Kein Meister fällt vom Himmel

42 Tage ohne meine beiden Freunde. Meine zwei Abendzigaretten, meine Betthupferl. Zwei Krücken, die mir das Leben scheinbar sehr erleichtert haben. Ich vermisse sie.

Ich hatte eine heftige Erkältung mit starkem, trockenem Husten und bin drei Tage, teils mit Fieber, im Bett gelegen. Draußen regnete es mehrere Tage ununterbrochen. Zum Rauchen raus zu gehen, wäre völlig bekloppt, falsch, dumm gewesen. Also blieb ich im Bett. Die Erste Woche hatte ich mit dem Rauchstopp kaum Probleme - erstaunlich. Aber dann: Das Fieber ließ nach, der Regen auch. Immerhin bellte ich aber noch den Husten hinaus. Mit Zigarette die Lunge aus dem Hals kotzen. Na, das fehlte noch. Der Lächerlichkeit wollte sich mein Ego nicht preisgeben. So schaffte ich auch die zweite Woche. Die Wochen drei und vier waren sehr wechselhaft. Totale Müdigkeit und Verzweiflung wechselten sich ab mit Euphorie und Stolz. Frust wandelte sich stündlich in Zuversicht.

Ich bin jetzt 56, bin gesund und mit mir zufrieden. Ich habe - mit drei Unterbrechungen wegen Schwangerschaft und Stillzeit - ca. 40 Jahre geraucht. 2 Zigaretten am Abend. In Worten: ZWEI. Selten auch mal 3. Unglaublich wie schwer es mir fällt, sich von diesen zwei popeligen Dingern loszusagen.Wie viele Argumente sich abends für den sofortigen Wiedereinstieg finden. Auch nach jetzt vier Wochen. Das Thema Rauchen war nie so präsent, wie jetzt.

Rauchen ist in meinem Verstand so verdammt positiv besetzt. Mein verehrter Großvater bestand praktisch nur aus Nikotin. Ebenso mein geliebter Vater. Auch heute noch verbinde ich frisch ausgeblasenen Rauch mit den beiden. Und als ich jung war, war Rauchen soooo normal, soooo verbreitet, soooo cool.

Der Suchtfaktor zweier Zigaretten ist sicher nicht so sehr hoch, aber die Gewohnheit abends ein paar Minuten für mich zu haben, mich für den bestandenen Tag zu belohnen, diese lieb gewonnene Gewohnheit aufzugeben, fällt mir sehr schwer. Der kleine abendliche Rausch, der auch nach vierzig Jahren immer noch häufig eintrat, ist weg. Stattdessen entstand eine Leere in der Mitte des Körpers, die zu füllen mir nur langsam gelingt. Es ist mir schrecklich langweilig, abends hier nur zu sitzen, ohne mich auf etwas freuen zu können. Genauso langweilig ist die Vorstellung, nun zu der Gruppe der Nichtraucher zu gehören (obwohl ich mich tatsächlich nie als Raucher bezeichnet habe -reiner Selbstbetrug!). Nichtraucher sind langweilig, militant, moralisch...

Ich weiß, dass das NICHT stimmt, trotzdem empfinde derzeit so.Was hat sich also bisher für mich zum Positiven verändert? Ich muss mich nicht mehr zum Deppen machen lassen, draußen im fiesen Nieselregen auf dem Balkon zu hocken. Mein "Darth Tin Niko" im Kopf hat sein Lichtschwert zumindest mal eingefahren. Und manchmal legt er es sogar schon aus der Hand! 

Meine kleine geschundene Lunge atmet auf - tatsächlich! Obwohl es nur 2 Zigaretten waren, die tagtäglich in ihr verdampften, atmet sie jetzt tiefer. Trotz allem weiß ich noch nicht, ob ich froh sein soll oder nicht. Das macht mir aber nichts. Ich lebe von Tag zu Tag. Freue mich über die gesammelten rauchfreien Tage, über die Anzahl der nichtgerauchten Fieslinge! Ich freue mich über meinen alten naiven Sturkopf (positiv kann man es natürlich auch Disziplin nennen!). "Da haste dir jetzt was eingebrockt, nun wird aber mal fleißig gelöffelt! Aufgeben kannste ja immer noch, heute wird durchgehalten."
Sehr herrlich!  

Freiheit! Mein höchsten Gut! Ich bin auf einem guten Weg frei zu werden von der Abhängigkeit. Die dunkle Seite hat schon weniger Macht über mich. Und sollte ich es jetzt nicht packen, dann muss ich eben wieder von vorne anfangen. Meister und Himmel... klar?