, ich unterstütze Dein Ansinnen, das Rauchen aufzugeben, absolut. Und egal wann für Deinen Entzugsfilm die erste Klappe fällt, wir gehen den Weg gern mit Dir mit. Es ist auch kein Weg, der Dich ängstigen muß: sicher wird er vielleicht manchmal ein wenig holprig, aber in jedem Fall ist er ein Gewinn. Denn was hättest Du zu verlieren? Nix. Und was gewinnst Du? Idealerweise rauchfreie Zeit - egal wie lang sie dauert, jeder Tag ist ein Gewinn - und vielleicht die eine oder andere Erfahrung, was Du umräumen mußt, um ans Ziel zu kommen. Und sollte es zu einem Rückfall kommen: In keinem Fall wärst Du schlechter gestellt als vorher. Also, was verlierst Du? Und sind die Gewinne

http://www.rauchfrei-info.de/aufhoeren/vorteile-des-rauchstopps/

(nur so als Anfang, es gibt ja da sicher noch mehr, sicher fallen Dir auch einige noch ein)

nicht eine Perspektive, für die es sich anzutreten lohnt?

Herzliche Grüße sendet Dir

Lydia