Eine zweite Chance

Wer am Leben hängt, sollte sich doch gut überlegen, ob er nicht lieber aufhört. Auch wenn es sehr schwer für die meisten ist, die noch keine gesundheitlichen Probleme gehabt haben: irgendwann kommen sie.

Hallo ihr ehemaligen Raucher,

Ich möchte mich hier erstmal vorstellen und was von meinem Rauchstopp berichten.

Ich bin männlich, 59 Jahre alt, stehe noch voll im Berufsleben und rauchte bis vor kurzem. Seit meinem 13 Lebensjahr. Ich bin in Holland geboren und aufgewachsen. Es war damals in Holland normal, mit 13 Jahren zu rauchen. Das sind mittlerweile 46 Jahre mit bis zu 50 selbstgedrehten schwarzen Tabakzigaretten täglich. Ich habe viel und gerne geraucht.

Und wenn Mutter und Schwester mich gewarnt haben, dass mein Vater sich auch so „zu Tode geraucht“ hat, habe ich gedacht, dass mir das nicht passieren wird, weil es mir doch gut dabei geht. Meine Frau hat auch gerne und viel geraucht und uns hat der Raucherhusten nichts ausgemacht.

Bis vor ca.15 Monaten. Da wurde das morgendliche Husten auf einmal viel heftiger bei mir. Auch tagsüber musste ich öfter Schleim aufbringen.
Ich bekam dann eine heftige Grippe und dachte, dass es von der Grippe kam. Das ging Monate so weiter. Dann entdeckte ich auf einmal, dass meine rechte Leiste angeschwollen war. Na ja dachte ich, ein leichter Leistenbruch vielleicht. Das hatte ich vor 40 Jahren schon mal. Und nach einer OP alles wieder OK.
Bis zum 29.04 dieses Jahres. Ich gehe abends zu Bett und wache gegen 2 Uhr nachts auf, weil ich keine Luft mehr bekam. Ich stehe auf und gehe auf die Terrasse hinterm Haus an die frische Luft. Es wurde immer schlimmer, bis morgens um 6 Uhr. Dann erst mal vorsichtig eine geraucht und Gedanken gemacht über Lungenkrebs. Kaum zu glauben, nicht?

Es war ja Wochenende, also keine Arbeit, sondern erst mal im Netz informiert über die Anzeichen von Lungenkrebs. Und ordentlich dabei geraucht natürlich. Auweia vielleicht doch kein Leistenbruch, sondern ein angeschwollener Lymphknoten, rechte Leiste: Typisch für Krebs. Na ja denke ich, nicht verrückt machen. Erst mal abwarten. Mann macht sich aber verrückt.
Montagnacht gleiche Uhrzeit, gleiche Atemnot. Morgens um 6 Uhr wieder alles OK. Um 7 Uhr zur Arbeit und den ganzen Tag schwer Luft bekommen. Der Rest der Woche „so lala“ aber keine Atemnot. Bis Donnerstagnacht um 2 Uhr: Wieder so heftig. Morgens bei der Arbeit abgemeldet und zum Arzt. Und weil ich mir sicher war, dass ich Lungenkrebs habe, noch vor dem Arztbesuch um 8 Uhr eine geraucht. Sowieso egal, wenn es so ist..

Freitag 05.04.2019 8 Uhr morgens: Letzte Kippe, morgens beim Onkel Doc, der mich seit meiner Jugend behandelt. Ich ihm das ganze so erzählt und auch von meiner Leiste. „Na dann zeig mal deiner Leiste.“ und er fragt mich echt böse, warum ich nicht viel eher gekommen bin. Ich sagte ihm dass ich zuerst gedacht habe, dass es nur ein Leistenbruch ist. Er alles abgetastet, und wo er sagte, dass es wirklich ein Leistenbruch ist, fiel mir der erste Stein vom Herzen. „Aber trotzdem machst du keinen guten Eindruck“, meinte er gleich darauf, „also freue dich nicht zu früh und tue das, wozu ich dich schon seit über 30 Jahre bitte: HÖRE ENDLICH AUF ZU RAUCHEN.“ Jo mach ich, sagte ich ihm. Er glaubte mir das aber nicht – ich sah es in seinen Augen.

Ich habe vor Jahren schon mal versucht aufzuhören: 3 lange Tage.
Meine Frau wollte Ausziehen, Meine Freunde und Kinder haben nicht mehr mit mir gesprochen. Kurzum: Ich war das absolute Ekel, nicht auszuhalten. Und alle haben – glaube ich – gefeiert, als ich wieder angefangen habe.

Am gleichen morgen Bluttest, Herzuntersuchung EKG und alles gemacht, montagmorgen sollte ich wiederkommen für die Ergebnisse. Ich bin nach Hause und habe meiner Frau berichtet. Sie hatte genau so viel Angst um mich, weil sie gesehen hat, wie ich am Boden auf der Terrasse nach Luft geschnappt habe.
Es muss beim Arzt irgendwie Klick gemacht haben denn ich hatte kein Verlangen nach einer Kippe, als ich beim Arzt herausging. Das war sonst immer das erste, wenn ich von ihm kam. So krank konnte ich gar nicht sein, dass ich nicht geraucht hätte. Aber jetzt, kein Verlangen – und das blieb auch so. Aus purer Angst, denke ich.

Ich habe am Wochenende meine Patientenverfügung fertig gemacht und alle Papiere, die meine Frau so braucht, wenn es dann los geht. Und ganz viel nachgedacht. Montagmorgen war ich der erste beim Arzt – bin ich sonst nie. Mit weichen Knien ging ich zu ihm herein. Seine erste Frage, wie viel ich am Wochenende geraucht habe: „Gar keine und das bleibt auch so“ war meine Antwort. Er: „Große Klasse und beibehalten, denn ich habe gute Neuigkeiten. Du hast keinen Lungenkrebs - und jetzt die Schlechte Nachricht: Ich glaube, dass du vielleicht COPD hast. Und darum gleich zum Röntgen und morgen sehen wir uns wieder mit dem Bericht und den Bildern.“ Er hat mich dann noch kurz aufgeklärt, was COPD überhaupt ist und dass es auch nicht gerade rosig damit aussieht. Ich habe am gleichen Tag noch die Lungenbilder machen lassen und bin nach Hause, ran an den PC und erst mal nachgesehen, was und wie das mit COPD so läuft. Gar nicht gut: ist nicht heilbar und kommt vom Rauchen. Ich habe mir dann tatsächlich bei YouTube angesehen, wie manche COPD-Patienten nach Luft schnappen und mit Sauerstoffflaschen leben müssen, bis sie z.T. ersticken.

Dienstag morgen war ich wieder der erste beim Arzt. Der Doc hat die Bilder und den Bericht angesehen, lächelt mich an und sagt ich hätte auch keine COPD. So viel Glück haben nicht alle Menschen, sagte er noch. Ich habe nun einen Termin beim Kardiologen, weil der Atemnot ja irgendwo herkam.
In einer Woche werde ich am Leistenbruch links, rechts, und wegen einem Nabelbruch operiert. Pille Palle, wenn man bedenkt, dass ich selber mit dem Schlimmsten gerechnet habe. Meine Frau hat am gleichen Tag aufgehört, wo ich echt sagen muss: Respekt! Denn sie hat diese Atemnot nicht gehabt und es fällt ihr sehr schwer, denke ich.

Es sind nun ca. 2 Monate, die wir nicht mehr rauchen und ich bekomme Luft, wie seit Jahren nicht mehr. Ich setze mich in der Kneipe zu meinen rauchenden Freunden und habe keinerlei Probleme damit. Mein Bier Schmeckt Trotzdem

Mein letzte Packung Tabak liegt fast voll im Kaminzimmer auf dem Schrank. Wenn ich möchte, kann ich also – will ich aber nicht. Das hätte ich vor drei Monaten nicht für möglich gehalten. Ich esse nicht mehr wie früher. Mein Geschmack kommt langsam wieder. Alles schmeckt irgendwie besser. Nur morgens beim ersten Kaffee fehlt mir etwas, aber damit kann ich gut leben. Ab und am habe ich nachts noch etwas Husten mit Schleimbildung aber das wird auch immer weniger. Verglichen mit vor drei Monaten bin ich hörbar (Husten) und fühlbar (ich bekomme so gut Atem wie seit langem nicht mehr) ein echt neuer Mensch geworden.

Wer am Leben hängt, sollte sich doch gut überlegen, ob er nicht lieber aufhört. Auch wenn es sehr schwer für die meisten ist, die noch keine gesundheitlichen Probleme gehabt haben: irgendwann kommen sie.

Im diesen Sinne: Weg damit und weiter leben!

eigensednet von Piet